Kaufrausch in groß und klein und die Geburt unserer großen Tochter...
Ich hoffe ja, dass ich die letzten Male nicht zu sehr gejammert habe, wie anstrengend das Leben zeitweise so ist. Aber schließlich soll das ja ein ehrliches Tagebuch sein - und immer strahlende Mütter und Schwangere gibt‘s nun mal nur in der Werbung.
So langsam normalisiert sich mein Arbeitspensum und sogar das Wochenende war frei, was mehr als gut tut. Denn am nächsten Wochenende steht schon wieder eine Fortbildung an. Es ist zwar eine Hebammenfortbildung, die ich aber nicht ganz uneigennützig absolvieren werde. Es geht um Hypnobirthing. Dazu werde ich euch in der nächsten Woche mehr berichten.
Im Mai und Juni stehen noch zwei Rückbildungsfortbildungen an, für die ich mich angemeldet hatte, kurz bevor ich erfuhr, schwanger zu sein. Da die Referentin so toll ist und dieser Kurs auch sofort ausgebucht war, bin ich trotz Schwangerschaft dabei geblieben. Mal sehen, wie sportlich ich das Ganze dann in der 31. und in der 36. SSW bewältigen werde.
In arbeitsreichen Phasen neigt man ja zur Selbstbelohnung und gerne mal zum Kaufrausch. Den habe ich dann auch ausgelebt und einen großen Berg Schwangerensachen bei mytoys geordert. Ja ich weiß, in Woche 16 schrieb ich noch, dass sich das ja nicht lohnt. Die Sachen waren aber gut reduziert und einfach schön. Das waren genug Argumente für mich. In die Bestellung haben sich auch ein paar Teilchen in Größe 56 (und natürlich in geschlechtsneutralen Farben) gemogelt. Als sie ankamen, habe ich schon überlegt, ob die überhaupt passen. Unserer ältesten Tochter war die 56 nämlich von Anfang an zu klein. Zumindest was Hosen und Strampler betraf, denn sie war 57 cm lang und das vor allem an den Beinen.
Die Körperlänge ist im Nachhinein auch meine persönliche Erklärung, weshalb die Süße aus Beckenendlage geboren wurde. In dem Kontext fällt mir ein, dass ich irgendwann mal in der 10. Schwangerschaftswoche schrieb, von meiner ersten Geburt zu berichten.
Eigentlich sollte unsere Tochter zu Hause geboren werden. Dort ging die Geburt mit einem Blasensprung und recht bald einsetzenden Wehen auch los. Leider waren diese immer wieder unregelmäßig, so dass wir 24 Stunden zu Hause mit kleineren und größeren Abständen rumeierten. An sich war alles gut aushaltbar, aber der Schlafmangel machte sich schon bemerkbar, denn obwohl ich zwischendurch einnickte, weckte mich spätestens nach zehn Minuten die nächste Wehe. Der Muttermund eröffnete sich mit dem Rumgeiere auf vier, fünf Zentimeter, was aber ein präziseres Tasten nach der Kindslage zuließ. Meine Hebamme und die zur Abklärung dazu gerufene Kollegin tasteten dann irgendwann eine Wange, was auf eine Gesichtslage schließen ließ.
Normalerweise gehen die Kinder mit dem Hinterhaupt, also gebeugtem Köpfchen voran durch den Geburtsweg. Eine Gesichtslage, vor allem beim ersten Kind, ist meist eine Sectioindikation. Also war klar: Das hier ist nichts mehr für zu Hause und wir mussten in die Klinik fahren. Ich war nervlich echt am Ende, da ich mich schon auf dem OP-Tisch liegen sah. Wir fuhren in unsere Wunschklinik nach Havelhöhe, die einzige, die wir vorher besichtigt hatten. Leider liegt diese am A.... der Welt und das waren im Berufsverkehr gegen 17 Uhr mindestens eine Stunde Fahrtweg. Ende Juni war es auch noch richtig heiß und damit das Baby sich vielleicht noch mal besser mit dem Köpfchen einstellt, bin ich im Vierfüßlerstand auf der Rückbank (auf der auch noch die Babyschale stand) mitgefahren und habe meine Wehen veratmet. Respekt an meinen Mann, der diese Fahrt echt gut gemeistert hat. Schließlich war er ja genauso aufgeregt und besorgt wie ich. An der Klinik angekommen war mir also von der Kopf nach unten-Haltung speiübel. Ich vertrage schon Autofahren unter normalen Umständen nicht besonders gut...
