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Tipps, Hilfe und Gymnastik für die Zeit im Wochenbett

Zwischen Glücksrausch und Nervenkrise: Im Wochenbett fahren die Gefühle Achterbahn. Jetzt heißt es einen Gang runterfahren, sich schonen und Hilfe annehmen.

In diesem Artikel:

Wochenbett – eine ganz besondere Zeit nach der Geburt

Als bei Majas Sohn Leo zwei Tage nach der Geburt eine leichte Gelbsucht festgestellt wird und die beiden darum noch ein paar Tage in der Klinik bleiben müssen, bricht für die junge Mutter eine Welt zusammen. Heute ist Leo zehn Monate alt und Maja versteht selbst nicht mehr, warum das zu diesem Zeitpunkt so schlimm für sie war. „Ich wollte, dass Leo die ganze Zeit bei mir ist und nicht ständig alleine unter dieser Lampe liegt. Die Trennung konnte ich kaum ertragen.“

Hilfe für zu Hause

Frauen, die gerade ein Baby geboren haben, können oft selbst ein bisschen Bemutterung gebrauchen –jemanden, der liebevoll im Hintergrund den Haushalt schmeißt, mal das Baby hält, damit die Mutter duschen oder ein Stündchen schlafen kann. Wenn nicht der Partner, die eigene Mutter oder eine Freundin diesen Job übernehmen kann, bleibt die Möglichkeit, eine Haushaltshilfe zu engagieren, zum Beispiel über Wohlfahrtsträger, Kirchengemeinden oder ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe wie „wellcome“.

Geht es der Mutter gesundheitlich noch nicht so gut, kann sie mit einem Attest eine Haushaltshilfe über die Krankenkasse beantragen. Vätern steht übrigens zur Geburt eines Kindes Sonderurlaub zu. Ob ein oder mehrere Tage hängt vom jeweiligen Arbeitsvertrag ab. Immer mehr Väter nehmen direkt nach der Geburt eine zweimonatige Elternzeit, nicht nur um sich um Nachwuchs und Partnerin zu kümmern, sondern auch um diese ganz besondere Familien-Zeit intensiv mitzuerleben.

Mit dem ElterngeldPlus können Eltern die Elternzeit flexibler gestalten. Auf kidsgo.de/elterngeldplus erklären wir, was sich geändert hat.

Bei diesen Worten wird bei mir eine Erinnerung wach: Als ich selbst nach der Geburt meines zweiten Sohnes aus der Klinik nach Hause komme, trampelt am selben Nachmittag ein Handwerker durch unsere Wohnung, um sich das defekte Schlafzimmerfenster anzusehen. Und ich breche prompt in Tränen aus, weil ich keinen Fremden in meinem Zuhause haben will.

Schonen und pflegen im Wochenbett

Vollkommen verständlich, sagt die freie Hebamme Christine Niersmann. Zu keinem Zeitpunkt ändere sich das eigene Leben so grundlegend und einschneidend wie durch die Geburt eines eigenen Kindes. Die 53-Jährige weiß, wovon sie spricht: Seit 1988 begleitet sie Frauen rund um Schwangerschaft und Geburt. Die ersten Wochen danach sind ein emotionaler und physischer Ausnahmezustand. Nicht umsonst sind die ersten acht Wochen nach der Geburt, das sogenannte Wochenbett, eine Zeit der Schonung und Pflege, in der Mütter laut Mutterschutzgesetz nicht beschäftigt werden dürfen. Denn der Körper hat während der Schwangerschaft Höchstleistungen vollbracht und 40 Wochen lang das kleine Lebewesen im Bauch perfekt versorgt.

Die Hormone spielen verrückt

Freilich ist die Geburt selbst körperlich, und nicht selten auch psychisch, sehr anstrengend. Der eigene Körper hat ein Wunder vollbracht, und das müssen Körper und Seele erst mal verarbeiten. Zudem stellt sich der mütterliche Körper nach einer Geburt hormonell komplett um. Und dann ist da ja noch das Kind – ganz klein, ganz hilflos. Alles ist neu: Mutter und Kind müssen sich erst einmal kennenlernen, eine Bindung aufbauen, eine Beziehung zueinander entwickeln. In den ersten beiden Wochen darf sich eine Wöchnerin darum ruhig ausnahmslos zwischen Bett, Couch und Terrasse hin und her bewegen, zumal der Tagesablauf ohnehin geprägt sein wird von stillen, essen, schlafen und sich pflegen.

Den Tagesablauf umstellen

Gut, wenn jemand anderes in dieser Zeit die Regie über Einkauf, Wäsche und den restlichen Haushaltskram übernehmen kann. Wer mag, darf nach den ersten Tagen auch gern zu einem kleinen entspannten Spaziergang aufbrechen. Das bringt den Kreislauf in Schwung, und Licht und Luft tun der Seele gut. Ab der dritten Woche beginnt sich oft zaghaft so etwas wie ein Tagesablauf herauszukristallisieren. Doch auch dieser wird sich in den nächsten Wochen mit jedem Entwicklungsschub des Kindes mehrfach wandeln.

Rückbildungskurs – was dich dort erwartet

Im Rückbildungskurs lernst du, wie du Muskel- und Bindegewebe nach der Geburt wieder stärken kannst. Ist ein Rückbildungskurs das Richtige für dich? Finde es hier heraus! Schau dir an, was unsere Manu im Kurs erlebt hat:

Verzaubert vom neuen, kleinen Leben

„Das Wochenbett ist ein Geschenk“, sagt Christine Niersmann, „und jede Frau wird es später bedauern, wenn sie sich diese erste, verzauberte Zeit nicht gönnt.“ Acht Wochen, die es erlauben, nur mit sich selbst und der Liebe zu diesem kleinen Wesen beschäftigt zu sein. Acht Wochen, in denen man ungeniert heulen, einen Nervenzusammenbruch bekommen und der Schwiegermutter eine Szene machen darf. Wochen, in denen die Kinder noch ein bisschen aus einer anderen Sphäre zu kommen scheinen und die Mütter mit Angucken und Im-Arm-Halten einen ganzen Tag füllen können.

