Wir machen uns Gedanken über die bald bevorstehende Geburt. Und die Mutterschutz-Zeit läuft leider überhaupt nicht gut. Neben erneuter Krankheit macht uns Tanjas Trotzphase massiv zu schaffen.
Gleich vorweg, dieser Blog wird superlang. Einmal muss ich Euch langsam mal erzählen, wie wir uns die Entbindung vorstellen. Und außerdem sind wir wegen Krankheit und Tanjas Trotzphase echt unter Druck.
Aber interessanterweise scheinen Euch meine ellenlangen Ausführungen nicht abzuschrecken. Von der kidsgo-Redaktion habe ich gerade gehört, dass mein Blog im Vergleich die meisten Zugriffe hat. Warum eigentlich? Ist es wirklich so interessant, die Geschichte mal aus männlicher Sicht erzählt zu bekommen? Vielen Dank jedenfalls für Euer Interesse.
Fangen wir mal mit Kind Nr. 2 an. Da die Geburt ja nun in greifbare Nähe rückt (3,5 Wochen and counting), kommt meine abergläubische Frau nicht umhin, doch die ein oder andere Anschaffung zu machen, damit wir nicht zum Schluss ohne alles dastehen. Ein paar Bodies, Strampler etc. wurden bestellt und geliefert. Außerdem haben wir ein Beistellbett und einen Stubenwagen besorgt. Alles wird nun im nur über die Loggia betretbaren Abstellraum verwahrt, was eine praktiable Lösung zwischen Aberglaube einerseits (nichts darf vor der Geburt im Haus sein, da das Unglück bringt) und Praktikabilität (irgendwo muss es ja sein) ist.
Hinsichtlich der Geburt müssen wir uns ja auch überlegen, wie wir das praktisch organisieren wollen.
Mit einigem Neid habe ich in Silkes Wochenblog vor einiger Zeit gelesen, dass sie unter mehreren Kliniken die Auswahl hat. Das ist bei uns nicht der Fall. Entfernungsmäßig kommen bei uns zwei Kliniken in Frage, nämlich das große Klinikum in unserer Stadt und eine kleine Klinik in einer benachbarten Stadt. Beide sind für uns in ca. 10-20 Minuten erreichbar. Die kleine Klinik in der benachbarten Stadt wird sehr gelobt. Es gibt eine kleine Geburtsstation mit einem liebevollen, sehr famililären Ambiente und engagierten Hebammen. Aber diese Klinik hat keine Kinderintensivstation. Muss also das Kind nach der Geburt intensivbetreut werden, muss es verlegt werden. Für uns ist das ein Ausschlusskriterium. Es bleibt also nur das Klinikum in der Stadt.
Dabei haben wir allerdings nicht das beste Gefühl, da wir an dieses Klinikum wenig gute Erinnerungen von unserer ersten Geburt hatten. Und das war so:
Die erste Hebamme, die uns betreute, war schlicht desinteressiert und unfreundlich. Immerhin wurde sie nach einiger Zeit abgelöst und wir erhielten eine Hebamme, die etwas freundlicher war. Wenn auch meilenweit von dem entfernt, was ich mir an Mitgefühl und Verständnis bei einer Erstgebärenden (und ihrem Ehemann!) erwartet habe. Zudem verschwand die Hebamme immer wieder für längere Zeit, zeitweise ließ sie uns eine ganze Stunde allein. Dann verrutschte noch das CTG und wir konnten es nicht wieder so anlegen, dass die Herztöne des Kindes hörbar waren. Das ist schon mal ein Scheißgefühl, wenn man nicht weiß, ob es jetzt wirklich nur verrutscht ist, das Kind sich weggedreht hat oder wirklich keine Herztöne mehr da sind. Also musste ich erstmal loslaufen und die Hebamme suchen, damit diese wieder das CTG richtig anlegte. Okay, bei der eigentlichen Geburt war sie dann wenigstens voll dabei. Aber Krönung des Ganzen war ein weder angekündiger noch genehmigter Dammschnitt.
Auch die Betreuung auf der Neugeborenenstation war mehr als schwach. Wegen Überfüllung der eigentlichen Station lag meine Frau auf einem Nebenflur, wo sie regelmäßig vergessen wurde. Das Essen war eh so mies, dass ich ihr lieber was mitbrachte.
Eine Zeitlang haben wir uns überlegt, ob angesichts dieser Geburtserfahrungen nicht ein Wunschkaiserschnitt das Richtige wäre. Das wäre auch deswegen sinnvoll, da meine Frau nach der letzten Geburt längere Zeit mit Nachwirkungen des Geburtsvorgangs (konkret: ein verbogenes Steißbein) zu kämpfen hatte. Außerdem wäre dann die Geburt planbar, gerade was Tanjas Betreuung angeht.
