... und wo bleibt der Spaß?
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
heute gibt es eine kleine Anekdote:
Schönstes Wetter, letzte Woche. Willi, Anton und ich schlendern in Richtung Stadt mit klarem Ziel: ein Kinderladen. Denn Anton hat sich zum „Knisterer“ gemausert. Alles, was knistert erfreut ihn. Und da wir nur zwei kleine Knistertücher für ihn haben - und die irgendwie ständig in die Wäsche müssen -, brauchen wir Nachschub. Also steht auf unserer Liste ein Knisterding und ein Activitycenter. Man könnte Letzteres auch 'interaktiver Spielbogen' oder 'blinkende Spielhölle' nennen. Denn genau so muss das aussehen. Die Situation ist nämlich wie folgt:
Anton bekam zur Geburt einen wunderschönen Spielbogen. In Beigetönen. Unbehandelte heimische Hölzer. Ich liebe ihn! Und mein Interiorherz erfreute sich maximal.
Maximal uninteressant findet es unser Baby allerdings, seitdem es die 18. Lebenswoche knackte. Denn es sind eben helle Hölzer ohne Glitzer, Farbe, Ton oder Knister.
Öde.
Außerdem ist unser Toni gerade in einer spannenden Phase. Allein liegen geht überhaupt nicht, sogar getragen werden ist manchmal uninteressant. Am liebsten mag er Beschäftigungen, die ihn fordern und einen Elternteil brauchen: Mobilisierende Bewegungen, gut gelauntes Vorsingen oder Kitzeln.
Also action all day long...
Aber manchmal muss ich online einen Brief frankieren. Oder duschen. Oder möchte meinen Kaffee einmal warm trinken. Und dann entscheide ich: Entweder erledige ich die Dinge, während ein wütender Zwerg seine Stimme testet oder ich warte bis zum Mittagsschlaf. Die Mittagsschlafliste ist dann immer rappelvoll.
In mir wächst der Wunsch nach einem Spielzeug, das ihn für 10 Minuten fasziniert. An dem er knibbeln oder auf dem er kugeln kann. Ganz egal. Irgendetwas, das ihn 10 Minuten unterhält. Und getreu dem Motto 'viel hilft viel' möchte ich so ein blinkendes, raschelndes, buntes Babycenter.
Angekommen im Spieleladen finden wir gleich, was wir suchen. Die Auswahl nicht allzu groß, aber alles da, was auf dem Zettel steht. Trotzdem frage ich noch einmal bei der Verkäuferin, ob es denn noch weitere Motive gäbe. Sofort mustert mich die Dame, lugt in den Kinderwagen und fragt mich nach dem Alter des Kindes. '6 Monate', antworte ich.
'Mit 6 Monaten brauchen Sie so etwas nicht kaufen. Da müssen Sie sich mit Ihrem Kind beschäftigen.'
Batsch. Das saß.
'Ich beschäftige mich mit meinem Kind', patze ich zurück. Denn ich fühle mich angegriffen. Was will sie mir unterstellen? Dass ich mein Kind stundenlang ruhigstellen will?
Mit aufgesetztem Lächeln erklärt mir die 'Expertin', dass ihre beiden Töchter Erzieherinnen seien und beide kein Geld für teures Spielzeug ausgäben. Einfach eine Flasche mit Linsen füllen und zukleben, ist ihr Rat. Mit dieser selbstgemachten Rassel fühlen sich die Kinder am allerbesten unterhalten. Und sowieso, das wäre doch eine tolle Beschäftigung für Mutter und Kind.
Ich bin baff.
Einerseits, weil es ihr Job wäre, mir irgendetwas aus dem prall gefüllten Laden zu verkaufen. Andererseits die Dreistigkeit der Annahme, ich würde mich nicht lange genug mit meinem Kind beschäftigen (wollen). Oder nicht intensiv genug.
Eingeschnappt packe ich die bunte Spielwiese und laufe zur Kasse.
An dieser Stelle möchte ich kurz erzählen, dass unser Fundus selbstverständlich selbstgebasteltes Spielzeug umfasst und nicht immer alles teuer und neu sein musste. Viele Spielsachen haben wir von meiner Nichte und meinem Neffen vererbt bekommen. Und meine Schwester bastelte als „Tante des Jahres“ eine Box befüllt mit klackernden Kastanien. Schön kontrastreich, damit Anton begeistert ist. Und eine runde Öffnung, durch die wir die Kastanien hineinwerfen können. Er liebt es heiß und innig. Doch selbst damit spielen ist halt auch nicht. Anton braucht aktuell einfach irgendwie Anleitungen bei allem. Und so werfen wir eben gemeinsam Stunde um Stunde die Kastanien in die Box. Oder ziehen Tücher wieder aus der Öffnung heraus. Kein Problem für mich, macht auch Spaß. Aber denkt einfach an das Päckchen, das hier seit Tagen liegt und verschlossen, frankiert und aufgegeben werden will.
Zurück nach Hause zum Spielbogen: Wir packen ihn aus, legen Anton unter die hängenden Eichhörnchen, die vor lauter Farbe laut schreien. Eines raschelt, eines knistert, eines blöckt. Ein Traum! Toni flippt aus, wedelt mit den Händen, giggelt. Willi und ich klatschen uns ab. Mal sehen, wie lange unser Sprössling damit beschäftigt ist…
Wir bleiben in Sehweite - der Kaffee ist noch nicht in der Tasse -, da hören wir ihn weinen. Alles klar.
Er liebt die blinkende Spielhölle. Aber eben nur, wenn einer von uns daneben sitzt. Der Dame im Laden werden wir das vermutlich nicht erzählen.
Gestern Abend wollten Willi und ich zusammen Sport machen. 20 Minuten gemeinsames Training im gleichen Raum wie Anton. Keine zwei Minuten wollte unser Schützling ohne uns sein. Keine Spieluhr, kein Knistertuch, kein Spielbogen half. Alles wurde mit quälenden Schreien quittiert. Zurück auf den Rücken legen, auf dem Bauch liegend, sitzend mit Kissen abgestützt, im Kinderwagen, im Hochstuhl, in der Wippe. Keine Chance.
Wir sprangen vor Anton auf und ab, lächelten ihn an, riefen seinen Namen, klatschten während der Übungen in die Hände. Hoffnungslos.
Welches Spielzeug dieser Welt oder welche Position würde uns 20 Minuten schenken?
Vielleicht haben wir den Fernseher für Anton eingeschaltet. Vielleicht haben wir uns wie Rabeneltern gefühlt. Vielleicht hat es geklappt. Wir wollen darüber nicht reden. Nur so viel sei gesagt: Wir werden nicht für den Award "Eltern des Jahres" nominiert. Und ja, Willi und ich haben heute Muskelkater...
Bis ganz bald!
Maike