Meine Gedanken zum Stillen und Abstillen, Momentaufnahmen der Liebe. Der Notstand gilt nun auch bei uns und Anna horcht auf.
Hallo Zusammen,
vielen Dank, liebe Brygida, für deinen Kommentar. Es freut mich sehr, dass dich die Lektüre entspannt und natürlich überhaupt, was du schreibst: you made my day!
Hier auch einmal danke an meine liebe Mama, die so fleißig kommentiert. Ich antworte da normalerweise in privater Runde, daher bitte nicht wundern, dass ich ihre Kommentare hier nicht aufgreife.
Ich versuche mal wieder in Etappen zu schreiben. Ein Zeitfenster nutzen und schon einmal festhalten, was so Schönes passiert.
Gerade Momentaufnahmen sind im Nachhinein so schwer, schön wiederzugeben.
Es ist Freitag und Anna hatte es heute Morgen schwer. Sie wachte etwa um 5 Uhr aus dem Trinkschlaf auf. Offenbar gab die Brust nicht mehr genug her und ich konnte auch nicht mehr auf der Seite liegen. Ich hörte, dass mein Mann sich ebenfalls regte und fragte, ob er schnell eine Flasche machen könnte. Ich hoffte, sie würde dann wieder in den Schlaf fallen und auch uns noch ein bisschen Zeit zum Matratzenhorchen geben. Sie nahm die Flasche zwar dankbar an und hielt sie selbst fest, aber als sie fast fertig war, wurde sie nur richtig wach. Soo früh… Du wirst doch nicht zur Lerche werden… Ich kann mich selbst weder als Lerche noch als Eule bezeichnen. Manchmal wache ich von selbst sehr früh auf und bin dann auch gleich richtig wach, manchmal auch fit, auf jeden Fall will ich dann schnell aufstehen. Untätig im Bett rumliegen, ist nicht so meins. Andererseits habe ich früher auch mal gerne bis spät gearbeitet oder gelernt, konnte mich da besser konzentrieren als tagsüber. Dann bin ich aber entsprechend auch wieder später aufgestanden und habe den Vormittag eher verdödelt. Sei’s drum. Anna tastete nach meiner Schulter, ich sah sie an, lächelte kurz und müde, drehte den Kopf wieder nach oben und versuchte ihr so zu bedeuten, dass ich noch schlafen wollte. Vielleicht würde sie ja dann auch noch mal? Aber nein, sie wollte aufstehen, tastete weiter nach meiner Schulter, nach den Haaren und zog daran. Da ich gestern früh zum Sport bin und mein Mann Anna übernommen hatte, war heute definitiv ich dran.
Es war erst halb sechs und Anna war gestern erst um 9 Uhr ins Bett, theoretisch hätte sie bis 7 Uhr schlafen sollen können müssen. (Mein Mann zieht mich immer auf, dass bei jedem deutschen Satzende eine immense Zahl von Verben im Infinitiv (Bsp. machen) oder im Partizip Perfekt (Bsp. gemacht) plus weitere Verbformen a la „gemacht gewesen worden wäre“ kommt. Haha, möglich ist das ja auch – manchmal.)
Ich also hoch mit ihr in unseren „Kitchen-Dining-Room“, also unser Wohn- und Esszimmer, an das die Küche angekoppelt ist. Dort spielten wir eine Weile bis sie wieder müde wurde. Zurzeit dauert das morgens etwa eine halbe bis eine Stunde, dann will sie noch einmal eine Stunde schlafen.
Heute aber Pustekuchen, sie konnte nicht wieder schlafen, nicht nach einer Stunde, nicht nach zwei –Stunden… Mit den Versuchen weckten wir meinen Mann dann auch vollends und so standen wir eben alle auf. Erst, als mein Mann zur Arbeit ging und ich wieder stillte, schlief Anna endlich ein und dockte ab. Nun war sie aber immerhin so erschöpft, dass sie über eine Stunde alleine schlief und ich mich an eben diesen Bericht machen konnte und mal meine Gedanken schweifen lasse.
