... da kann man nix machen
10.00 Uhr
Ich bin jetzt mit Johann allein. Mann auf der Arbeit und Kind in der Kita. Johann liegt vor mir und gurrt und säuselt vor sich hin, während er gleichzeitig aufgeregt mit den Ärmchen und Beinchen rudert. Wird er auch so früh laufen wollen, wie seine Schwester? Er hat, wie seine große Schwester, einen so klaren wachen Blick, als könnte er mir bis zum "Popoloch" gucken. So als wisse er genau, wer ich in meinem Tiefsten bin. Berührend und ein wenig unheimlich. Gerade zieht er wieder eine Schnute, weil ich mich dem Notebook und nicht ihm zuwende. Aber das Massieren seiner Füße entlockt ihm jetzt wieder gurrende Laute und ein Lächeln.
Johanns Schnupfen ist noch nicht ausgestanden. Heute Morgen kam mir beim Niesen wieder ein riesiger Schwall entgegen. Mit seinen "Trinkeskapaden", vor allem nachts, habe ich mich jetzt etwas revanchiert. Ich musste mich dazu auch noch mal im Netz belesen. Dabei habe ich das Wort "Cluterfeeding" gelernt. Na ja, wahrscheinlich ist das viele Trinken auch als Beruhigung und Trost bei der verstopften Nase zu verstehen. Aber mehr als nachts auf einem Keilkissen lagern und tags abwechselnd Muttermilch und Kochsalzlösung in die Nase träufeln plus Schleim absaugen, kann ich nichts machen. Da muss er einfach durch.... und ich auch.
Unser Johann ist wirklich sehr sensibel. Er leidet so schnell. Unsere Tochter war auch eine unglaublich fleißige Trinkerin. Aber sie hat die Brust nicht angeheult, wenn sie satt war und musste nicht so oft Zwischenbäuern. Ach Johann, du bist für mich eine ganz andere Herausforderung. Und gleichzeitig bist du so süß und deine Wut, wenn etwas nicht so läuft, wie erwünscht, hat schon so viel Nachdruck. Wirst du auch später deine Sachen mit so viel Vehemenz verteidigen? Manchmal bin ich auch etwas erschrocken, mit wie viel Kraft du dich an meinen Haaren krallen kannst, wenn ich dich einfach ablegen will oder nicht gleich die Brust anbiete.
Vor zwei Nächten träumte ich, Johann stundenweise an ein kinderloses Pärchen abzugeben, da ich so unglaublich müde war und bin. Aber als ich sah, wie sehr sie ihn liebevoll betrachteten und sich über sein Lächeln freuten, wurde ich ganz traurig und bereute meine Entscheidung. Zum Glück erwachte ich just in dem Moment, als mich Johann gerade anlächelte.
Bei meinen Recherchen im Netz wurde mir auch bewusst, wie wenig Zeit und Ruhe ich Johann und mir oft zum Stillen lasse. Er ist doch erst sechs Wochen alt. Als Zweitgeborener muss er oft zurückstecken. Da will die Große aufs Klo, da ist noch etwas Haushalt übrig etc. Kein Wunder, dass er dann sauer wird. Wenn ich es mir aber mit ihm gemütlich mache, nebenbei noch lese und einen Tee trinke, dann kann er behaglich trinken, Pause machen, nuckeln.... Dann ist alles ganz schön. Aber wann ist das schon? Genau, vormittags in der Woche. Dann habe ich Zeit, die ich auch sehr genieße.
Am Freitag will ich endlich mal wieder mit Freundinnen rausgehen. Dazu werde ich abpumpen. Probe auf Exempel, ob unser sensibler Johann und mein ungeduldiger Mann ihren Abend ohne mich meistern werden;-)
Die Wochenenden sind immer so voll: Da ist noch etwas Haushalt zu machen, die Große zu bespaßen, der Kleine will immer mehr Aufmerksamkeit und dann wollen mein Mann und ich uns auch etwas erholen und Zeit miteinander verbringen. Wir haben aber gemerkt, dass das einfach zu viele Pläne sind. Wir erholen uns - jeder für sich - zurzeit besser auf der Arbeit bzw. vormittags zu Hause ;-)
Hoffentlich wird es bald besser. Ich denke, wenn es draußen richtig schön warm ist und wir mehr draußen sind, bekommen wir alle schon bessere Laune.
