Hallo liebe Leserinnen (und Leser)!
Ich hatte eine ziemlich anstrengende Woche! Einmal, weil mein Töchterchen die abendliche Schreiattacke für sich entdeckt hat und zum anderen, weil ich in einer Sinnkrise stecke. Aber eins nach dem Anderen...
Ich hatte ja erzählt, dass Lilia abends anfängt zu weinen, wenn sie müde ist. Soweit, so gut (oder auch nicht), aber da wusste ich wenigstens: Sie ist müde, jetzt mach ich sie bettfertig, gebe ihr die Brust und dann kann ich meinen freien Abend genießen. Mittlerweile läuft das so, dass sie so gegen sieben anfängt zu weinen, und zwar so richtig (erstaunlich, wie viel Stimmvolumen so ein Zwerg aufbringen kann!). Während des Einschlafrituals ist sie dann friedlich und gluckst sogar vor sich hin ... aaaber dann: kaum leg ich sie aufs Bett, um ihr die letzte Stillmahlzeit vorm Schlafengehen zu geben, brüllt sie los, als würde sie gefoltert. Das Einzige, was sie dann beruhigt, ist der Fliegergriff (immerhin!), aber ich kann sie ja nicht stundenlang durchs Schlafzimmer schaukeln. Sobald ich sie nämlich wieder hinlege, geht das Theater von vorne los, und wir spielen dieses lustige Spiel, bis sie sich müde geweint hat, dann trinkt sie brav und schlummert friedlich ein. Von meinem freien Abend hab ich dann nicht mehr viel, da die ganze Chose so zwei Stunden dauert. Ich hoffe, sie entwickelt bald ein neues System!
Eine weitere Macke, die sie grad entwickelt hat, treibt mich auch des öfteren an den Rand des Wahnsinns: im Moment wacht sie so um halb sechs Uhr morgens auf und ist hellwach! Und ich kann mir die Kehle heiser singen mit Schlafliedern, ihr Köpfchen streicheln, bis ihr die Haare ausfallen oder meinetwegen auch einen Kopfstand machen: Lilia ist wach! Wenn ich so um sieben den Kampf aufgegeben habe, und ins Bad schlurfe, um mich mit kaltem Wasser ins Leben zurückzubringen, ruft sie mich laut schreiend zurück: erst will sie ihr Frühstück! Tja, und nach dem "Essen" schläft sie ein und pennt bis zwölf! Na ja, so kann ich dann wenigstens den Morgen voll ausnutzen, wenn ich schon abends keine Ruhe hab...
Ansonsten ist meine Kleine aber weiterhin ein Goldschatz, tagsüber ist sie meist friedlich und bezaubert alle Mitmenschen – wenn auch seltenst mit ihrem Lächeln, damit ist sie immer noch geizig...
Da fällt mir ein Artikel ein, den ich in meiner Mediziner-Zeitschrift gelesen hab. Da ging es darum, wie man als Arzt Kindermisshandlung erkennt und was man dann tun muss. Ich fand diesen Artikel ganz furchtbar! Was Eltern ihren Kindern antun können! Im vorgestellen Fallbeispiel ging es um einen überforderten Vater, der seinen 6 Wochen(!) alten Sohn ins Gesicht geschlagen hatte und ihm damit zwei blaue Augen, eine geplatzt Lippe und eine gebrochene Nase beschert hat. Und es wurde beschrieben, wie man Verbrühungsunfälle von absichtlichen Verbrühungen unterscheidet ("wenn die Verbrennung wie ein Handschuh aussieht, wurde das Ärmchen in heißes Wasser getaucht und es liegt Kindesmisshandlung vor"), außerdem gab es Fotos, anhand derer erklärt wurde, wie die Male von Stock- oder Peitschenhieben aussehen. Wie können Eltern ihren Kindern so etwas antun? Ich bin im Heim aufgewachsen und da sind naturgemäß viele Opfer von Misshandlungen, aber es ist doch was ganz anderes, misshandelte Kinder als Spielkameraden zu haben, oder sich als Mutter über die seelischen Abgründe von Eltern Gedanken zu machen...
Tja, und nun zu meiner eigentlichen Sinnkrise: Ich glaube, es geht da vielen Müttern ähnlich wie mir, ich fühle mich im Moment hin- und hergerissen zwischen meinem Berufswunsch und meiner Mutterschaft. Ich vermisse die Uni grade so richtig, ich hab das Gefühl, zu Hause fällt mir die Decke auf den Kopf. Das geht so weit, dass ich gerade freiwillig Pharmakologie wiederhole, weil ich das dringende Bedürfnis habe, mein Hirn ein wenig zu trainieren. Ich hab jetzt auch die fixe Idee, möglichst schnell eine Doktorarbeit zu beginnen und bin gerade wild am rumtelefonieren, um ein geeignetes Thema zu finden. Denn es muss ja eine Arbeit sein, die ich auch mit einem Säugling durchziehen kann, also was Kurzes, örtlich möglichst Ungebundenes. Und davon gibt es nicht so viele...
Ich mache mir auch gerade viele Gedanken zu meinen Ansprüchen an mich und meinen angestrebten Beruf. Ich finde eigentlich, dass ein europäischer Arzt eine gewisse soziale Verantwortung gegenüber den schlechter gestellten Patienten hat. Und deshalb wollte ich auf jeden Fall ein Arztpraktikum in Afrika machen, um einerseits meine Fähigkeiten auszubauen und andererseits mit ebendiesen Fähigkeiten anderen zu helfen. Aber wie soll ich das mit Tochter machen? Nach Nigeria zu gehen- wo mein Mann herkommt – lohnt sich nicht, da Nigeria genug gut ausgebildete Ärzte hat und Studenten dort auch keinerlei praktische Arbeit machen dürfen. Und woandershin geht schlecht, da das dann hieße, vier Wochen von meiner Familie getrennt zu sein.
Also muss ich wegen meiner Tochter Kompromisse eingehen bei meinem Traumberuf. Andererseits muss ich wegen meinem Traumberuf auch Kompromisse eingehen bei meiner Tochter. Ich werde schon jetzt (wenn das mit der Doktorarbeit klappt) nicht den ganzen Tag über Zeit für sie haben, und wenn dann die Uni losgeht, werde ich sogar Fremdbetreuung in Anspruch nehmen müssen. Sobald ich dann arbeite, werde ich meine Tochter kaum zu Gesicht bekommen, da von Assistenzärzten (unbezahlte) Überstunden erwartet werden. Wie kann ich trotzdem eine gute Mutter werden? Ich werde da wohl einen Weg finden müssen, denn ich werde auf jeden Fall als Ärztin arbeiten. Das ist mein Traumberuf, und diesen Traum aufzugeben würde mich wahrscheinlich so unzufrieden machen, dass ich sowieso keine gute Mutter wäre...
Na ja, ich kenne ein paar Arztkinder, und die scheinen mir ganz glücklich zu sein, auch wenn ihre Eltern nicht zu jeder Tages- oder Nachtzeit da sind. Die Zeit, die bleibt, muss halt bewusster genutzt werden...
In diesem Sinne verabschiede ich mich für diese Woche, ich will ein wenig mit meinem Töchterchen spielen!
Eva- Katharina
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