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Wassergewöhnung: Wie Spiele im Wasser die Angst nehmen

Ein wichtiger Zwischenschritt vom Babyschwimmen zum Schwimmkurs: Im Wassergewöhnungskurs möchte Schwimmlehrerin Silvia Gerigk ihren kleinen Teilnehmern von drei bis fünf Jahren mit dem nassen Element vertraut machen. Ihnen vermitteln, dass sie sich durchaus über Wasser halten können und das Wasser sie trägt. Ein Besuch in der Wasserschule Düsseldorf.

In diesem Artikel:

Kurs zur Wassergewöhnung: Der Spaß steht im Vordergrund

Das Becken gleicht einem Wellenbad, Wasser schwappt über den Rand, kleine Beinchen und Ärmchen quirlen durchs Wasser. Ben, fünf Jahre alt, paddelt im Hundekraulstil Richtung Mama, weiter drüben springt Kira mit schrillem „Iiih“ vom Beckenrand. Bälle fliegen kreuz und quer.

Wassergewöhnung: Kurse

Kurse zur Wassergewöhnung und Babyschwimmkurse in deiner Nähe findest du hier

Zehn mal zehn Meter groß ist das Becken, das die Düsseldorfer Kinder und Eltern des Wassergewöhnungskurses ganz für sich haben. Frieren muss hier niemand: Die Wassertemperatur hat angenehme 31 Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit erinnert an den tropischen Regenwald.

Was kann man sich unter Wassergewöhnung vorstellen? Kleine Nichtschwimmer, die sich ängstlich an Mamas Arm klammern und auf keinen Fall Wasser in die Augen kriegen wollen? Weit gefehlt: Im Wasser tummeln sich zwölf Kids im Alter von vier bis fünf Jahren, als wäre Wasser ihr  Element. Strahlende Augen, vergnügtes Quietschen, manche schwimmen sogar zwei, drei Züge ganz allein. „Unsere Wassergewöhnungskinder können sich schon einige Meter über Wasser halten“, sagt Kursleiterin Silvia Gerigk. Darauf ist sie stolz. Seit ihrem 16. Lebensjahr bringt die 44-Jährige kleinen und großen Menschen das Schwimmen bei. Heute leitet sie Kurse für Kinder ab Babyalter in ihrer eigenen Wasserschule in Düsseldorf an.

Kurs-Check

Auswahlkriterien:

  • Ist eine Probestunde möglich?
  • Kann ich zumindest vom Rand aus einmal zuschauen?
  • Geht die Kursleitung auf die Bedürfnisse meines Kindes und auf meine eigenen ein?

Dauer: Die Kurse variieren zwischen 30 und 60  Minuten. Üblich sind jedoch 45 Minuten.

Kosten: Bei den freien Trägern kostet eine 45-minütige Kursstunde ab 6,50 Euro bis hin zu 18 Euro plus Umlage für die Schwimmbadmiete.

Kurskonzept: Wie Spiele im Wasser Kinder ans Nass gewöhnen

Wasserspiele mit den Eltern

Mit einem Lied im großen Kreis werden alle Kinder einzeln mit Namen begrüßt: „Hallo, Marla, schön, dass du heute da bist!“ Mama oder Papa sind die Begleiter. Und das ist der große Unterschied zum Seepferdchen-Schwimmkurs: Die Eltern sind mit im Wasser und die ganze Zeit zum Greifen nah.

Es ist die letzte Kursstunde und zur Feier des Tages gehen wir in den Zoo. Natürlich bleiben wir im Becken, aber wir tun so als ob. Erstmal Proviant fürs Abenteuer packen: eine Dose mit Knabberzeug, eine Trinkflasche, einen Regenschirm, ... jeder Gegenstand landet mit einem lauten Schlag auf die Wasseroberfläche im imaginären Rucksack, dass es nur so spritzt. „Eincremen nicht vergessen!“, ruft Silvia Gerigk, schöpft eine Handvoll Wasser und wischt sich damit übers Gesicht. Mit Kraulbewegungen machen sich alle auf den Weg zum Zoo, einmal im Kreis herum. Stehen kann hier übrigens keines der Kinder, alle werden von Mama oder Papa am Bauch gehalten. Und los geht’s: Ab durch die Drehtür – dabei fassen sich immer zwei an den Händen und drehen sich im Kreis – und schon sind sie am Ziel.

