Immer schneller, höher, weiter...
Liebe Kidsgo-Community,
bevor ich zum eigentlichen Thema des Beitrags komme, muss ich dringend etwas klarstellen.
Denn im Beitrag 'von hüpfenden Herzen' witzelte ich über die Rückbildungskurs-Intensität. Nun, 5 Sporteinheiten später, muss ich zugeben, dass das Niveau doch immens angezogen hat. Jeden Mittwoch läuft mir der Schweiß den Rücken hinunter. Denn wir powern uns so richtig aus. Letzte Woche wäre ich während der Liegestütze-Übung fast mit meiner Nase auf dem Boden aufgeschlagen. Und habe mich ziemlich unelegant in der 'Kerzen-Position' (Super für den Beckenboden!) wiedergefunden.
Ich rudere hier demnach offiziell zurück und entschuldige mich bei allen Kursleiter:innen, die uns Muttis keuchend ertragen müssen. Mein Fitnesslevel lässt wirklich zu wünschen übrig... Es ist aber auch ein hartes Workout jedes Mal. Wer hätte das bei der ersten Einheit gedacht?! Ich nicht!
Aber jetzt, los geht's:
Habt ihr im Schwimmbad meinen Bauch gesehen? Zwischen all den anderen Jungmüttern habe ich mich umgesehen – und verglichen. Hat der Nachbar tatsächlich einen Strauch voller roter Tomaten und wir schnippeln gerade die verfaulten Stellen vom angepflanzten Kopfsalat bis nichts mehr übrig ist? Kocht die Instagram-Mom echt jeden Tag für ihre 5-köpfige Familie, während ich gerade die Tiefkühlpizza in den Ofen knalle?
Im Alltag lauern überall Vergleiche. Und Willi und ich versuchen, uns immer wieder frei davon zu machen. Denn wir sind zufrieden mit dem Leben, zufrieden mit uns und noch zufriedener mit unserem Alltag. Wir sind keine von Neid zerfressenen Menschen und gönnen gerne. Und trotzdem vergleichen wir. Und seitdem wir Anton haben noch mehr.
Sobald Babys im Spiel sind, geht der Zirkus los. Angeblich entwickeln sich die meisten Kinder ja relativ ähnlich. Und trotzdem kann sich Kind A super früh schon drehen. Und Kind B plappert schon, bevor es seinen ersten Geburtstag feiert. Und kennt ihr Kind C? Das rennt euch schon mit 10 Monaten davon.
Für die „Überflieger-Eltern“ der ganz große Stolz. Für die anderen irgendwie blöd. Zumindest muss ich da von mir sprechen. Ich gebe jeden Tag mein Bestes für Anton, möchte ihn fördern und hoffe natürlich, dass er sich großartig entwickelt. Mir ist bewusst, dass wir weder überall die ersten sein müssen noch wollen. Und trotzdem liege ich oft mit einem schlechten Gefühl im Bett. Nämlich mit der Erkenntnis, dass bei den anderen das Gras grüner ist.
Bei der Nachbarin beginnt die Nacht des drei Monate alten Babys bereits um 20 Uhr. Und endet, nahezu ohne Unterbrechungen, um 08 Uhr morgens. Deshalb sieht sie auch aus wie das blühende Leben. Ich kämpfe mich immer noch durch 5- bis 6-Stunden Nächte (inkl. Stillunterbrechungen) und bevorzuge mittlerweile Trockenshampoo, damit ich beim Gang zum Bäcker einigermaßen frisch aussehe.
Und dann kommen die Zweifel: Hindern wir ihn zum Beispiel durch fehlende Abendrituale an einem frühen Zubettgehen? Tragen wir Anton zu viel, weswegen er „zu verwöhnt“ ist?
Eigentlich bin ich der Meinung, dass man Babys nicht negativ verwöhnen kann. Zu viel kuscheln und tragen gibt es nicht. Aber was, wenn doch?
Das Kind im Rückbildungskurs liegt jede Woche 60 Minuten strahlend auf der Matte und himmelt seine Mutter an. Während Anton wild quäkend von links nach rechts schaukelt und ich zwischen Squats und Glute Bridge immer eine Hand an ihm haben muss.
Freundin X fragt mich, ob ich mir abends „endlich“ mal ein Glas Wein gönnen kann oder ob ich immer noch alle 2-3 Stunden stillen muss. Öhm… an ein Glas Alkohol ist gerade definitiv noch nicht zu denken. Viel zu kurz sind die Intervalle. Ach und abpumpen geht auch nicht? Nicht genügend Milch? Schade für dich, Maike… Und irgendwie komisch. Abpumpen und Milch einlagern kann doch jeder?
Ich nicht. Mein Sohn trinkt immer alles aus, was ich habe. Er will halt, dass morgen das Wetter schön wird. So einfach ist das.
So einfach ist das aber eben nicht immer. Denn ich bin ganz oft verunsichert. Nur wegen der blöden Vergleiche. Keiner will mir ein schlechtes Gefühl geben, das schlechte Gefühl mache ich mir von ganz alleine. Denn ich selbst bin der Meinung, dass drüben das Gras immer grüner ist. Ich bin so stolz auf jede Entwicklung, die Anton durchläuft. Und am nächsten Tag todtraurig, dass andere Babys irgendetwas „besser“(?) können. Ich erzähle das Willi dann am Ende des Tages und finde selbst, dass es sich blöd anhört.
Und trotzdem ist es Fakt. Es ist ein bisschen dieses Mom-Shaming, von dem alle sprechen. Nur auf Baby-Ebene.
Dieser Eintrag geht also heute an alle Jungmütter, die heute Zuspruch brauchen, den ich mir auch schon einmal gewünscht hätte. Zuspruch, auf das eigene Bauchgefühl zu hören. Zuspruch, dass sich alle Babys gut entwickeln. Im eigenen Tempo. Jedes Kind hat eigene Bedürfnisse, jede Generation eigene Vorstellungen, jede Zeit eigene Erkenntnisse.
Und die Tatsache, dass in der Baby-Bubble das Hinterfragen im kritischen Unterton wehtun kann. Besonders dann, wenn man Neu-Mama ist: Voller Hormone und ständig in ungewohnten Situationen. Und der chronische Schlafmangel tut dann seinen Rest.
Ich habe mir vorgenommen, ab jetzt einfach stolz darauf zu sein, was wir mit Anton haben. Ein Baby, das sowohl in der Trage als auch im Kinderwagen glücklich ist. Einer, der Schnuller akzeptiert und somit relativ leicht beruhigt werden kann. Ein Kind, das sich von jedem Nachbarn und jeder Freundin gerne auf den Arm nehmen lässt. Alles Aspekte, die nicht selbstverständlich sind und uns das Leben leichter machen. Und ich bin mir sicher, irgendwo in dieser Stadt sitzen genau jetzt eine Mama und ein Papa und sprechen darüber, wie grün das Gras bei uns ist. So viel grüner als bei ihnen selbst.
Ich schicke Willi jetzt in den Garten. Unser Rasen muss mal wieder gemäht werden. Passt thematisch irgendwie.
Damit liebe Grüße und bis in ein paar Tagen. Kommende Woche steht viel Spannendes für uns an.
Maike