2. Besuch: GESCHENKE FÜR DIE FLÜCHTLINGSKINDER oder Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte
Die Übergabe der zweiten Runde von über 200 Geschenken an die Flüchtlingskinder.
In Gedanken habe ich sie „Asifa“ genannt, die junge Frau, die ich bei der ersten Übergabe der Geschenke in Friedland kurz gesehen und an die ich immer wieder gedacht habe. Asifa, das heisst auf arabisch so etwas wie „Sturm“ - und vor einem solchen, ist sie wohl mit ihrer kleinen Tochter geflüchtet. Ich hoffe, sie wieder zusehen, als ich nun so kurz vor Weihnachten auf dem Weg bin, um das zweite Mal Eure Geschenke in das Grenzdurchgangslager zu bringen. Ich würde so gerne mit ihr sprechen, ich würde sie gerne umarmen, ihr zeigen, dass hier viele Menschen sind, die Anteil nehmen - heute würde ich mich trauen. Ich würde auch so gerne wissen, woher sie gekommen ist, was ihr helfen würde, was sie für ihre Kinder und sich am dringendsten braucht. Ich will es auf Englisch versuchen und dann ein Treffen ausmachen, zu dem ich jemanden mitnehmen kann, der übersetzt. Doch wie so oft, kam es ganz anders. (Hier lest ihr von der ersten Übergabe: www.kidsgo.de/Friedland/uebergabegeschenke)
Die Geschenke für die Flüchtlingskinder in Friedland stapelten sich morgens bis unter das Dach meines alten VW Busses. 200 Päckchen vielleicht, vielleicht sogar mehr. Drei Tage vorher waren es nicht wirklich viele und dann hörte es nicht auf zu klingeln. So viele Menschen, die Geschenk-Päckchen brachten, so viele, die unser Paketbote aus anderen Städten zustellte. So schöne Geschenke, so liebevoll eingepackt! Es sah ganz ganz toll aus. Das habt ihr alle großartig gemacht, ich war wirklich gerührt! Danke!
Gleich morgens fuhr ich also los zum Grenzdurchgangslager Friedland. Dieses Mal kannte ich den Weg, wusste, wie es sich anfühlt und hatte eine Idee, wie es dort werden würde.
Doch es war ruhig im Lager, kaum ein Mensch zu sehen, fast gespenstisch. Keine fragenden Blicke, keiner der aus den Baracken guckte. Kein Mensch weit und breit. Ich hatte erwartet, dass die Kinder wieder aus dem Kinderhaus gestürmt kommen und helfen würden beim Ausladen. Doch als ich klingelte kam nur die Leiterin, Frau Günther, die auf mich gewartet hatte. Auf meinen fragenden Blick bekam ich direkt die Antwort: „Sie sind gestern alle abgereist! Wir brauchen hier Platz über Weihnachten, für die, die über die Feiertage dann neu kommen. Daher werden nach Möglichkeit alle vorher verteilt.“ „Und wohin?“, fragte ich. „Ganz unterschiedlich. Es wird immer versucht, dass Menschen, die schon irgendwo jemanden kennen, nach Möglichkeit in diese Stadt kommen. Die anderen werden aufgeteilt auf die einzelnen Bundesländer, je nachdem, wo Unterkünfte frei sind.“
Das bedeutet also, dass diese Familien nun angekommen sind. Angekommen bei uns, mitten unter uns in einer Wohnung oder einer Einrichtung, wo sie auspacken können, wo sie bleiben werden. Da fing ich an, mich zu freuen. Wie schön, dachte ich, auch wenn die allermeisten von ihnen kein Weihnachten feiern, so freute mich die Vorstellung sehr, dass „meine“ Asifa mit ihren Kindern nun eine Bleibe hat. Eine eigene Tür, die sie zumachen können, ein eigenes Bad, einen Schrank, eine Küche, in der sie kochen werden, was ihnen schmeckt und für jeden ein Bett, was nur für sie da ist. Sie können auspacken und ausatmen und sicher auch ihrer großen Trauer Raum geben. Sie sind irgendwo bei uns, vielleicht direkt bei Dir in der Nähe. Vielleicht wirst du sie treffen - im Supermarkt oder auf dem Spielplatz. Vielleicht kannst du ihnen dort, wo sie jetzt sind, das Ankommen leichter machen. Oft ist der erste Schritt dahin ein freundliches Grüßen, eine herzliche Geste, das Hingucken und Bemerken von Notwendigkeiten. Vielleicht der Versuch zu vermitteln, das Einladen zu einer Kindergruppe oder das Ansprechen im Kindergarten. Nur Mut!
Und die Geschenke?
Wir haben sie alleine ausgeladen. Das hat eine Weile gedauert und in dieser Zeit hatte sich die Nachricht vom Bus mit den Päckchen dann doch noch verbreitet. Und so kamen aus der benachbarten Schule die drei Kinder, die über Weihnachten dort geblieben sind. Na klar, haben die sich gefreut! Und die anderen Geschenke liegen nun im Kinderhaus und ich bin sicher, dass bereits heute viele davon verschenkt wurden. Denn jeden Tag kommen Menschen in Friedland an, auch jetzt über Weihnachten. Menschen, die vor einem Sturm geflüchtet sind, die nicht mehr in Sicherheit leben konnten, die verfolgt wurden, die ihre Heimat und alles, was sie hatten, verloren haben. Der Krieg kennt keine Feiertage.
Für all die Kinder, die nun hier zuflucht finden, wartet bereits ein Geschenk, dein Päckchen. Eine kleine Freude, für ein Kinderlachen, für eine verletzte Seele. Danke, dass du ein Päckchen gepackt hast!
Ich werde mich im Januar wieder im Kinderhaus melden. Dann sehen die Mitarbeiterinnen welche Frauen sie fragen können, mit wem ich einmal direkt sprechen kann. Und so groß, wie der Geschenke-Berg bei der Übergabe auch aussah, ich befürchte, dass er schnell kleiner wird.
Wir werden wieder hinfahren und unsere Ankunftsgeschenke hinbringen.
Ich berichte Euch im Januar, wie es bei uns weiter geht.
Herzliche Grüße
Barbara
Alle Berichte der letzten Besuche in Friedland
Schon einige Male haben wir jeweils über 200 Geschenke in das Flüchtlingslager gebracht und dabei viele Begegnungen gehabt.Lies hier mehr darüber, wie wir diese Besuche erlebt haben