So, nun ist es Zeit für den ersten Wochenbericht mit Baby.
Wir haben uns inzwischen gut eingelebt. Man liest vor der Geburt so einiges zum Thema Wochenbett und Geburt bzgl. Empfindungen, Heilungsprozesse und Familienleben. Doch wenn es dann soweit ist, ist doch alles anders. Auch die Geburt an sich lässt sich nur nachempfinden, wenn man es selbst erlebt hat. Davon bin ich nun auch überzeugt, obwohl die Erinnerungen daran schon wieder verblasst sind.
Nach meiner Entbindung im Krankenhaus wurde ich in ein Zweibettzimmer verlegt. Ich war sehr froh, dass mein Zimmer leer war. So hatten mein Freund und ich Zeit ein kleines Nickerchen zu machen. Es war schließlich 10 Uhr morgens und wir hatten eine 12 Stunden Geburt hinter uns und beide weder geschlafen noch gegessen. Später wurde uns Carlo gebracht, ohne Worte.
Und da waren wir nun, ratlos und müde, aber zunächst glücklich. Mein Freund machte sich auf, um Carlo anzumelden und irgendwo Essen aufzutreiben und ich lag da weiterhin ratlos. Denn niemand verriet mir, was nun passiert oder was ich tun sollte? Musste ich wickeln, stillen oder schlafen? Meine Hebamme war bereits weg, denn auch sie musste ja mal schlafen. Auf meine Frage nach Essen bekam ich die Antwort: „Ne, wir haben nur noch einen Pfannkuchen über!“ Der war allerdings ertränkt in Vanillesoße, also aß ich den ganzen Tag Müsliriegel, die ich noch dabei hatte.
Gegen Nachmittag wurde dann eine Frau mit Kaiserschnittentbindung neben mich gelegt, die allerdings kein Wort deutsch sprach und ihre halbe Verwandtschaft um sich geschart hatte. Mein Freund war bereits weg (Er musste die Woche noch arbeiten und etwas Schlaf nachholen).
Ich war also allein auf dem Zimmer, immer noch ratlos. Auf meine Frage bei der Hebamme, was denn noch ansteht und wie das mit Wickeln und Stillen so sei, fragten sie mich, warum ich noch nicht gewickelt hätte und natürlich müsste ich stillen und Programm? Was für ein Programm? Sie lachte. – Ach, Sie wollen morgen nach Hause? Und was ist mit der U2? Und dem Stoffwechseltest? Und dem Hörtest? – Was für ein Hörtest? U2 kann ich doch auch woanders machen, oder? – Ja, aber das ist ja so kompliziert…Klare Antworten bekam ich nicht. Stattdessen nahmen sie Carlo, wickelten ihn und gaben ihn mir zurück, ohne mich mit Antworten auszustatten. Ich legte also Carlo an und stillte ihn, nachdem meine Schwester mir dazu riet.
Ich war also vollkommen auf mich allein gestellt und bewunderte Carlo. Um 21.00 Uhr wurde ich dann noch mit einem herrlichen Dönerzwiebelgestank vollgedröhnt, gesponsert von meinen werten Bettnachbarn, dessen Mann meinte, mir die ganze Zeit von seinen Söhnen erzählen zu müssen. Das interessierte mich allerdings herzlich wenig. Als der Besuch dann endlich weg war, beschäftigte sich Madame damit, das Licht immer ein und auszuschalten und das Bett ihres Kindes so zu verschieben, dass sie jedes Mal Carlos Bett anstieß. Der erschrak jedes Mal und wurde wach. Kurzum: Der Klinikaufenthalt war die Hölle und ein denkbar schlechter Start.
Am nächsten Morgen brach ich bei der Abschlussuntersuchung in Tränen aus, weil ich am Ende mit meinen Nerven war. Die Ärztin beschwerte sich dann bei den Hebammen, doch es half nichts, der Eindruck blieb. Als meine Mutter endlich kam, verließen wir fluchtartig das Krankenhaus.
Gott sei Dank erklärte sich meine Mutter dazu bereit mich abzuholen und für 4 Tage bei uns einzuziehen, solange mein Freund noch arbeiten musste. Und das wiederum war das Beste was uns bzw. mir hätte passieren können. Denn Männer und vor allem mein Mann sind zwar geeignet die Frau zu umsorgen, aber die eigene Mutter bzw. irgendwer weibliches umso mehr. Denn sie bringen das nötige Fingerspitzengefühl mit, das ich sehr brauchte. Einen ambitionierten Mann, der hektisch durch die Wohnung putzt, hätte mich wahrscheinlich wahnsinnig gemacht. Man ist die ersten Tage doch sehr unsicher, emotional und schwach und da ist es kontraproduktiv, wenn es dem „Betreuenden“ genauso geht. Meine Mutter hingegen war etwas rationaler und schaffte es, mich zu verwöhnen und Ruhe und Gelassenheit auf mich und Carlo auszustrahlen. Sie schaffte es, eine Ruhe in unsere neue Familie zu bringen, die mir und meinem Freund einen super Start verschaffte.
Als mein Freund dann endlich Freitags seinen letzten Arbeitstag hatte, strotze er nur so vor Tatendrang. Er begann einzukaufen, zu putzen, zu waschen, zu räumen, so dass ich befürchtete, er würde jeden Moment einen Adrenalinschock kriegen. So etwas direkt nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus hätte ich definitiv nicht ertragen ;-) Es macht also Sinn, dass in einigen Ländern die Männer im Wochenbett nichts zu suchen haben. Der Aktionismus meines Freundes hat übrigens immer noch nicht nachgelassen, wobei er dabei viel Energie auf seine nahende Chilereise setzt. Aber dazu nächste Woche mehr.
Nun zu Carlo. Er ist so winzig klein und süß, dass ich ihn die ganze Zeit kuscheln muss. Er verbringt den größten Teil des Tages auf meiner Brust. Er hat wuschelige schwarze Haare und dunkle Augen, wenn er sie denn aufmacht. Ansonsten erinnert er mich an einen Sack Kartoffeln, weil er nur schläft und natürlich noch keinerlei Körperspannung vorhanden ist. Wir haben uns nun langsam aneinander gewöhnt. Ich schrieb tausend Fragen auf, die ich der Hebamme stellte und vergaß die Antworten meist wieder. So rief ich mindestens einmal am Tag an um noch einmal nachzufragen. Man wird halt doch sehr vergesslich im Wochenbett, was aber auch gut ist. Inzwischen habe ich den Geburtsschmerz tatsächlich verdrängt und mir kommt es vor, als sei es Jahre her. (Es sei denn, ich bewege mich zu viel. Dann erinnert sich mein Beckenboden an das Trauma. ;-)) An das Stillen habe ich mich nach und nach auch gewöhnt. Blutige Brustwarzen habe ich erfolgreich mit Multi Mum Kompressen bekämpft. Die wirken wahre Wunder, wenngleich sie sehr teuer sind. Aber das ist es mir wert. Inzwischen kann der Kleine aber etwas besser andocken und die Schmerzen sind so nicht mehr ganz so schlimm. Apropos, der Kleine verlangt die Milchbar. Bis nächste Woche,
eure Susi