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Baby-Tagebücher von Marisa

Hautnah. Intensiv. Liebenswert. Folgt hier den Babytagebuch-Bloger:innen und erlebt regelmäßig, wenn frischgebackene Mütter und Väter ihr Leben mit euch teilen. Jede Woche lassen sie euch an ihrer neuen Lebenszeit mit Baby teilhaben und geben ganz persönliche Einblicke: Was hat der Sprössling diese Woche Tolles gelernt? Wie geht es den jungen Eltern mit dem kleinen Knirps? Welche Herausforderungen begegnen den Neu-Mamas und Neu-Papas mit ihrem Neugeborenen? In den Baby-Tagebüchern seid ihr live dabei, von ersten Arztbesuchen bis zu holprigen Gehversuchen. Ob liebenswert chaotisch oder rührend besinnlich: Immer erhaltet ihr einen unverfälschten, authentischen und persönlichen Einblick in das aufregende Leben einer Jungfamilie.

35. Woche

Zu spät!

Wenn wir für die Bahncard zahlen, müssen wir auch mal Zug fahren.

Ich fahre selten Zug; aus den üblichen Gründen: Zu unflexibel, zu teuer, zu viele Verspätungen und Ausfälle, nervige Mitreisende, wahlweise kaputte Klimaanlagen, Heizungen oder Toiletten – irgendwie ist es mir ein Graus. Aber an diesem vorweihnachtlichen Freitag möchte keiner von uns im Stau stehen. Also buchen wir Tickets und fahren das erste Mal zu viert mit dem Zug.

Und was soll ich sagen? Natürlich kommt er zu spät! Mitreisende haben ebenfalls ihren Unfrieden mit der Deutschen Bahn gemacht. „Kommt der Zug wirklich um 10.50 in Bremen an?”, fragt die blonde Frau skeptisch durch ihre fleckige, randlose Brille. Auf ihrem Handgelenk sind zwei kleine Vögelchen tätowiert, der Koffer und restliches Gepäck blockieren boomer like den Platz neben ihr. „Wenn se das wissen wollen, müssen se in ‘ne Glaskugel gucken”, antwortet die ebenfalls in die Jahre gekommene Zugbegleiterin mit auberginefarbenem Haar. Die ist wenigstens ehrlich, freue ich mich insgeheim.

Jeppes erste Zufahrt. Wir sitzen im Familienbereich, Tim liest Adventsgeschichten vor, Smilla hält die Weihnachtsbaumkugeln der Buchillustration für komische Ostereier. Draußen fliegen Dörfer und Felder vorbei, alles versinkt im diesigen Grau des Dezembertags. Jeppe knabbert an seinem Brötchen und beobachtet alles ganz gespannt. Wir sind auf dem Weg nach Düsseldorf. Alte Heimat, Freunde besuchen, vorweihnachtliche Termine, die Tante feiert zudem eine große Party. Smilla hat ihr Lieblingskleid mit Tutu eingepackt; sie möchte tanzen.

Aufgeregt läuft sie am Tag der Feier umher. Überall lustige Leute, auch Smilla macht sich schön. Mit Argusaugen begutachtet sie die Kleider der anderen Frauen. „Auch ein Kleid an? Ist schick“, befindet sie den Leo-Look ihrer neuen Freundin und darf sich vor dem großen Spiegel die Augen bepinseln lassen. Die Tanten-Freundinnen malen ihr auch einen Fingernagel an und pudern ihr die Nase; Smilla fühlt sich richtig groß. Jeppe kriecht derweil durch die Wohnung, befühlt die unterschiedlichen Schuhe und entscheidet sich für ein Paar Slipper mit goldener Schnalle. Bevor er seine vier Zähnchen ins Leder hacken kann, greift Tim ein.

