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Tagebücher aus der Schwangerschaft

Eine neue wunderbare, aufregende und vielleicht auch lang erwartete Lebenszeit beginnt. Für unsere Tagebücher-Blogs haben wir immer 3-4 schwangere Frauen in unterschiedlicher Schwangerschaftsphase, die in freudiger Erwartung über jede Woche dieser spannenden Zeit schreiben, uns und die vielen tausend Follower:innen daran teilhaben lassen und damit unvergessliche Momente schaffen.
16. Schwangerschaftswoche

Studieren mit Kind - wirklich flexibel?

Alles über mein Studium mit Kind

Guten Morgen ihr Lieben,

wieder ist eine Woche vergangen und mir steht unmittelbar der Wechsel in die 17. Woche bevor. Der Bauch wächst unaufhaltsam und so langsam kneifen auch die Winterjacken. Ich bin sehr gespannt, ab wann es nicht mehr ohne Jackeneinsatz geht. Aktuell komme ich noch gut ohne Umstandskleidung aus – bis auf die Hosen natürlich. Enge Minikleider tragen sich prima als T-Shirts und rutschen dann auch nicht über den Bauch.

Eigentlich stand für heute ein Besuch meiner Hebamme zur Vorsorge an. Diese ist leider krank, sodass ich erst nächste Woche darüber berichten kann. Für mich dreht sich aktuell alles wieder um die Uni. Diese hat aufgrund der Pandemie verspätet zum Wintersemester gerufen und der Workload erschlägt mich förmlich. Bestimmt fragen sich einige, wie es so ist, mit Kind zu studieren. Tatsächlich habe ich es mir sehr einfach vorgestellt. Man muss doch irre flexibel sein und kann sich so gut organisieren – oder?

Nö. Pustekuchen. In Deutschland studieren nur 5% aller Studierenden mit Kind. 95% entscheiden sich also dagegen. Es scheint demnach kein sonderlich beliebtes Modell zu sein.
Dabei waren die Vorteile für mich doch eklatant. Jung zu sein, ist immer von Vorteil. Der Körper steckt die Schwangerschaften gut weg, genauso wie die Geburten. Die Risiken auch für Erbkrankheiten sind geringer und man hat natürlich die Chance, mehr Kinder zu bekommen, je früher man damit beginnt. Zudem war für mich immer klar, dass wenn ich meinen Master beende und auch mein zweites Kind in der Krippe betreut wird. So kann ich direkt in Vollzeit einsteigen und Karriere machen. Mutterschutz und Elternzeit wären für mich kein Thema mehr. Meine Kinder sind dann fast aus dem Gröbsten raus und ich könnte direkt durchstarten. So die Idee.

Die Realität sieht so aus: Weil man außerhalb von sozialen Studiengängen ein absoluter Exot ist, wenn man Kinder hat, denkt niemand an dich. Deshalb geht alles viel viel langsamer voran, als erhofft. Schon während der Schwangerschaft musste ich immer kämpfen. Kämpfen, die Vorsorgen besuchen zu können, ohne, dass mir dadurch die aktive Teilnahme aberkannt wird. Kämpfen, in Mutterschutz gehen zu dürfen, ohne, dass mir dafür die aktive Teilnahme aberkannt wird. Kämpfen, um 10 Minuten zu spät kommen zu dürfen. Denn 1,5 Stunden Fahrtweg ohne Toilette habe ich in der S-Bahn nicht ausgehalten ab dem 6. Monat.
Ich hatte nur die Wahl, einen Regio-Express mit Toilette und dafür 10 Minuten Verspätung in Kauf zu nehmen, oder eine pünktliche Ankunft ohne Toilette oder eine überpünktliche Anreise mit Toilette 2 Stunden vor Seminarbeginn.
Das Ende vom Lied war, dass ich dann trotzdem nicht zu spät kommen durfte. Ich musste eine Windel in der S-Bahn tragen, in die ich notfalls pinkeln konnte, falls ich es die 1,5 Stunden nicht aushielt.
Die Mutterschutzrichtlinien kannte an der Universität niemand. Vor allem junge Dozentinnen, die kinderlos sind, haben es mir immer ganz besonders schwer gemacht. So als sei es meine eigene Schuld, schwanger geworden zu sein. So, als ginge es sie überhaupt nichts an. So, als sei das eben so und ich solle mich einfach nicht so anstellen. Eine Extrawurst gabs für mich nicht. Vielmehr war es immer so, dass ich mehr arbeiten musste als die anderen.