Wenn Anna so ganz im Jetzt und Hier neben mir liegt, an meiner Brust trinkt, die Äuglein langsam schließt und einschlafen kann, ich ihr dann über das Köpfchen streiche, ihre feinen Haare, die Rundungen des kleinen Köpfchens spüre, das sich noch immer in meine Hand schmiegt, dann bin ich wieder versöhnt und verliebt wie am ersten Tag. Manchmal kommen mir Tränen in die Augen, welches Glück ich hier mit ihr haben darf. Dann bin ich still, ehrfürchtig dankbar und genieße den Moment. Ist das nicht auch eine Art „Gottesdienst“? Ja! So sehe ich das jedenfalls. Ich glaube, Gott hat uns geschaffen um zu leben und froh zu leben. So, wie ich mich freue, wenn ich Annas Fortschritte sehe beim Krabbeln, so freut sich, glaube ich, Gott über mich, wenn ich in meiner Berufung als Mutter diese Freude und Dankbarkeit lebe. So wie ich Annas Frust dabei aushalte, so hält aber auch Gott unsere Klagen aus. Dann denke ich mir, er feuert mich auch so an, Dinge auszuhalten oder ist jedenfalls bei mir und erträgt mit mir, was nicht rund läuft.
Ein weites Feld – ich will mich nicht in theologische Fragen verstricken. Für mich gibt es ein rundes Bild. Aber das anderen immer so zu beschreiben, dafür sind Vergleiche oft nicht immer vollends durchdacht…
Nun, diese Momente werden sich bald wandeln, die Stillzeit neigt sich dem Ende zu, ob ich es will oder nicht. Selbst die Frage ist ja nicht einfach von mir zu beantworten und dann passiert es so, wie ich es will. Vielleicht gäbe es Mittel und Wege, sie weiter und weiter auszudehnen. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, auch über das erste Jahr hinaus zu stillen. Aber ich fürchte, dass weder ich das kann noch Anna das will. Sie isst gerne und nimmt zu gern die Flasche. Manchmal frage ich mich, ob sie mehr Brust trinken würde, wenn sie wüsste, dass ihr das Brust-Trinken nur dann erhalten bleibt. Bisher nutze ich noch die Laktationshilfe und ich habe mich damit ja auch ganz gut eingespielt. Ich klebe mir morgens die kleinen Schläuche an und lasse sie dort bis sie abends schläft. Natürlich wasche ich die Flasche immer wieder und spüle die Schläuche durch, abends sterilisiere ich sie. Aber es ist mir einfach zu mühselig, sie nach jedem Trinken abzunehmen und für jedes Trinken neu anzulegen. Da käme ich zu nichts anderem mehr und Anna funktioniert auch nicht so, dass ich immer wüsste, dass sie jetzt so und so viel trinken will. Außerdem ist die Haut von den Klebestreifen und besonders dem Abziehen schon einmal am Tag stark beansprucht. Natürlich ist es vom Hersteller nicht so empfohlen. (Sollte hier übrigens ein Hersteller mitlesen: Ich hätte da einige Verbesserungsvorschläge, die die Handhabung wesentlich erleichtern würden.)
Als Anna kleiner war, habe ich das auch anders gehandhabt. Da dachte ich aber auch noch, ich käme weg von dieser Hilfe und Anna würde dauerhaft auch ohne trinken.
Warum ist es mir überhaupt so wichtig, dass ich solange mit dieser Laktationshilfe durchhalte? Warum „bestehe“ ich so auf der Brust? Diese Frage stelle ich mir schon.
