Wo es viel regnet, da gibt’s auch viel Grün. Von einer regenreichen Woche mit sonnigem Ausklang in den Teefeldern. Und Anna kann viel Neues.
Hallo ihr Lieben!
Ich hoffe ja, dass Wetter bei euch ist besser als hier! Es regnete fast die komplette letzte Woche und Kyushu, die südlichste der Hauptinseln Japans, ist ziemlich schwer getroffen von Überschwemmungen und Erdrutschen. Auch hier in Kyoto gab es an einem Tag Alarm wegen Starkregens und Gefahr für Erdrutsche. Mein Mann hat den Alarm auf sein Handy bekommen, vor 5 Uhr morgens sind wir deshalb schon aufgewacht. Das war am Mittwochmorgen. Wir wohnen im siebten Stock und weit weg vom Fluss und jedem Berg, deshalb betrifft uns das nicht direkt. Aber als ich am selben Tag während einer längeren und auch lang ersehnten Regenpause einen Spaziergang an den Fluss machte, konnte ich die reißende, braune Strömung sehen. Stellenweise war der Fluss auch über die Ufer getreten und eine Fußgängerunterführung bei der Straßenbrücke war nicht mehr nutzbar, beziehungsweise nur von Enten.
Entsprechend des schlechten Wetters musste ich mir für die Tage ohne konkrete Pläne was ausdenken. Am Montag verabredete ich mich mit meiner turkmenischen Freundin im „Kodomo Miraikan“, dem Haus der Zukunft des Kindes oder der Kinder, Japanisch hat keinen Plural (Mehrzahl).
Von diesem Ort bin ich richtig begeistert, wobei ich jetzt nur den Innen-Spielplatz genutzt habe. Ich glaube, es gibt noch viele Angebote. Sie haben ganz tolle Spielsachen und viele Klettermöglichkeiten für Kinder von 0 bis 6 Jahre. Die Babyecke hat verschiedene Activityboards aus Holz und kleinere Holzspielzeuge. Dann gibt es ein kleines Häuschen mit Puppenküche und allen nötigen Utensilien. Verschiedene Bauklötze, Nachziehtierchen etc. Mit einem Tausendfüßler zum Hinterherziehen hat Anna ganz lange gespielt. Erst hievte sie ihn sich vor sich auf die Bank – Sitzbänke für die Mamis oder Betreuer, in denen man auch seine Tasche verstauen kann und die als Raumteiler fungieren. Sie untersuchte die einzelnen Kugeln ausgiebig. Dann wurde ihr das Stehen vielleicht auch zu anstrengend und sie setzte sich hin und erkundete die Ziehschnur. Bestimmt 15 Minuten hat sie sich nur mit diesem Tier beschäftigt, eine große Konzentrationsleistung.
Das Miteinander-Spielen klappt bisher noch nicht so. Bisher wollen die beiden kleinen Freundinnen, wenn man sie denn so nennen kann, selten dasselbe spielen. Auch mit anderen Kindern war es noch schwierig. Eher nehmen sie sich gegenseitig ein Objekt der Begierde aus der Hand.
Wobei – Anna fängt jetzt an, uns für einen Moment zum Beispiel einen Puzzle-Käfer anzuvertrauen oder schenkt sogar ein Stück ihrer Dinkelstange oder von der Banane her. Sehr süß!
Mittags kann man dort in einem kleinen, offenen Restaurant essen. Man könnte sogar Fertig-Babybrei bekommen, aber man darf auch komplett selbst mitgebrachte Speisen essen. Da ich von dem Restaurant nichts wusste, hatte ich Essen für Anna und mich mitgebracht und sie aß mir dann so ziemlich die komplette Tomate weg, wollte aber von ihrem Kartoffelbrei mit Hack wenig wissen. Und der Hochstuhl dort animierte sie zu sehr zum Klettern, so dass ich sie lieber auf den Schoß nahm. Eine gefühlte Ewigkeit später waren wir zurück im Spiel.
Übrigens war die Zahl der Besucher wegen Corona begrenzt, man musste einen Bogen ausfüllen, bekam Fieber gemessen und Masken tragen an solchen Orten sowieso noch alle. Es wurde leider auch früher als auf der Webseite angegeben geschlossen, wohl auch wegen Corona, weil sie dann alle Spielzeuge desinfizieren, damit begannen sie jedenfalls als wir etwas überrumpelt gingen.
Abends spielte Anna aufgedreht wie letzten Sonntag noch lange alleine.