Dort angekommen wurde natürlich erst mal geschallt, um die endgültige Kindslage zu bestimmen. Und da stellte sich die getastete Wange doch als Pobacke heraus (beides fühlt tatsächlich recht gleich an bei der vaginalen Untersuchung). Mir fiel ein Riesenstein vom Herzen, denn eine Beckenendlage kann normal geboren werden und somit waren die Gesichtslage und der drohende Kaiserschnitt vom Tisch. Havelhöhe ist zudem eine sehr erfahrene Klinik in Bezug auf vaginale Beckenendlagengeburten und ich wusste, dass wir dort in sehr guten und erfahrenen Händen sind. Letztendlich hat die ganze Geburt noch weitere 16 Stunden gedauert, da so ein kleiner Steiß einfach weniger auf den Muttermund drückt und dieser sich langsamer öffnet, als wenn das Köpfchen voran geht.
Irgendwann bekam ich auch unterstützend einen Wehentropf. Diese „Kunstwehen“ sind wirklich furchtbar, da der Körper sich nicht so gut darauf einstellen kann mit der körpereigenen Endorphinausschüttung. Ich habe ja jetzt durch die zweite Geburt ohne alles den Vergleich und kann das Negative nur bestätigen, was die meisten Frauen über die durch künstliches Oxytocin eingeleiteten Wehen sagen. Als dann die zweite Nacht ohne Schlaf anbrach, ging es auch bei mir ohne PDA nicht mehr. Da ich absolute Phobien vor Nadeln habe (ja, ja, die Krankenschwestern, Ärzte und Hebammen ...), wollte ich diese natürlich überhaupt nicht haben. Aber mir war auch klar, dass ich ohne „Pause“ den Endspurt kräftemäßig nicht mehr schaffen würde. Nach dreimaligem Stechen (der für mich schlimmste Moment der Geburt) war dann aber alles gelegt und ich konnte etwas ruhen. Gegen Morgen war dann auch der Muttermund vollständig und der kleine Po hatte sich so ins Becken eingestellt, dass ich mitschieben konnte. Diese Phase dauerte zwar auch noch einmal über zwei Stunden, aber jegliches Zeitgefühl geht so verloren, dass einem das erst nachher bewusst wird. Da bei der Beckenendlage ja der Hauptdruck erst mal auf dem Po landete, hat unsere Kleine die ganze Zeit schon unter der Geburt Mekonium („Kindspech“ = Babys erster Stuhlgang) abgesetzt. Das fühlte sich schon seltsam an. Aber irgendwann war ihr kleiner Hintern ganz geboren und auch Rumpf und Kopf kamen hinterher. Ihre wirklich langen Beine hatte sie so hochgeschlagen, dass der Kopf gleichzeitig mit den Füßen kam. Obwohl ja mittlerweile schon 40 Stunden vergangen waren, dachte ich nur: „Ist unser Baby wirklich schon da?“
Sie war trotz des Geburtsstresses ganz wach und aufmerksam und hat nach wenigen Minuten angefangen zu trinken. Da ihr Po und auch die Schamlippen von der Geburt ganz blau und geschwollen waren, dachte ich ja auch kurz im ersten Moment, dass mein Mädchengefühl falsch war und sie nun doch ein Junge sei. Aber das klärte sich schnell.
Wir waren dann noch ein paar Stunden im Kreißsaal, weil ich stärker nachgeblutet hatte. Dann durften wir unsere Maus aber einpacken und alle zusammen nach Hause fahren. Und da kniff der mitgenommene Strampler in Größe 56 schon ordentlich.
Mal sehen, wie das alles bei Nummer drei werden wird. Nicht nur meine Arbeit, sondern vor allem meine eigenen Kinder haben mich da ganz gut gelehrt, dass man allzu viel in Sachen Geburt gar nicht planen kann. Die Kinder haben nicht selten doch ganz andere Pläne als wir. Und wenn die 56 nun nicht passen sollte, freuen sich meine ersten beiden Kinder über schöne neue Sachen für ihre Babypuppen.
Meine doch gefühlt gerade erst geborenes Beckenendlagenbaby hatte am Dienstag übrigens schon wieder eine große Schulaufführung und hat ganz allein und souverän die Lotta aus den Astrid-Lindgren-Büchern auf der großen Bühne gespielt. Das für alle Eltern, die vielleicht gerade mal wieder im täglichen Babychaos verzweifeln: Die schöne (aber natürlich auch wahnsinnig anstrengende) Anfangszeit geht tatsächlich soooo schnell vorbei - und schon sind die Kleinen „groß“.
Eine schöne Vorfrühlingswoche wünscht Euch Anja