Wir haben uns aber letztlich dagegen entschieden, da das Risiko eines Wunschkaiserschnitts wohl doch höher ist als bei einer normalen Geburt. Jedenfalls wenn man den vorliegenden Daten trauen kann. Hebammen darf man da natürlich fragen, die haben natürlich nicht das geringste Interesse an höheren Kaiserschnittzahlen.
Das nächste Problem bei der Geburt ist es, dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht dabei sein kann, da irgend jemand ja Tanja betreuen muss. Allenfalls wenn die Geburt zufälligerweise in Tanjas Kindergartenzeit fällt, also Montag – Freitag zwischen 8 und 15:30 Uhr wäre das möglich. Meine Mutter hat zwar angeboten, uns ggf. zu unterstützen. Aber die braucht ja im besten Fall fast 10 Stunden, um hierher zu kommen, da ist die Geburt vermutlich schon vorbei.
Wir haben uns daher eine Beleghebamme besorgt. Das ist eine freiberufliche Hebamme, die zur Geburt in die Klinik mitkommt und diese dann von Anfang bis Ende begleitet. Wir hatten Glück und haben eine nette Beleghebamme gefunden. Glück deshalb, weil wir uns relativ spät darum gekümmert haben und es nur wenige Beleghebammen überhaupt in unserer Stadt gibt und die wenigen recht stark ausgebucht sind.
Jetzt hoffen wir mal, dass das so klappen wird. Denn wenn unsere Beleghebamme an dem Geburtstermin nicht verfügbar ist (andere Geburt gleichzeitig oder schon mehrere Geburten hinter sich, so dass sie einfach mal schlafen muss), kann es doch dazu kommen, dass meine Frau letztlich doch mit den Klinikhebammen entbinden muss.
Kommen wir zu Kind Nr. 1.
Die letzte Woche war ansonsten echt ein Griff ins Klo. Nachdem wir ja zu Beginn des Mutterschutzes erst mit einem Magen-Darm-Virus gesegnet waren, hat uns nun eine starke Erkältung erwischt.
Tanja blieb weitgehend unbetroffen, mich traf es mittelstark, aber meine Frau hat es zeitweise komplett flach gelegt. Durch die weit fortgeschrittene Schwangerschaft belastet sie die Erkältung wesentlich mehr. Bei ihr kommt bei starken Erkältungen – sozusagen also kostenloser Upgrade – noch dazu, dass sie erstens ihre Stimme wegbleibt und zweitens Trigeminus-Schmerzen hat (Trigeminus ist ein Gesichtsnerv, der bei Entzündungen höllisch weh tut). Dazu kommt, dass bei jedem Husten – und sie hustet derzeit dauernd – das Baby voll nach unten drückt, was auch richtig schmerzt. Entsprechend war meine Frau nicht nur physisch, sondern auch psychisch echt unten.
Leider sind 3-jährige Kinder nicht fähig zu Mitgefühl (kein Vorwurf, sondern eine Tatsache). Bitten wie „Mama geht es ganz schlecht, also sei bitte heute mal lieb“ laufen da voll ins Leere. Im Gegenteil, ich hatte eher den Eindruck, dass Tanja das Eingeständnis der Schwäche als Aufforderung zu besonders heftigem Trotzen auffasste.
Am Dienstag hatte ich Geburtstag, was ich zur Zeit eher als Belastung denn als Freude auffasse. Ich finde es ohnehin recht nervtötend, schon wieder ein Jahr älter zu werden. Mit meinen 42 Jahren (meine Frau ist 38) fühle ich mich zwar nicht unbedingt alt, aber jung bin ich mit Sicherheit auch nicht mehr.
Eine befreundete Kollegin fragte mich dann zum Feierabend, wie ich denn meinen Geburtstag weiter gestalten wollte. Ich antwortete wahrheitsgemäß: „Oh, das wird sicher klasse. Ich denke, Tanja wird einen langen Trotzanfall haben und meine Frau wird heulen.“
Oh, mein prophetisches Gemüt: Es kam genauso. Diesmal war der Auslöser, dass Tanja bei ihren geliebten Nudeln mit Tomatensoße nach der Hälfte feststellte, dass sie natürlich Nudeln OHNE Tomatensoße haben wollte. Es folgte ein einstündiger(!) Schreianfall. Meine Frau war in ihrem miesen Allgemeinzustand komplett fertig.
Immerhin gelang es mir bei dieser Bewährungsprobe die Nerven zu behalten.