Es scheint auch so, dass sie mental schon einen Sprung gemacht hat. Es macht ihr relativ plötzlich kaum etwas aus, dass ich kurz den Raum verlasse. Sie scheint nun besser zu verstehen, dass ich zurückkomme. Das liegt vielleicht auch an ihrer Übung. Man hat richtiggehend den Eindruck, dass sie schon versteht, wenn man sagt, wo man hingeht. Oder sie trifft eine Annahme darüber, was man wohl gesagt hat und, wenn man zurückkommt, dann strahlt sie vielleicht auch, weil ihre Annahme richtig war.
Letzte Woche hatte ich ja noch geschrieben, wie anstrengend Anna derzeit ist. Ich hoffe, meine Texte werden in solchen Wochen nicht zu jammernd. Diese Woche war sie plötzlich ein ziemlicher Sonnenschein trotz des Regens draußen. Dass sich das schnell auch wieder ändern kann, durfte ich dann heute Nachmittag erleben, da hing sie wieder wie eine Klette an mir.
Nun, natürlich liebe ich sie, sehr, und daran tun solche Wochen ja keinen Abbruch. Aber das Schreiben hat ja irgendwie auch etwas Reinigendes, also, ich schreib mir was von der Seele. Daher kommt da dann vielleicht mal mehr Jammern rein, als ich das eigentlich wollte. Ich hoffe, ihr könnt das verstehen.
Und alles eitel Sonnenschein, so ist es ja einfach auch nicht mit Kindern. Spätestens seit dem Lockdown ist das wohl zum Allgemeinwissen geworden, oder?
Am Dienstag war ich verabredet mit einer Bekannten aus der Schwangerschaft, die mir ein paar Mal ganz toll als Übersetzerin beiseite gestanden hatte im Krankenhaus. Ich habe mir eine Liste gemacht, damit ich mich jetzt noch mal mit allen Leuten, die mir hier lieb geworden sind oder mir eine große Hilfe waren treffe und niemanden vergesse mit meinem Stillhirn.
Weil es regnete, brauchten wir einen Ort drinnen und ich wollte ihr diesmal die weite Anfahrt und das teure Parken ersparen (am Tag bis zu 8 Euro die Stunde, kostenlose Parkplätze gibt es hier in unserer Gegend nicht und ich denke, das trifft auf die gesamte Stadt zu).
Deshalb fuhr ich zu einer großen Mall am Bahnhof und dachte, es gäbe dort eine Spielecke für Babys wie in der letzten Mall, die wir besucht hatten. Leider gab es nur eine Spielhölle für Kleinkinder (ja!) und ältere Kinder. Da stehen dann diese Greifarmautomaten in Klein und Flippspiele und all sowas. Es blinkt überall und ist laut. Nicht mein Geschmack.
Nun ja, wir aßen im Food Court und Anna wollte plötzlich nicht mehr von ihrem Löffel den Brei, aber von den Stäbchen nahm sie ihn. Außerdem musste ich ihr von meinem Reis abgeben, damit sie glücklich war. Später fanden wir zwischen den Geschäften angenehme Sofaecken, auf denen Anna weiter stehen üben konnte. So war sie glücklich und taute dann auch auf.
Mit dem Mittwochmorgen habe ich meinen Bericht heute ja schon begonnen. Mein Mann hatte Geburtstag, was ich in der Aufregung am Morgen erst einmal vergessen hatte. Er macht sich aber auch nicht so viel daraus. Da er von Zuhause einen Online-Vortrag halten sollte oder wollte, weil die WLAN Verbindung an der Uni so schlecht ist, war er den Tag ganz Zuhause. Anna und ich mussten während des Vortrags dann aber raus. Da es endlich Regenpausen gab, gar kein Problem.
Vormittags war ich auch noch mal beim Kindertreff in der Nachbarschaft. Diesmal waren ein paar kleinere Babys da und die Mütter konnten etwas mehr Englisch. Somit war es auch für mich mal wieder mehr Austausch.
Nach dem Abendessen erwischte mich Anna am Fuß und ich lachte. Da lachte sie auch und wiederholte das Kitzeln. Zuckersüß! Gar nicht so süß ist allerdings, dass sie derzeit gerne mal zubeißt, wenn sie nicht richtig hungrig oder zu aufgeregt ist. Bisher habe ich mir den Schrei verbissen und hoffe, das Nein wird noch helfen.
In Sachen Hausstandauflösung haben wir diese Woche auch Fortschritte zu verzeichnen. Ich habe ein Paket mit Schwangerschaftskleidung nach Tokio zu einer anderen Deutschen geschickt. Ein weiteres Paket wird ebenfalls nach Tokio gehen im August. Da kommen dann noch ein paar Shirts mit hinein, die ich momentan noch trage.