Zum einen ist es wohl ganz einfach mein starker Wunsch, meinem Kind so lange wie möglich das Beste zu geben, das ihr von der Natur und meiner Mütterlichkeit zugedacht ist. Besonders in dieser Zeit mit dem Virus. Zum anderen auch der Gedanke: „Mein liebes Kind, das Leben ist nicht immer einfach und das Beste zu bekommen, bedeutet manchmal eben auch Anstrengung.“ Ich weiß nicht, ob diese Erfahrung schon im Babyalter sein muss, da scheiden sich bestimmt die Geister. Aber es geht ja auch nicht um eine Anstrengung, die sie nicht leisten könnte. Auch andere Babys schreien mal. Manche verweigern ja auch die Flasche, wollen nur Brust und bekommen da auch nicht immer so viel, wie sie wollen, jammern deshalb. Das klingt jetzt so, als ob ich Anna schreien lassen und quälen würde. Einen Moment, auch mal zwei meckern und auch mal schreien, ja, das lasse ich zu. In der Regel nimmt sie dann die Brust auch ohne weitere Probleme an. Und auch mit Flasche gibt es ab und an solche Probleme. Ist also wohl auch natürlich und nicht immer die Brust das Problem, sondern eine schlechte Laune oder eine Übermüdung oder Frust.
Allerdings wird es hier spätestens im Mai warm und bald heiß und da wird es mir, so sehe ich das jedenfalls jetzt, auch mit gespülten Schläuchen zu heikel, sie noch dran zu lassen. Auch sinkt meine Bereitschaft, so lange auf der Seite zu liegen, trotz der schönen Momente und Zeit zum Serien Gucken oder Lesen bei Annas Trinkschlaf. Noch habe ich mich nicht durchgerungen, aber der Zeitpunkt der Entscheidung, die Laktationshilfe abzusetzen und es drauf ankommen zu lassen, bahnt sich innerlich an. Es gibt ja auch mir wieder mehr Freiheit, wenn ich nicht mehr stille.
Was ich jetzt schon merke, seit Anna Brei isst, dass ich definitiv weniger essen muss, sollte, wenn ich mein altes Gewicht noch erreichen will in diesem Jahr – und das will ich!
Jetzt ist Montagnacht, ich überarbeite den Bericht und ergänze.
Letzte Woche Mittwoch traf ich mich mit einer anderen Deutschen und ihrem drei Wochen älteren Baby am Fluss. Eine andere Freundin von ihr wollte nicht mitkommen, social distancing. Wir tauschten uns auch erst einmal dazu aus, wie wir das handhaben wollten. Nun, wir müssen uns ja nicht umarmen, sitzen am Fluss, da geht immer ein Lüftchen. Die Babys spielen miteinander, ja gut, dafür treffen wir uns ja auch. Sie und ihr Mann waren kurz nach uns von einer Deutschlandreise zurückgekommen und mussten tatsächlich zwei Wochen zuhause in Quarantäne verbringen. Allen ging es gut, also ist die Gefahr gering.
Wir genossen den Nachmittag sehr. Die Babys nahmen sich gegenseitig Spielzeug weg und lernten wohl das erste Mal, was das heißt. Trotz tollen Stapelbechern waren Annas Käseschachteln der Renner bei beiden.
Donnerstag beschloss ich spontan, dass ich mittags mit meinem Mann in Uninähe essen wollte. Das Wetter war herrlich, nur nicht so warm wie am Vortag. Ich wollte raus und mich bewegen. Anna bekam ihren Mittagsbrei früh und schlief den ganzen Weg im Kinderwagen. Im Restaurant war sie wieder der kleine Star und jauchzte aufgeregt. Es ging nicht, ihr nichts abzugeben. Zum Glück gibt es in Japan in der Regel ungesalzenen Reis als Beilage, also alles bestens.
Auf dem Heimweg wurde Anna irgendwann ziemlich motzig. In der Trage hatte ich sie schon, aber auch da hielt sie es nicht mehr aus. Am Flussufer breitete ich wieder meine Picknickdecke aus, ließ Anna trinken und dann spielen und trainieren. Sie stellte sich mehrfach auf alle Viere und begann zu wippen. Ich kann es kaum erwarten, dass sie nun endlich loskrabbelt. Zweimal kamen Leute mit Hund vorbei und Anna guckte befremdlich, was das für Geschöpfe auf ihrer Ebene sind, die sich auch auf vier Beinen bewegen. Zwischendurch wollte Anna auf den Schoß und nun schien sie es auch mal zu genießen, wenn ich sie dann knuddelte und im Arm hielt. Sie ist bisher keine große Schmuserin.
Ich jedenfalls genoss es sehr.