Babyblues

Nach dem anfänglichen Glücksrausch laufen irgendwann – klassischerweise zwischen dem dritten und fünften Tag nach der Geburt – die Tränen, ohne dass man so richtig erklären kann, warum. Bei 10 bis 15 % aller Mütter verfestigt sich das Gefühl von Trauer und Überforderung jedoch zu einer Wochenbettdepression. Wenn Symptome wie Energiemangel, innere Leere, Schuldgefühle, Traurigkeit, Appetitlosigkeit, Ängste oder Panikattacken länger als zwei Wochen anhalten, ist professionelle Hilfe erforderlich.

Babyblues gehört meist dazu

Und doch ist das Wochenbett kein Wellnessurlaub. Dafür ist einfach zu viel los und zu viel passiert. Keine andere Phase im Leben birgt so viel Ambivalenz im eigenen Gefühlsleben. Auf Knopfdruck kann das Pendel umschlagen von „mein Kind ist so süß, ich bin so unendlich glücklich“ in das absolute Tränental und den Wunsch, das alte Leben zurück zu wollen. „Man ist nicht immer glücklich im Wochenbett“, erklärt Christine Niersmann, „und dieses Gefühl von Trauer und Bedauern kann sehr tief gehen. So geht es fast allen Frauen. Ich betreue im Jahr höchstens drei Frauen, die ihre Wochenbettzeit einfach nur schön finden.“

Wochenbettbetreuung durch Hebamme

Neben dem emotionalen Schlingerkurs hat auch der Körper mit dem einen oder anderen Wehwehchen zu kämpfen. Unruhige Nächte zehren an den Nerven und entkräften, Narben zwicken, wunde Brustwarzen schmerzen. Auch das Stillen muss die junge Mutter erst lernen. Hilfreich ist es, sich von der Hebamme die richtige Anlegetechnik zeigen zu lassen und bei Unsicherheit, Fragen oder Schmerzen direkt die Hebamme oder eine Stillberaterin zurate zu ziehen.

Die Frage nach der täglichen Verdauung stellen Hebammen nicht grundlos: Der Beckenboden hat sich stark gedehnt, am Enddarm oder um den After sind vielleicht kleine, aber unangenehmen Fissuren entstanden. Ein guter Trick ist es dann, sich einen Hocker vor die Toilette zu stellen, um so die Sitzposition zu verbessern – weg vom 90°-Winkel hin zu einer angedeuteten, schmerzfreieren Hockstellung.

Hilfe beim Babyblues

Babyblues oder Wochenbettdepression - Du bist dauerhaft traurig und fühlst dich überfordert? Dann zögere nicht und suche dir Hilfe bei einer Beratungsstelle:

Selbsthilfeverein Schatten & Licht
www.schatten-und-licht.de

Kostenloses, anonymes Elterntelefon
www.nummergegen kummer.de/Elterntelefon.htm

Mutter-Kind-Behandlung bei psychischen Erkrankungen während der Schwangerschaft und nach der Geburt www.mutter-kind-behandlung.de/

Wochenfluss: nicht infektiös

Wer bei einem Wannenbad gut entspannen kann, muss auch im Wochenbett nicht darauf verzichten. Dass die Badewanne tabu ist, solange der Wochenfluss noch fließt, ist eine überholte Information. Der Wochenfluss ist nicht infektiöser als Periodenblut. Dem Kreislauf zuliebe sollte das Bad nicht zu heiß und nicht zu lange sein. In den ersten zehn Tagen nach einer Geburt, wenn es noch zu stärkeren Blutungen kommt, ist die Dusche womöglich die bessere Alternative. Sitzbäder tun gut, sobald Geburtsverletzungen halbwegs verheilt sind und die Nähte anfangen zu jucken.

Wochenbett nach einem Kaiserschnitt

Mütter mit Bewegungsdrang und Budenkoller dürfen auch schon im Wochenbett mit leichten Beckenbodenübungen beginnen. Wichtig ist, dass das Training den Beckenboden nicht belastet und auf starke Erschütterungen wie Hüpfen, Springen, Rennen verzichtet. Gewichte heben, tragen und stemmen ist ebenso tabu wie frühes Bauchmuskeltraining. Eine fachkundige Anleitung deiner Hebamme ist hier empfehlenswert.

Mütter, die ihr Kind per Kaiserschnitt zur Welt gebracht haben, sollten sich sechs Wochen schonen. Ein Kaiserschnitt ist keine kleine OP. Die Wöchnerin ist danach zusätzlich auch Patientin. Narben müssen heilen, und auch emotional haben die Frauen oft einiges zu verarbeiten.

Deine Hebamme hilft dir

Am allerwichtigsten für die Zeit des Wochenbetts ist es jedoch, sich nicht verrückt machen zu lassen. Denn Vorsicht: Die vermeintlichen Babyexperten lauern überall. Wer sich auf neues Terrain begibt, darf unsicher sein. Und oft kann dann ein Anruf bei der Hebamme Klarheit schaffen. Wem zu Hause die Decke auf den Kopf fällt und den Austausch sucht, trifft im Eltern-Kind- oder Stillcafé, wie es in vielen Hebammenpraxen und Kliniken angeboten wird, auf andere junge Eltern. Das wichtigste Kriterium bei allem, was du in dieser besonderen Zeit tust, ist und bleibt, ob es sich für dich gut anfühlt.