Außerdem habe ich am Dienstag mit einem Voluntär-Übersetzerservice der Stadt erfolgreich die Abholung eines alten Bürostuhls als Sperrmüll geordert. Dem fielen letztens schon die Armlehnen ab und er geht uns mehr im Weg um als er nützlich ist. Wie so vieles hatten wir ihn einfach von Bekannten übernommen. Die Sperrmüllregelung in Kyoto ist ganz interessant. Man ruft an, bekommt nach der Meldung einen Preis genannt und muss sich im Konbini (Convinience Store) einen Aufkleber für diese Gebühr kaufen. Da schreibt man dann eine Nummer drauf und seinen Namen sowie das Abholdatum, das einem genannt wurde. Am entsprechenden Tag, in unserem Fall Donnerstag, stellt man den Sperrmüll dann an den vereinbarten Ort, bei uns die Straße vor der Haustür.
Auch für diesen Tag war wieder starker Regen angesagt und es hätte mich nicht gewundert, wenn der Sperrmüll verschoben worden wäre. Nun, ich verabredete mich wieder spontan mit einer Freundin im babyfreundlicheren Shopping und sie holte mich auch ab. Anna sah ihrer Kleinen (18 Monate) und anderen Kindern beim Herumlaufen zu und schien erst frustriert und dann auch eifersüchtig zu sein. Sie weinte richtig los. Es dauerte bis sie sich mit mir auf eine kleine Verfolgungsjagd beim Krabbeln einließ und dann doch Spaß hatte. Aber es war nicht dasselbe wie am Sonntag zuvor, wo sie dort richtig glücklich gewesen war.
Nachdem ich nun doch jeden Tag der Woche draußen und unterwegs war, hatte ich am Freitag, es regnete, keine Lust. Auch Anna wollte nicht raus, als ich mich schon überwunden hatte, sie zeigte es deutlich. Eine Zeit später war dann der Fahrstuhl kaputt und sieben Stockwerke mit Baby zu Fuß und dann ohne Kinderwagen? Nein danke. Anna ist mir inzwischen wirklich zu schwer mit ihren bald schon zehn Kilos.
Es kamen aber ein paar Leute vorbei, die etwas von unseren Zu-Verschenken-Sachen abholten. Alles Männer und Anna zeigte schnell, dass sie sie in ihrem Zuhause als echte Störenfriede empfand und weinte teils bitterlich. So gingen alle immer wieder schnell und nahmen auch nichts zusätzlich mit, was ich ja immer hoffe. Ich stelle oft nur dies und das ein und hoffe auf einen Dominoeffekt. Manchmal klappt das auch und die Leute gehen statt mit einem Teil mit dreien.
Sehr gut funktionierte das bisher mit den Babysachen und hatte ja schon zu einer und diese Woche zu einer weiteren sehr netten Bekanntschaft und einem Besuch am Samstagnachmittag geführt. Ein Pärchen ganz ähnlich wie wir, sie mit russischem Hintergrund, er Österreicher. Statt nur den online gestellten Spielebogen, nahmen sie auch die Babywanne, die Wippe und ein Buch mit und wir verbrachten einen netten Nachmittag zusammen. Vielleicht klappt auch noch ein weiteres Treffen, aber beide arbeiten und wir haben tatsächlich nur noch sechs Wochenenden zur freien Verfügung. Das letzte vor dem Flug werden wir noch mit der Wohnungsauflösung zu tun haben.
Eine weitere Neuerung bei Anna: Sie nimmt ja jetzt gerne die flachen Werbemagnete vom Kühlschrank ab. Jetzt hat sie das erste Mal Magnete zurück an den Kühlschrank getan! Sie versucht das Prinzip auch auf Flaschen zu übertragen, aber das geht ja leider nicht.
Einmal habe ich auch beobachtet, dass sie etwas zurück in eine Kiste gelegt hat. Es wird hoffentlich nicht mehr lange dauern, bis sie das Aufräumen ihrer Sachen anfängt. Juhu!
Beim Essen gibt es jetzt meist parallel zu Brei etwas, was sie selbst mit der Hand essen kann. Ganz toll dafür sind die hiesigen Udon Nudeln. Die sind dick und vierkantig und ganz lang. Kürzen muss man sie aber dann sind sie der Hit für alle Babys, Anna ist da keine Ausnahme, das habe ich jetzt festgestellt.
Ihr seht, lest, es war wieder viel los, trotz Regen.
