Weltstillwoche: Eine Ode an das Stillen und kinderfreundliche Menschen im Staate Dänemark.
Ich sitze auf gestapelten Tetrapacks mit Eistee. Das Baby hat Durst, also stille ich in der Getränkeabteilung eines großen dänischen Supermarkts. Kaum ein Ort, an dem ich nicht bereits gestillt hätte: eine Geburtstagsparty während der Buffeteröffnung, oben ohne am Mittelmeerstrand, in der Menschenmenge am Hauptbahnhof, im Schneesturm in der Fußgängerunterführung, im Warmwasserpool der Therme - überall.
Es ist Weltstillwoche, eine Aktionswoche zur Förderung des Stillens. Primär soll das Stillen als artgerechte Form der Säuglingsfütterung in den Fokus gerückt werden. Seit 1991 findet diese Aktion jährlich in 120 Ländern statt. Denn Stillen hat einfach keine so große Lobby, wie Großkonzerne, die Fläschchen, Milchpulver und Anrührbrei verkaufen.
Mein erstes Mal unterwegs war auf dem Fahrradständer unserer Eisdiele. Unsere Tochter Smilla schrie, ich versuchte unbeholfen zu stillen. Die eisessenden Menschen an diesem schönen Tag im Frühling störten. Ich wollte nicht halbnackt herumstehen, wusste nicht, wie ich das Baby am besten festhalten sollte. Der blöde Still-BH rutschte immer wieder nach oben, ein Kleinkind bliebt direkt vor uns stehen und interessierte sich sehr für die Fütterungsszenerie. Der Großvater dieses Kindes platzierte sich daneben und beide schauten zu. Mein Rock rutschte weit nach oben, während ich versuchte meine Brust zu verbergen. Als nächstes bekam ich ein tropfendes Eis in die Hand gedrückt. Ein sehr einprägsames Erlebnis, dessen Nachfolgemomente ebenfalls Höhen und Tiefen hatten.
In den ersten Tagen hasste ich das Stillen. Es tat weh. Logisch, denn bis dahin war meine Brust nicht mehr als allenfalls gut platzierte Deko. Jetzt sollte dieser Körperteil ein Baby ernähren. Und das will erstmal gelernt sein. Ich heulte, nahm Schmerztabletten und ließ mir von meiner Hebamme täglich versichern, dass es in wenigen Tagen besser sein werde. Das stimmte. Nach einer Woche stillte ich halbwegs souverän beim U2-Check in der Kinderarztpraxis.
Das mit dem Publikum kenne ich nun bereits seit zweieinhalb Jahren. Es stört mich nicht, ich nehme es kaum wahr und es gab noch nie eine Situation, in der sich jemand darüber pikiert hat. Ich stille unser Baby bedarfsgerecht und unsere Tochter morgens zum Aufwachen. Letzteres ist mein Zugeständnis daran, dass sie bei der Geburt ihres kleinen Bruders noch nicht einmal zwei Jahre alt war. Stillen ist ein Trost, ist Liebe, kuscheln, lecker, immunisierend und so vieles mehr. Deshalb gibt es für uns keine Altersgrenze oder eine persönliche Deadline, die ein sofortiges Abstillen erfordert.
Inzwischen braucht vornehmlich Baby Jeppe die Brust und Smilla weiß, dass sie stattdessen Nudeln, Eis oder Müsli essen kann. Darüber ist sie froh, denn nur stillen wäre ja langweilig, teilte sie unlängst mit.
Ich bin froh, dass alles so reibungslos klappt. Keine Entzündungen, keine Bisse, Risse und andere Grausamkeiten - immer dabei, trinkfertig und überaus gesund. Smilla hatte Lust auf echtes Essen, als sie etwa fünf Monate alt war. Jeppe hat schon mal probiert, ist aber noch nicht wirklich interessiert.
Jeder Elternteil füttert sein Baby auf seine Art und Weise, alles hat seine Berechtigung. Ich finde es völlig legitim einem Baby eine Flasche anzubieten, wenn die Mama eine Stillpause braucht, und sie mal wieder ein paar Stunden alleine Zeit verbringen möchte. Es ist ok, wenn Stillen keinen Spaß macht. Es ist fein, wenn man erstmal schauen möchte, wie man es überhaupt findet, und man sich alle Optionen offen halten will. Stillen ist praktisch und gut fürs Baby, Alternativen auch. Ich finde es allerdings schade, dass viele Mütter Probleme beim Anlegen ihres Babys haben und oftmals bereits von den betreuenden Hebammen die Flaschenmilch ins Spiel gebracht wird. Mit gutem Beistand und versierter Hilfe würden bestimmt mehr Frauen eine erfolgreiche Stillbeziehung aufbauen können. Dazu zählt auch eine stillfreundliche Umgebung.
Im dänischen Supermarkt ist Jeppe inzwischen satt und zufrieden. Ich bin gerade dabei meine Kleidung zu richten, als mich ein junger Typ anspricht. Natürlich dänisch, ich verstehe leider nichts. Er trägt die Arbeitskleidung des Supermarkts und einige Kartons unter dem Arm. "Do you need a chair?", fragt er mich erneut freundlich lächelnd. Das ist mir zuhause noch nie passiert! Meistens wird man diskret ignoriert, aber niemand thematisiert die Baby-Fütterung, wenn es nicht sein muss. So bleibt es ein Thema in den Familien und innerhalb der Krabbelgruppen und Pekip-Kurse.
Im Namen aller Mamas: Daumen hoch für den dänischen Boy aus dem Supermarkt in Sønderborg; wenn es doch noch mehr von euch gäbe… ❤️
Bisher wurden noch keine Kommentare abgegeben.