...die wirklich anstehen
Vom Schlafen, Stillen, Essen und vom Kranksein
Mittwochmorgen, kurz nach zehn
Gerade habe ich unter der Dusche entschieden, den Tag langsam angehen zu lassen. Babyschwimmen lassen wir einfach ausfallen. Draußen regnet es schon wieder. Johann ist erst vor 20 Minuten in seinen Morgenschlaf versunken.
Warum ich mit meinem Blog wieder so spät dran bin? Ganz einfach: Klingelingeling, die Erkältungszeit ist eröffnet. Mein Mann ist krank. Johann war sehr stark erkältet. Mit Fieber und ziemlich schlechten Nächten für ihn und notgedrungen auch für mich. Zum Glück hat die große Schwester nur den altbekannten Kitarotz und ich halte mich abgesehen von tiefen Augenrändern ziemlich wacker.
Jetzt, wo der warme Oktober sich wohl ganz verabschiedet hat, trage ich fast nur noch Poncho, Gummistiefel und Wollmütze. Auch Johann bekommt täglich mehrere Schichten übereinander gezogen. Krabbeln draußen ging die letzten Tage gar nicht. Und auch hier drinnen vermisse ich eine Fußbodenheizung.
Aufgrund Johanns dicker Erkältung durfte ich den kleinen Herrn die letzten zwei Tage wieder voll stillen. Dicke Nase, wässrige Augen, Husten, heiße Händchen und heißen Kopf. Und wohl ziemliche Kopfschmerzen.
Vielleicht gibt es unter euch LeserInnen auch einige, die die Symptome ihrer Kinder selbst am eigenen Körper erspüren können, wenn sie ihre Kinder ganz fest im Arm halten. Ich nehme diese Gabe nach langem Ringen endlich dankbar an und sehe sie nicht mehr als Fluch. Ich muss auch nicht mehr mit den Symptomen mitgehen, sondern nutze das Wissen, um die Situation besser verstehen bzw. erfühlen zu können.
Seit gestern Abend isst Johann wieder. Ich hatte mir in den letzten Wochen leider angewöhnt, ihm ständig etwas anderes zum Essen anzubieten, sobald er seinen Brei verschmäht hat. Er dreht dann immer seinen Kopf zur Seite, drückt meine Hand weg und sagt „Ne, ne!“. Am Ende aß er nur noch zwei Löffelchen, bevor er sich in seinem Stuhl hinstellte, aufgeregt mit den Händen wedelte und Richtung Holzschrank sah. Dort bewahre ich nämlich für ihn getrocknete Mangostreifen, Dinkelkringel und andere Leckereien auf. Das habe ich jetzt eingestellt, zumal unsere Große jedesmal ganz irritiert guckte und anfing, auch diese Leckereien bei Tisch einzufordern. Jetzt gibt’s wieder Brei und dann noch etwas von unserem Teller. Also nur Sachen, die sowieso auf dem Tisch stehen. Ich stehe für ihn nicht mehr extra auf. Gleiche Regeln für alle! Er isst sehr gern Brot mit „Gemüsestreich“, Banane, Gurke, Nudeln, Ei. Wie auch bei meiner Mitbloggerin Judith, möchte er jetzt immer allein essen. Nur die Handkoordination mit dem Löffel klappt leider noch gar nicht.
Auch bei Nadine fand ich heute beim Lesen etwas, was mich zum Schmunzeln brachte. Ja, auch Johann hat mich ziemlich im Griff. Das musste ich mir gestern eingestehen. Ich muss mich aber mehr um mich kümmern, damit es mir gut geht, ich gesund bleibe und für ihn sorgen kann. Dazu gehört auf jeden Fall genügend Schlaf. Schlafen ist noch immer stark mit dem Stillen gekoppelt.
Aber ich glaube, diese Unzufriedenheit der letzten Woche, gepaart mit meinem riesigen abendlichen Schokoladenhunger zeigte mir nur auf, dass eine Veränderung bevorsteht, vor der ich mich scheue, sie zu treffen. Emotionales Essen ist bei mir und wenn ich es mir recht überlege, in unserer ganzen Familie nämlich ein großes Thema, auch wenn man es mir zum Glück nicht so ansieht. Also, gerade war doch noch alles ganz kuschelig bei uns: Ich wollte nur Mama sein und mit meinem Johann kuscheln, kuscheln, kuscheln. Aber an meiner Mamarolle vehement festhalten und meinen Johann als Ersatz für Themen zu nutzen, die ich zum einem mit mir selbst zum anderen mit meinem Mann klären muss, fühlt sich auf Dauer nicht gut an.
Also lange Rede, kurzer Sinn: Johann wird jetzt langsam nachts abgestillt. Das schaffe ich alleine nicht. Mein Mann kommt langsam immer mehr mit ins Spiel. Zurzeit nimmt er mir Johann morgens ab und bringt ihn abends ins Bett. Allein in seinem Bett einschlafen, schafft Johann ja schon seit einiger Zeit. Nur ab halb eins nachts fällt es mir noch so schwer, ihn nicht einfach schlaftrunken zu mir rüber ins Bett zu nehmen und die ganze Nacht über die Milchbar für ihn offen zu lassen. Im Grunde bin ich nur ein besserer Schnullerersatz für ihn. An mich gekuschelt, mit meiner Brust im Mund, fühlt er sich sehr gehalten und geborgen. Aber meinem Baby kann ich auch mehr zumuten. Er ist kein kleines schutzloses Neugeborenes mehr. Er ist ein kleiner, sehr mobiler Schelm, der genau weiß, was er will und was nicht. Da bin ich also angehalten, mehr für mich zu sorgen und Entscheidungen, die wirklich anstehen, auch zu treffen. Das fordert auch unsere Große gerade sehr stark ein, indem sie in ihrem Autonomiebestreben gerade noch einmal alle Regeln neu hinterfragt. Aber letztendlich geht es ja immer wieder darum, Grenzen neu zu definieren und auszubalancieren. Sowohl für unsere Kinder als auch für uns selbst.