Freitag verlief ruhig, diesen Samstag ging mein Mann zur Uni, um endlich mal etwas Zeit aufzuholen. Außerdem wurde nun der Notstand auf ganz Japan ausgeweitet und es war noch unklar, was das für die Uni heißen würde. Momentan sieht es so aus, dass mein Mann weiterhin dort arbeiten kann. Er sitzt dort zwar in einem relativ großen Büro, aber es sind selten mehr als zwei Leute anwesend im Moment. Und, da er mit dem Rad hinfährt, ist auch auf dem Weg kaum eine Ansteckungsgefahr gegeben. Homeoffice mit Baby ist einfach nicht wirklich effektiv… Hoffen wir, dass es so bleibt.
Vorerst gelten die Beschränkungen bis 6. Mai, dem Ende der Golden Week, einer Ansammlung von Feiertagen, die praktisch zu einer Woche Urlaub führen und in der normalerweise alle hier reisen. Das fällt dies Jahr damit aus. Ich bezweifle, dass das reichen wird…
Was der Notstand in Kyoto bedeutet haben wir nun am Sonntag erfahren oder gesehen: Wir wollten ins nächstgelegene Einkaufscenter, ein paar Dinge besorgen, wie zum Beispiel Steckdosenabdeckungen, und mussten feststellen, dass nur noch die Geschäfte mit Lebensmittelverkauf offen waren. Auch mein Fitnessstudio hat nun bis mindestens 6. Mai geschlossen, wie ich gerade auf der Website erfuhr.
Inzwischen hört man, dass hier einige Krankenhäuser an ihre Grenzen kommen und in Osaka wurde schon die Bevölkerung um Regenkleidung als Schutzkleidung gebeten, weil der Mangel so groß ist. Etwas geschockt bin ich nun davon, dass die Zahl der Intensivbetten pro Einwohner in Japan geringer ist als in Italien. Mein Mann meinte dazu nur, dass die Japaner eben sonst so gesund sind. Ohne dazu Zahlen zu kennen, aber das kann schon sein. Eine Besonderheit ist zum Beispiel, dass man hier mit 40 Jahren einen Check-up angeboten bekommt, bei dem auch das Übergewicht besprochen wird und gegebenenfalls Maßnahmen zur Reduktion; und das ist ja für viele Krankheiten bereits ein großer Faktor.
Obwohl wir, also mein Mann und ich, ja viel nach draußen gehen zum Spazieren und Sightseeing, und unsere Kontakte zu anderen ja eh nicht so viele sind, beginnt mich die ganze Situation nun auch zu nerven. Ich würde mich gerne wieder mit allen Bekannten und Freundinnen hier treffen ohne erst zu überlegen, ob es ohne Nahverkehr geht und ob es sicher ist. Aber ich jammere auf hohem Niveau, ich weiß. Gefühlt befinde ich mich halt auch seit der Deutschlandreise im Ausnahmezustand, wir verfolgen ja natürlich auch, was in Deutschland los ist. Nun denn, hilft ja nix.
Ein paar schöne Sachen habe ich noch zu berichten.
Eine ganz liebe Freundin hat letzten Dienstag ein Baby bekommen – herzlichen Glückwunsch, meine Liebe!
Anna hörte heute das erste Mal ganz aufmerksam zu, als wir gemeinsam ihr Lieblingsbilderbuch ansahen; es ist aus Stoff und knistert und quietschbunt. Ich habe immer wieder versucht, ihr dabei zu erzählen, was sie da sieht. Heute hat sie das erste Mal merklich zugehört, bisher ging es ihr immer nur um das Knistern, das sie dem Buch entlocken konnte. Ansonsten war sie heute eher schwierig, sehr anhänglich, sehr hungrig auf Milch, äußerst ungeduldig und heute Abend vielleicht einen halben Zentimeter größer als am Morgen nach den Knöpfen des Bodys zu urteilen.
Zum Zähnchen von letzter Woche hat sich bereits der Nachbar gesellt. Wahrscheinlich geht in ihr gerade eine ganze Menge vor…
Mit den besten Wünschen und vielen Grüßen – bleibt gesund!
Silke aus Kyoto