In der urigen Düsseldorfer Kneipe findet sich der Rest der Festgemeinde ein. Schließlich muss der runde Geburtstag ordentlich begangen werden. Tante Ina hat die Location gemietet, die Crew mixt fleißig Drinks und Urgestein Micky flirtet mit dem Baby auf der Theke. „Mama, wat willste tririnken“, fragt sie mit breiter rheinischer Mundart. Ich trinke Cola statt Altbier und bin bald eine der wenigen, die nicht angeschickert ist. Smilla flitzt durch die Menge, futtert sich durchs Buffet und malt, klebt und stempelt ihre Seite im Gästebuch voll. Jeppe sitzt auf dem Tresen und zerrupft innbrünstig einen Bierdeckel. Danach ein Tänzchen mit der Tante, ein bisschen flirten mit der Lady im Glitzerkleid – hier haben alle Spaß. Irgendwann kommt Smilla und bittet um eine Runde im Kinderwagen. „Möchte mich ausruhen, und Schnuller haben“, sagt sie. Tim dreht eine Runde ums Eck und danach schläft unser Kind vor der Tür. Dick eingemummelt und in Sichtweite durchs große Fenster verschläft sie den Anschnitt der Torte, auf den sie sich so gefreut hatte. Jeppe hält etwas länger durch, aber auch sein Kopf sinkt irgendwann an Tims Brust, wo er friedlich in der Trage schlummert.

Einige Tage später: Wieder im Zug frage ich, was denn am meisten Spaß gemacht habe. „Die bunten Fische, das Schwein und Schokolade. Und viele Leute“, zählt Smilla auf. Ok, das ist also die Bilanz unseres langen Wochenendes. Die bunten Fische wohnen im Aqua Zoo, das Schwein ist Bestandteil des Karussells auf dem Weihnachtsmarkt, und Süßkram gab es ohnehin zu viel. Partypeople, Verwandte und Freunde, wer die alle waren ist unserem Kleinkind egal. Hauptsache immer was los, Hauptsache nett.

Und damit sich wirklich niemand langweilt, geben wir auf der Rückfahrt noch mal richtig Gas. Wir rennen im Zug auf und ab und zählen die Babys an Bord. Dann treffen wir Greta und Alva, die wollen auch nach Hamburg. Smilla hat zwei neue Freundinnen. „Ich komme gleich wieder“, sagt sie und eilt hinter den beiden Mädchen her. Sie verstecken sich zwischen den Sitzen, basteln gemeinsam, vernichten den gesamten Proviant und spielen mit Jeppe. Dann gehen alle zusammen aufs Klo. Das rauscht zwar gruselig, aber alle anderen machen ja mit. Jeppe schäkert mit den drei Frauen nebenan. Sie haben auch ein Baby dabei. Es ist noch ganz frisch und die junge Mama wahnsinnig müde. Inzwischen laufen vier Kleinkinder durch den Waggon. Ein beleibter Mann mit Glatze lacht sich schlapp. Die meisten Reisenden finden die Rasselbande ziemlich unterhaltsam.

Allerdings gibt es auch ätzende Kommentare von Kinderhassern. „Ist ja ganz schön mutig, die Kinder hier so rumlaufen zu lassen“, murmelt eine mies gelaunte Dame im Vorrübergehen. „Das sind kleine Menschen mit zwei Beine und einem Gehirn. Was ist daran mutig?“, rufe ich ihr wütend hinterher. Tim ätzt gegen einen Mann, der Lautstärke und Temperament ebenfalls bemängelt. Wohlgemerkt im Vorbeigehen. Wir sitzen nämlich im Familienbereich, die Genervten gehen nur an uns vorüber.

„Sehen wir uns wieder?“, fragt Greta, als sie und ihre Familie den Zug eine Haltestelle vor unserer verlassen. „Ich denke nicht“, sage ich. Bedächtig nickt die Vierjährige. „Dann Tschüss“, sagt sie cool und geht. Wir winken durchs Fenster. „Thank you for choosing Deutsche Bahn today!“

Tagebuch Marisa



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In diesem Beitrag geht's um:

Zug, Bahn, Düsseldorf, Party, Weihnachten, Kneipe, Reise