Tauchen, atmen, gleiten, springen – aufs Schwimmenlernen vorbereiten

Marlas Lieblingstiere sind Zebras. Sie sind das erste Ziel der kleinen Zoobesucher, die den Tieren alles nachmachen. Mit schnellem Paddeln der Arme und Beine galoppieren sie durch´s Wasser. Jetzt geht´s zu den behäbigen Nilpferden, wie diese prusten auch die Wasserkids die Luft unter Wasser aus. Gemeinsam mit den Schlangen schlängeln sie sich dann auf dem Rücken durchs Wasser, die Eltern stützen – wenn überhaupt – den Kopf.

Dann geht’s zu den Wildpferden. Wer sich traut, springt wie sie über den Wassergraben: Mit Anlauf hüpfen die Kinder vom Beckenrand auf eine große schwimmende Schaumstoffmatte, lassen sich kurz treiben wie auf einem Floß, um dann von der Matte ins Wasser zu springen und bis zum Treppchen zu schwimmen. Das erfordert einiges an Mut. Ein paar wagen das ganz allein. Anderen hilft die Hand der Kursleiterin beim Sprung, ein oder zwei wollen gar nicht von der Matte runter.

Die Angst vor dem unbekannten Nass überwinden

Und schließlich sind die Zootiere kaum noch zu bremsen: Sie steigen auf die Räuberleiter oder auf die Schultern ihrer Eltern und landen kreischend im Wasser. Hat hier jemand Wasser im Mund? Das wird einfach in hohem Bogen ausgespuckt.

Ideal Schwimmen lernen

Babyschwimmen (4 – 12 Monate):
Babys entdecken, dass es Spaß macht, sich im warmen Wasser zu bewegen. Intensiver Hautkontakt, gemeinsames Erleben – das fördert die Entwicklung. Die motorischen Fähigkeiten sind begrenzt, deshalb müssen Eltern ihr Baby zu jeder Zeit festhalten. Schwimmhilfen wie beispielsweise Schwimmflügel setzt Silvia Gerigk erst ab einem Jahr ein. Vorher ist die Nackenmuskulatur noch zu schwach. Eltern lernen, wie sie ihr Kind sicher halten, wie sie erkennen, dass es friert, und welche Vor- und Nachteile das Tauchenlassen bringt.

Kleinstkindschwimmmen ab 1 Jahr, Kleinkindschwimmen (2 – 3 Jahre)
Jetzt geht es darum, die Selbstständigkeit zu fördern. Dazu gehört auch, die Kinder loszulassen. In diesen Kursen wird teilweise mit Schwimmhilfen gearbeitet, die jedoch mehr und mehr reduziert werden. Es gibt Kreis- und Singspiele, Materialien laden zum Klettern, Rutschen und Springen ein.

Wassergewöhnung (3 – 4 Jahre)
Die Eigenschaften des Wassers kennenzulernen sowie der Spaß im Wasser stehen jetzt im Vordergrund. Die Übungen sind dem Entwicklungsstand des Kindes angepasst und bereiten aufs Schwimmenlernen vor. Dabei sollen die Kinder ohne Druck, aber mit sehr viel Spaß und kleinen Erfolgsschritten das Wasser erleben und beherrschen lernen.

Anfängerschwimmen
Kinder ab einem Alter von vier Jahren können in Kleingruppen die Grundtechniken des Schwimmens lernen: Gleiten, Atmen und Schwimmen werden in spielerischer Art vermittelt, um sich sicher im Wasser zu bewegen. Schwimmhilfen unterstützen mit ihrem Auftrieb. In manchen Kursen – so auch bei Silvia Gerigk – ist die erste Schwimmart das Kraulen, denn das entspricht der natürlichen Bewegung des Kindes.

Wassergewöhnung, das ist nach DLRG-Definition die Voraussetzung dafür, dass aus dem Anfänger ein sicherer Schwimmer wird. Viele Nichtschwimmer haben schlichtweg Angst vor dem Unbekannten. Kopf unter Wasser? Niemals! Deshalb arbeitet die Wassergewöhnung spielerisch verschiedene Phasen ab: Sich mit dem Element Wasser vertraut machen, um die Angst zu verlieren. Wasserdruck und Wasserwiderstand kennenlernen und die Bewegungen an diese neue Umgebung anpassen. Erste Grundtechniken kommen hinzu: Tauchen, Atmen, Auftrieb erleben, Gleiten in Bauch- und Rückenlage. Sprünge ins Wasser, um Mut zu fassen. Und schließlich erste Schwimmbewegungen ausprobieren.