So, jetzt ist er aufgewacht. Ich werde mal kurz Schluss machen.
Gerade gab es für Johann Kartoffelwickel an Brust und Rücken. Das kann ich als altes Hausmittel bei Husten nur empfehlen. Bei Babys hilft, sie mit dem Wickel im Tuch zu tragen. So verrutscht nichts. Etwas „tricky“ ist es, herauszufinden, wie heiß es so ein Wicht verträgt. Aber unser kleiner "Husten-Mann" entspannte mit dem Wickel gerade sehr gut.
Unser kleiner Sohn ist nicht nur motorisch recht fit, sondern versteht schon eine ganze Menge. Beim Babysport merke ich den Vergleich besonders stark. Als letzte Woche alle noch soeben bespielten Tischtennisbälle von der Kursleiterin unter einer Schüssel versteckt wurden waren, hob er als erster der Babys die Schüssel an, um nach ihnen zu suchen. Beim Abrollen von Toilettenrollen und Leeren von Taschentuchboxen gestern Nachmittag im Kurs schaute uns Johann immer wieder ungläubig an, ob er es wirklich tun dürfe, während die anderen Babys die Rollen sofort genüsslich ablutschten.
Ich bin jetzt doch sehr dankbar, dass ich mich für die beiden Babykurse entschieden habe. Erst wollte ich ja nicht. Ich hatte Vorurteile. Glaubte ich doch, dort nur auf aufgeregte Erst-Mamas zu treffen. Und nun waren gestern nur die vier Mehrfachmütter anwesend und wir hatten trotzdem großen Redebedarf. Denn es geht ja im Grunde doch immer um die gleichen Themen; wie Essen, Schlafen, Stillen und Kranksein. Schicksalshaft haben auch die anderen Mamas erzählt, dass sie kräftemäßig nachts nicht mehr so viel stillen können, weil sie den Alltag, der ja trotzdem auf sie wartet, kaum noch gemeistert bekommen. Und genau wie ich, sind sie gleichzeitig wehmütig, das Stillen zu reduzieren bzw. abzustillen. Weil es ja wahrscheinlich das letzte Kind sein wird, dass gestillt wird. Und so eine tiefe körperliche Verbindung hat man später nie mehr zum Kind. Tja, da wollte ich vor einigen Monaten noch abstillen, weil ich ständig einen Milchstau hatte und nun wird ein Teil von mir wehmütig, weil ich eine Entscheidung getroffen habe: Ich möchte wieder mehr Schlaf bekommen! Ich möchte wieder allein in meinem Bett schlafen! Grinsen muss ich über mich schon. Habe ich nicht in einem der ersten Blogeinträge geschrieben, dass ich auf jeden Fall immer mein eigenes Bett brauche? Und seit Mitte Juni schläft Johann ständig nach Mitternacht bei mir im Bett. Theorie und Praxis liegen doch oft weit auseinander.
Nun noch zu Johanns Kommunikationsversuchen: Bei Musik aus dem Radio oder wenn wir in der Familie und in der Babygruppe singen, wippt er immer und singt „Wa-wa-wa-ha“ mit. Sehr putzig. Und manchmal versucht er auch schon zu winken. Wenn er seine Schwester im Nebenzimmer hört, ruft er sie schon mit „Ho-nöö“. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie damit wirklich gemeint ist. Wenn ich sage, sie sei nicht da, hört er nämlich auch wieder auf. Nachts im Bett ruft er wirklich schon „Mama“ nach mir, wenn er wach wird, was mir schon durch Mark und Bein geht. Langsam versuche ich, einige Babygebärden aus meinem Gedächtnis zu kramen und anzuwenden. So kann er sich vielleicht bald noch besser mitteilen. Wenn er Hunger hat und sieht, dass ich etwas zwischendurch esse, kommt er zu mir gekrabbelt und macht schmatzende Geräusche. Wahnsinn! Ich bin immer wieder beeindruckt, was er schon kann. Ich muss mir aber immer wieder sagen, dass er erst acht Monate ist.
Ich glaube, die Kita-Eingewöhnung im Januar wird nicht so schlimm für Johann werden. Wohl eher für mich. Mittlerweile ist er auch nicht mehr so stark auf mich fixiert. Außerdem kennt er das Gebäude und die Erzieher vom regelmäßigen Abholen der großen Schwester. Als er am letzten Freitag im Hof der Kita seinen Mittagschlaf hielt - ich hatte gerade ein Entwicklungsgespräch für Johanns Schwester im Büro - nahm ihn sein zukünftiger Kontakterzieher aus dem Wagen, als er wach wurde und nach mir schrie und beschäftigte sich mit ihm. Einen Jungen aus seiner zukünftigen Gruppe treffen wir auch regelmäßig in der Babygruppe der Kirchengemeinde. Also so fremd wird im Januar nicht alles für ihn sein.
Zu der Geschwisterkontellation in unserer Familie habe ich mir schon oft Gedanken gemacht. Keine Ahnung, warum es so ist, wie es nun mal ist. Immerhin hatte ich ja auf ein zweites ruhiges Baby gehofft. Unsere beiden Kinder sehen sich aber nicht nur ähnlich, sondern beide fordern sehr viel Aufmerksamkeit ein und kämpfen um die gleichen Familienplätze. Ich glaube, es hilft, ihnen ihre Plätze mit dem Satz zuzuweisen: Du bist die Große und du bist der Kleine!
Mit diesen Worten wünsche ich euch eine schöne Woche, Antje