Je mehr Tanja tobte, desto mehr formte sich bei mir der Widerstand. Es reichte einfach. Ich habe mich gar nicht aufgeregt, sondern bin innerlich weitgehend ruhig geblieben (soweit man in einer solchen Situation ruhig bleiben kann). Wenn Tanja schreiend ihre blöden Nudeln OHNE Tomatensoße verlangte, habe ich ihr klar und ruhig dargelegt, dass das nicht geht. Punkt. So ging das wirklich eine Stunde hin und her. Später vertat sich Tanja und forderte plötzlich wieder Nudeln MIT Tomatensoße. Das war dann schon eher lustig. Und je länger es dauerte, desto ruhiger wurde ich. Nach einer Stunde wollte Tanja dann plötzlich auf meinen Arm. Ich nahm sie in meine Arme, habe mich mit ihr aufs Sofa gesetzt und ihr was vorgesungen. Sie wurde immer ruhiger und war dann ganz ruhig.
Und der Hammer: ich fing an, Lieder mit irgendwelchem Blödsinn zu singen, um sie aufzuheitern und Tanja fing an zu kichern. Dann lachte sie laut und meinte – keine Lüge – „Ich mag Dich, Papa, Du bist mein Freund.“
Mal ehrlich, eine Stunde Geschrei wegen blöder Nudeln und dann bin ich wieder ihr Freund? Kinder sind schon seltsam. Anscheinend braucht Tanja einfach den Widerstand, an dem sie sich reiben kann.
Ein weiteres Problem ist derzeit, dass Tanja eine Bindehautentzündung hat. Eigentlich kein Thema, wenn man die entsprechenden Tropfen ins Auge gibt. Ja, wenn sie es denn zuließe. Kein Bitten, kein Erklären, Betteln oder Bestechen half, wir mussten es mit Gewalt machen. Das erste halbe Dutzend Mal habe ich Tanja mit aller Kraft festgehalten, während meine Frau versuchte, die Tropfen in die zusammengekniffenen Augen hineinzukriegen. Danach natürlich weitere Wutanfälle. Erst ganz langsam ist Tanja bereit, sich die blöden Tropfen einfach so geben zu lassen.
Aber diese Erfahrungen der letzten Tage haben uns wirklich weitergebracht. Wir haben festgestellt, dass es so mit Tanja nicht weitergehen kann. Wir müssen ihr klar und deutlich wieder die Grenzen aufzeigen, die sie mit ihrem Trotz immer weiter zu ihren Gunsten verschoben hat. Gerade jetzt, wo wir in wenigen Wochen zu viert sein werden und dann eigentlich alle Kraft für das Baby brauchen. Wir bestimmen die Regeln und sie muss sich daran halten. Punkt. Das versuchen wir nun auch durchzuhalten, was natürlich zu besonderen Tobsuchtsanfällen führt, wenn Tanja merkt, dass wir Widerstand leisten. Es gibt Tage, da ist sie schon morgens mies gelaunt und bekommt ein halbes Dutzend Wutanfälle.
Aber es klappt! Wir regen uns gar nicht auf (versuchen es zumindest), sondern bleiben einfach hart, egal wie sehr sie tobt. Manchmal habe ich schon Angst, dass sie mir tot umfällt, so regt sie sich auf. Aber dann – von einer Minute auf die andere – wird sie wieder ruhig.
Und dann ist sie nicht einmal sauer auf uns. Normalerweise hat man ja Gedanken wie: „Wenn ich mein Kind so schreien lasse, dann wird es mich hassen und bei der nächsten Gelegenheit ins Pflegeheim abschieben“. Aber das stimmt nicht. Nach ihren Ausbrüchen ist sie superlieb und anhänglich und erzählt uns auch immer, dass sie uns lieb hat. Wir hoffen jetzt einfach mal, dass wir mit Konsequenz diese Anfälle wieder verschwinden lassen. Über Weihnachten und Neujahr haben wir sie ja 11 Tage (verdammte Kindergartenferien), da haben wir jede Menge Zeit zum Üben – Freude, Freude.
Meine Eltern haben mich daran erinnert, dass ich selbst für meine Trotzanfälle berüchtigt war. Ich habe es tatsächlich geschafft, bei meinen Trotzanfällen in zwei (!) Fällen absichtlich (!) mit dem Kopf (!) das Glas von Zimmertüren (!) zu durchschlagen (!). Danach wurden in sämtliche Zimmertüren Sicherheitsglas eingesetzt. Offenbar bekomme ich jetzt alles zurück, was ich meinen Eltern angetan habe. War ja klar.
Ich wünsche Euch allen ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Neue Jahr. Ich selbst habe an diese Tage keinerlei Erwartungen. Wir feiern Weihnachten allein bei uns, da meine Familie viel zu weit verstreut lebt. Mal schauen, ob wir wenigstens diesen Tag ohne Schreierei überstehen. So wie ich das sehe, wird aber auch dieser Tag wohl mal wieder echt zum Kotzen.
Ob ich zwischen den Jahren noch einen Blog schreibe, weiß ich nicht. Vermutlich werde ich damit ausgelastet sein, meine Frau zu pflegen, der es inzwischen Gott sei Dank besser geht, und Tanjas Trotz abzufangen.
Bis dann