Wassergewöhnung braucht Geduld: Druck ist tabu

Viele Wassergewöhnungskids haben mit Babyschwimmen angefangen, mehrere Kurse besucht und starten bald mit dem Anfängerschwimmen. „Das ist der ideale Weg. Denn die Gewöhnung braucht Zeit. Damit stellen sich auch die größten Erfolge fürs spätere Schwimmen ein“, weiß Silvia Gerigk aus Erfahrung.

Wassergewöhnung ist also kein Erstkontakt mit dem fremden Element, es ist die Vorstufe zum Schwimmenlernen: „Wenn Eltern ihre Kinder mit drei oder vier Jahren zum Schwimmkurs anmelden wollen, dann bin ich misstrauisch. Was sie eigentlich suchen, ist Wassergewöhnung. Denn im Schwimmkurs ist der Leistungsdruck sehr hoch. Da gilt es, Fortschritte zu machen, eine Prüfung zu bestehen. In der Wassergewöhnung vermittle ich alle Grundlagen, aber ganz ohne Druck.“

Technik und Sicherheit – darauf kommt es an

Die Kinder sollen spüren und lernen, dass das Wasser trägt. Eltern sollten sicher sein, dass ihren Kindern im Wasser nichts passiert, das ist Silvia Gerigks wichtigstes Ziel. Denn letztendlich geht es darum, dass die Kinder sich kurz über Wasser halten können und nicht in eine Schockstarre verfallen, sollten sie jemals in eine gefährliche Situation geraten. Es geschieht immer wieder, dass ein Kind, das nicht schwimmen kann, in einen Pool fällt – sei es aus Unaufmerksamkeit oder aus Selbstüberschätzung. Wenn die Kinder nicht mit dem Wasser vertraut sind, kann das lebensgefährlich werden. „Mir ist wichtig, dass die Kinder in solch einer Gefahrensituation überleben. Schwimmen beizubringen ist für mich eine Herzensangelegenheit.“

Unsere Expertin

Silvia Gerigk

Schwimmtrainerin Silvia Gerigk (44) bringt seit ihrem 16. Lebensjahr kleinen und großen Menschen das Schwimmen bei.

Seit 2006 leitet sie in Düsseldorf ihre eigene Schwimmschule.

Experten-Interview: Das Wasser beherrschen

kidsgo: Nicht alle Kinder sind so furchtlos. Es gibt zum Beispiel einige, die erst gar nicht duschen wollen. Was dann?

Silvia Gerigk: Dann hilft tricksen. An einer der Duschen lässt sich der Duschkopf abnehmen wie zu Hause in der Badewanne. Damit steht keiner hilflos unter dem Schwall von oben, sondern kann steuern, wo das Wasser landet. Und wenn ein Kind sich gar nicht überwinden kann, dann darf es ungeduscht ins Wasser.

Und wie helfen Sie, die Angst vor dem Wasser im Schwimmbecken zu überwinden?

Gerigk: Gegen die Scheu hilft ebenfalls eine kleine Übung im Becken, sie heißt: Was du mir tust, tu ich dir. Dabei haben Eltern und Kinder einen Becher. Wenn Emma ihrer Mama Wasser über den Arm gießt, revanchiert sie sich. Und wenn Theo dem Papa den Becher über den Kopf schüttet? Dann tut er dasselbe bei seinem Sohn. Die Vereinbarung ist klar. Und wenn ich mir am Ende den vollen Becher Wasser über den Kopf schütte, was glauben Sie, wie viele Kinder mir das nachmachen

Und was tun Sie, um ein ängstliches Kind zum „Schwimmen“ zu ermutigen?

Gerigk: Traut sich ein Kind zu wenig zu, spreche ich ihm ganz viel Mut zu: Ich mache Vertrauensarbeit. Wenn ich sage: Du schaffst es bis zum Beckenrand, dann kann sich das Kind auch darauf verlassen. Wenn ein Kurskind ohne Unterstützung die ersten Schwimmzüge macht, dann ist das für mich der schönste Moment. Manche Eltern lassen ihre Kinder auf sich zuschwimmen, weichen aber immer einen Schritt zurück, um die Strecke zu verlängern. Davon halte ich nichts.

Und was ist das wichtigste Ziel in diesem Kurs?

Gerigk: Eine der wichtigsten Erfahrungen ist zu spüren, dass das Wasser einen tragen kann. Das gelingt aber nur dann, wenn ich das Element beherrsche. Ansonsten birgt Wasser eine Gefahr. Das ist das, was die Kinder erfahren und lernen müssen.

Liebe Frau Gerigk, wir danken Ihnen für das Interview!