Letztes Semester habe ich leider auch wieder so eine junge, kinderlose Dozentin erwischt. Das Semester lief digital, es war der erste Lockdown der Pandemie. Es gab für mich also keine Kita und keine Kinderbetreuung. Wieder musste ich kämpfen und erklären, wieso ich um 12 Uhr keine Zoom-Sitzung besuchen kann. Mein Kind hat schließlich keinen Knopf, mit dem ich es ausstellen kann. Ich muss Essen kochen und es schlafen legen. Wieder wurde ich als Extrawurst-Bittstellerin dargestellt, die es für die anderen unfair macht.

Laut Prüfungsordnung gibt es keine Anwesenheitspflicht in meinem Studiengang. Trotzdem ging es wieder darum, keine aktive Teilnahme zu erhalten. Auch die engen Abgabefristen konnte ich nicht einhalten. Da bekam ich als Antwort: „Wir haben es alle schwer, nur weil Sie ein Kind haben, können ja alle kommen und machen, was sie wollen! Da kann ich leider keine Ausnahme machen!“

Ab hier war Schluss. Hier hat es mir gereicht. Ich habe kinderlos studiert, und nein, diese Situation ist absolut nicht vergleichbar. Jemand, der keine Verantwortung für einen anderen Menschen trägt und sich nur um sich selbst und seinen Tagesablauf Gedanken machen muss, ist nicht annährend zeitlich eingeschränkt wie jemand, der einen Angehörigen pflegen muss.

Also habe ich mich an die höchste Instanz der Universität gewandt und habe gewonnen. Plötzlich ist alles möglich. Also lasst euch nichts gefallen! Ich diskutiere nicht mehr. Ich kämpfe nicht mehr. Ich beschwere mich nur noch. Denn ich habe es satt, dass diese Strukturen Frauen benachteiligen. Nur, weil ich ein Kind habe, werde ich ausgeschlossen. Ich muss mehr Leistung bringen und meine körperlichen Grenzen überschreiten, um der Norm gerecht zu werden, der ich nicht mehr entsprechen kann, da ich eben nicht mehr diese 95% der anderen Studierenden bin.

Es ist schwer mit Kind. Niemand schenkt einem was. Seine Rechte (den Mutterschutz) muss man sich hart erkämpfen. Gruppenarbeiten sind unheimlich schwer zu timen (die meisten verstehen nicht, dass man um 19 Uhr nicht zoomen kann, weil das Kind da ins Bett muss) und meist muss man sehr viel mehr leisten, weil kein Nachteilsausgleich stattfindet, sondern lediglich ein „Normalfallsausgleich“ für die anderen. Wenn ich also durch mein krankes Kind häufiger fehle, muss ich dies ausgleichen, damit die anderen es nicht unfair finden. Dass die anderen viel leichtere Bedingungen haben und es ihnen so leichter fällt, dass wird kaum bis gar nicht gesehen.

Aber ich würde mich immer wieder dafür entscheiden. Eine Windel würde ich jedoch nicht mehr tragen. Würde ich nochmal schwanger studieren, würde ich meinem früheren Ich raten, sich immer und sofort an die Asta und das Beschwerdemanagement zu wenden und sich keine Diskriminierung gefallen zu lassen. Denn es gibt ein Recht auf Bildung und ein Recht auf einen Nachteilsausgleich. Frauen mit Kindern haben es in Deutschland besonders schwer, vor allem in der ehemaligen BRD. Wir müssen uns besonders dafür einsetzen, antiquierte und patriarchale Strukturen zu durchbrechen, um Teil einer inklusiven und chancengleichen Gesellschaft werden zu dürfen.

Wie seht ihr was? Habt ihr Erfahrungen damit gemacht?

Einen lieben Gruß.

Eure Maja



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In diesem Beitrag geht's um:

Studieren mit Kind, SSW16, Bauch wäscht, Diskriminierung, Nachteilausgleich, Chancengleichheit