Stillen will gelernt sein
Ich habe gerade noch einmal meinen Geburtsbericht und die Kommentare dazu gelesen. Nein, es war keine schreckliche Geburt, es war einfach nur schmerzhaft. Was ich aber vergessen hatte zu erwähnen, ist das Selbstverständliche: Natürlich waren und sind wir überglücklich unseren Carlo endlich im Arm zu halten. Das vergisst man manchmal im ganzen Verarbeitungsprozess nach der Geburt. Es ist so viel neu, dass ich vergaß, das zu erwähnen. Die Klinik bzw. der Kreissaal mitsamt Ärztin waren für die Entbindung super toll und kompetent. Ich würde dort jederzeit wieder Entbinden, nur halt nicht stationär bleiben bzw. nur in einem Familienzimmer. Ich finde kompetente Ärzte und einen guten Kreissaal wichtiger als die Station, daher möchte ich die Klinik nicht namentlich erwähnen. Einen Bewertungsbogen werde ich aber noch ausfüllen.
Die letzte Woche hat sich bei uns eigentlich alles ums Stillen gedreht. Ich träume inzwischen schon davon. Es ist mir schon zwei Mal passiert, dass ich Nachts meinen Freund weckte und ihm Carlo in die Hand drückte mit den Worten „Mach mal Bäuerchen mit ihm, ich habe gerade gestillt“. Nach zwei Minuten ist mir dann aufgefallen, dass das gar nicht stimmte. Ich hatte es vor gehabt und war darüber irgendwie weggedöst. Ansonsten ist mein Herr Sohnemann ein echter Gentleman. Nachts trinkt er nur alle vier Stunden, was uns etwas Schlaf ermöglicht. Ich kann allerdings oft nur auf dem Rücken schlafen, weil der Kleine nur auf meiner Brust schlafen will. Rückenlage findet er doof. Er genießt noch den Neugeborenenstatus, daher darf er das.
Wie auch immer, wir üben fleißig das Stillen. Tagsüber alle zwei bis drei Stunden, nachts alle vier Stunden. Von blutigen Brustwarzen, über Stillhütchen, hinzu Stau in der Brust, verbunden mit elektronischen Abpumpaktionen, um diesen zu lösen, haben wir jetzt alles durch. Fazit des Ganzen: Stillen sollte man im Stillen. Sobald Gäste da waren, vor denen ich gestillt habe, hat Carlo nicht länger als 5 Minuten getrunken. Das wiederum hat zu Stau geführt. Außerdem führt Hektik auch zu Wundsein. Beim Stillen in der Nacht, ist es immer sehr süß wenn er von seinen Schlafsackträgern an der Wange gekitzelt wird. Dann schnappt er immer in diese Richtung, weil er denkt, dass es da Futter gibt. Meist ist es genau die falsche Richtung. Unproduktiverweise fuchtelt er dann immer mit seinen Armen genau vor meiner Brust herum, so dass ich ihn nicht angedockt bekomme. Mein Freund muss ihm dann manchmal die Arme festhalten, damit ich ihm den Weg weisen kann. Aber Übung macht bekanntlich den Meister.
Unser kleiner Carlo ist nun zwar erst knappe drei Wochen alt, aber er zeigt schon wahre Charakterzüge. Er ist eine kleine Dramaqueen beim Wickeln; typisch chilenisch würde ich sagen. Er schafft es manchmal so laut zu schreien bis er blau anläuft. Anpusten hilft da nur bedingt. Man muss ihn dann nackig wie er ist hochnehmen, damit er sich beruhigt. Das wiederum birgt das Risiko angepinkelt zu werden. Wenn er sich beruhigt, wimmert und seufzt er herzzerreißend, dass ich ihn knuddeln könnte. Gott sei Dank haben wir inzwischen einigermaßen raus, bei welchem Gemütszustand wir das Wickeln besser nach hinten verschieben, um diese Schreiattacken zu vermeiden.
Ich befinde mich jetzt im Spätwochenbett und bin etwas mobiler geworden. Kurze Spaziergänge erinnern mich allerdings immer daran, dass die Betonung auf „etwas“ liegt. Der Beckenboden sagt danach meistens laut Guten Tag. Immerhin haben wir etwas mehr Besuch, nachdem mir letzte Woche die Decke auf den Kopf fiel.
Mein Freund packt fleißig seinen Koffer für seine Chile Reise, die morgen startet. Er ist dabei hin und her gerissen zwischen Vorfreude auf Chile und Wehmut seine frisch gebackene Familie zurück zu lassen. Abgesehen von Carlo ist es auch für uns das erste Mal nach langer Zeit, dass wir drei Wochen ohne einander sind. Eigentlich bin ich da nicht so emotional, aber dieses Mal bin ich doch sehr nervös. Vor allem auch, weil ich hier alleine sein werde. Meine Mutter kommt zwar die ersten 1 ½ Wochen aber die zweite Hälfte ist noch offen. Ob ich dann allein zurechtkomme oder doch lieber zu meinen Eltern ziehe muss ich noch überlegen.
Bis nächste Woche,
Susi