Hinzu kommt, dass mein Mann und ich vor einem Jahr zusammen saßen und überlegten, wer sich in nächster Zeit was wünscht. Ich wollte noch ein Kind, mein Mann bekam die Chance angeboten, Karriere zu machen. Gesagt getan, beides wurde in Angriff genommen und nun bin ich manchmal traurig über die derzeitige Situation: Ich bin viel mit den Kids allein, während mein Mann spät von der Arbeit kommt und oft auch sehr müde und erschöpft ist. Da fällt seine Geduld mit den Kids etwas spärlich aus: Johann wird schnell an mich zurückgegeben, wenn er länger schreit, die Große wird schnell angemotzt, wenn sie nicht sofort seinen Aufforderungen nachkommt. Ach, und wenn ich dazu etwas sage, bekomme ich auch noch von seinem verletzten Ego etwas ab, was bei mir nur ein müdes Kopfschütteln hervorruft. Da ist zeitweise kein Platz für ein rosarotes verliebtes Wochenbett mit Mann und dem Zweitgeborenen. Auch ich bin oft sehr müde, schnell verletzt und ungeduldig, wenn ich meinem Mann immer wieder auf seine Haushaltspflichten hinweisen muss.
Wir versuchen natürlich auch viel im ruhigen Gespräch zu klären. Ich fordere gerade auch abends immer noch etwas Zeit zu zweit ein. Aber oft bin ich einfach nur müde und auch mein Mann will nur noch etwas auf der Couch abschalten und dann ins Bett. Hoffentlich werden wir im Sommer in der gemeinsamen Elternzeit wieder mehr Zeit füreinander finden. Jedes Kind verändert die Familienkonstellationen neu. Alles muss sich neu finden und wir und ich müssen uns mit der neuen Situation revanchieren.
So, nun noch zu meinen Plänen bzgl. der Rückbildung. Meine Große sagte jetzt schon ein paar Mal: MAMA DU HAST EINEN SO SCHÖNEN BAUCH: ICH WILL IHN ANFASSEN: ER KOMMT SO SCHÖN RAUS:
Oh ja, "Komplimente aus der Hölle" nannte das mal eine Frauenzeitschrift. Ich fühle mich an sich ganz wohl, aber diese gedehnte Haut am Bauch ärgert mich, wenn ich mir bestimmte schöne Sachen aus dem Kleiderschrank anziehen will. Ich werde mir jetzt erstmal die Übungen meiner Hebamme zu Gemüte ziehen und dann zum Rückbildungsyoga mit Johann gehen. Ich hoffe sehr, dass sich dann bald Erfolge einstellen. Mein Beckenboden ist nach dieser Schwangerschaft nicht ganz so das Problem. Aber trainieren muss ich diesen auch. Beim Trampolinspringen mit der Großen merkte ich jetzt zum ersten Mal diese Schwachstelle. Dazu habe ich mir extra diese Trainingshilfen aus der Drogerie geholt. Mal gucken, wie sie mir gefallen werden;-)
Ach, und die schöne Wochenbettbetreuung mit meiner lieben Hebamme geht diese Woche zu Ende. Nicht, dass ich diesmal in der Zeit so viele Fragen wie bei meiner Großen hatte. Nein, aber es war immer so schön, reden zu können und Verständnis zu bekommen. Da Johann voraussichtlich unser letztes Kind sein wird, werde ich sie wohl nicht mehr sehen. Sie wird mir auf jeden Fall fehlen.
So, Johann schnarcht jetzt vor mir im Tuch. Und werde mich auch noch einmal etwas hinlegen.
Alles Gute für euch. Pflegt euer Seelenleben!
Antje