Unser Highlight diese Woche war aber definitiv unser Ausflug gestern. Wir wollten unbedingt noch die Teefelder sehen, für die es hier um Kyoto einige berühmte Regionen gibt. Der Sonntag war bewölkt und nur mit einzelnen Schauern angekündigt, also vielleicht genau das richtige Wetter. Eine geführte Tour mit Besuch einer Teefarm und selbst Tee pflücken und so weiter war uns mit Anna zu umständlich. Sie braucht derzeit unsere Aufmerksamkeit und ihre Pausen und Möglichkeiten sich zu bewegen.
Also sind wir auf eigene Faust los, mit der U-Bahn, der Bahn und mit dem Bus nach Wazuka. Unsere erste Station war ein Café, beziehungsweise Teehaus mit Shop, das zu einer Teeplantage gehört. Gerade als wir ankamen, fing es an zu regnen, also erst einmal hinein und essen. Die Hauptspeisen enthielten Sencha (ein Grüntee) und unser Nachspeisenteller Matcha (dürfte wohl bekannt sein) und Hoojicha, ein gerösteter Tee. Das Besondere an Sencha und Matcha ist, dass sie vor der Ernte einige Zeit beschattet werden, was den Geschmack stark beeinflusst.
Ich muss wohl nicht sagen, dass wir doch ein bisschen Tee noch gekauft haben, für Deutschland.
Anna ließ sich mehr mäßig füttern. Kinderstühle gab es nicht und so mussten wir uns immer abwechseln.
Dann ging es los auf unsere Wanderung und Anna konnte schlafen. Es ging zwar an einer Autostraße entlang, aber bald schon waren wir wirklich zwischen den Teefeldern und Autos kamen nicht mehr viele vorbei. Wir sahen Teebauern in der Ferne bei der Ernte und Teefelder in verschiedenen Stadien, frisch grün, dunkelgrün, gerade abgedeckt und abgeerntet. Leider hatten wir nun niemanden die aufkommenden Fragen zu beantworten, da müssen wir uns mal belesen. Auf jeden Fall genossen wir die Wanderung sehr! Auf halbem Weg war ein weiteres Café und lud zu einer willkommenen Pause ein. Anna wachte auf und war mal wieder der Star. Sie sah aber auch zu niedlich aus in ihrem pinken Dress mit weißen Pünktchen. Inzwischen war es meist sonnig, ab und an gab es Wolken am Himmel. Der zweite Teil der Wanderung wurde ziemlich heiß. Anna wollte bald nicht mehr im Wagen sitzen und wir wechselten uns ab sie zu tragen, auf dem Arm, denn in der Trage wäre es auch zu heiß geworden. Wenn der Regen nicht abkühlt, dann schwitzt man derzeit andauernd. Da müssen wir nun durch, wenn wir noch was sehen wollen vom Land.
Irgendwann wurde uns der Weg doch lang, da tauchten plötzlich Ziegen am Wegesrand auf. Und Anna wurde ganz hibbelig und wollte sie ansehen. Eine Frau mit kleinen Mädchen lief vorbei und zu einem Hof hinein. Eine andere kam von dort, sah uns und lud uns ein, ein Stück Wassermelone zu essen. Auf dem Hof waren noch mehr Kinder und die Frau erklärte, dass sie gerade einen Workshop gehabt hätten zu und mit indonesischen Musikinstrumenten. Die konnten wir in einer Halle auch noch bestaunen.
Nach dieser unerwarteten, aber sehr willkommenen Pause hatten wir wieder genug Kraft für die letzte Stunde Fußweg bis zum Bahnhof. Anna schlief dann noch mal, mit Flasche.
Erschöpft, aber voller schöner Eindrücke kamen wir nach Annas Essenszeit zuhause an. Wir hatten am Bahnhof noch schnell Brot gekauft. Damit ließ sie sich hinhalten. Ihre Toleranzschwelle haben wir an diesem Tag vielleicht etwas ausgereizt. Vor allem, weil sich spontan noch meine turkmenische Freundin mit Mann und Baby ankündigte, ob sie kurz vorbeikommen könnten. Sie wollten doch einmal gemeinsam kommen, unsere Möbel ansehen. Sie haben sich entschieden, länger in Kyoto zu bleiben und werden nun doch einige unserer Möbel übernehmen. Das ändert jetzt unsere Planung, aber den Service hatten wir ja noch nicht bestellt. Ich denke, es wird es sogar noch einfacher machen. Mal sehen. Bisher fehlt uns noch der tatsächliche Flugtermin. Erst dann können wir so richtig weiterplanen, wie die letzten Tage aussehen.
Nun grüße ich euch und wünsche eine schöne Woche! Bleibt gesund!
Silke
Foto: Privat
Foto: Privat
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