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Nabelschnurblut einlagern: Was hinter der Stammzellen-Therapie steckt

Der Geburtstermin rückt immer näher. Und damit auch die Frage, ob für den Nachwuchs alles bestens vorbereitet ist. Ausstattung, Formalitäten, alles ist bedacht. Wie aber schaut es mit der gesundheitlichen Vorsorge aus? Hier bietet sich den werdenden Eltern am Geburtstag (und wirklich nur an diesem Tag) die einmalige Gelegenheit, dem Kind eine besondere Vorsorge zu sichern. Erst seit kurzer Zeit gibt es die Möglichkeit, Stammzellen aus dem Blut der Nabelschnur zu gewinnen. Eine Maßnahme, die sich für Eltern und Kind bis ins hohe Alter auszahlen könnte.

In diesem Artikel:

Nabelschnurblut – Eine Investition für die Zukunft?

Die Ankündigungen der Firmen, die in wachsender Zahl für die Einlagerung von Nabelschnurblut werben, erwecken leicht den Eindruck, mit diesen Zellen ließen sich geradezu wunderhafte Dinge vollbringen. Nach ihrer Ansicht ist die Sicherung von Stammzellen die beste und umfassendste Gesundheitsvorsorge, die man einem Neugeborenen mit auf den Weg geben kann.

Aber die Einlagerung ist nicht billig – und noch fehlen wissenschaftliche Belege in Form von breit angelegten Studien für die erhofften Therapiemöglichkeiten. Das bestätigen alle befragten Experten. Für die werdenden Eltern stellt sich daher die Frage, ob diese Investition auch wirklich sinnvoll ist. Welche Möglichkeiten der Heilung gibt es gegenwärtig und in Zukunft mit Hilfe der aus dem Nabelschnurblut gewonnenen Stammzellen?

Pro-Kontra-Diskussion

Nabelschnurblut: ja oder nein? Zwei Hebammen beziehen Stellung zum kontrovers diskutierten Thema.

Was sind Stammzellen?

Unser menschlicher Organismus besteht aus einer Vielzahl von verschiedenen Zelltypen. Es gibt z.B. Blut-, Nerven- oder Knochenzellen. Aber so verschieden die einzelnen Zelltypen auch sind, ihren Ursprung haben sie alle in den Stammzellen.

Die im Nabelschnurblut enthaltenen Stammzellen entstehen in der fötalen Entwicklungsphase der Schwangerschaft, die der embryonalen Phase nachfolgt. Sie sind enorm teilungsfähig und besitzen die Fähigkeit, sich in fast alle Gewebearten zu transformieren (in der Medizin spricht man von multipotent). Auch der erwachsene Körper produziert noch Stammzellen, z.B. im Knochenmark. Diese sind in ihrer Funktion jedoch spezialisierter und daher bei späteren Therapien nur bedingt einsetzbar.

Blutbanken (öffentlich)

Eine gemeinnützige Nabelschnurblutspende und die Einlagerung in öffentlichen Nabelschnurblutbanken ist nur in wenigen Städten wie Dresden, Erlangen, Mannheim, Hannover und München und deren näherer Umgebung möglich.

  • Norddeutsches Knochenmark- und Stammzellspender-Register
    www.nkr.life

Die Vorteile der Nabelschnurblut-Stammzellen

Gegenüber Stammzellen anderer Quellen besitzen die Nabelschnur-Stammzellen viele Vorteile. Sie sind im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen ethisch unbedenklich. Die Entnahme ist relativ einfach durchzuführen und es besteht kein gesundheitliches Risiko für Kind und Mutter. Zudem sind sie – einmal eingelagert – sofort verfügbar.

Stammzellen zeigen bei autologer Transplantation (Spender und Empfänger sind identisch) keine Abstoßungsreaktionen, bei allogener Transplantation (Spender und Empfänger sind nicht identisch) ein geringes Risiko einer Abstoßung. Ebenso gering ist die Gefahr von übertragbaren Infektionen.

Für Nabelschnurblut-Stammzellen kann man sich jedoch nur einmal entscheiden, nämlich bei der Geburt seines Kindes. Eine nachträgliche Entnahme ist nicht möglich.

Welche Therapien sind künftig mit Stammzellen möglich?

Gradezu euphorisch bejubeln viele Mediziner und Forscher die Möglichkeiten, die sich künftig beim therapeutischen Einsatz von Stammzellen bieten. Gerade für die Heilung von Autoimmunerkrankungen, in der Gentherapie und in der regenerativen Medizin hegen sie große Erwartungen. Besonders Tissue-Engineering, die Reparatur bzw. der Ersatz von Geweben, birgt nach Meinung vieler Mediziner ein großes Potenzial. Die Behandlung von bisher unheilbaren Krankheiten, wie beispielsweise Alzheimer oder Parkinson, oder bei schweren Verletzungen, durch die Züchtung neuer Organe, sei dann durchaus denkbar.

Kritiker wenden ein, diese Möglichkeiten lägen noch in weiter Ferne. Viele Laboruntersuchungen, viele medizinische Tests und Studien seien notwendig, bis die angekündigten Therapien einsetzbar sind. Zudem warnen sie, es gebe nur unzureichende Erfahrungen, wie sich das Nabelschnurblut über einen langen Einlagerungszeitraum verhält. Unklar sei ebenso, welche Mengen an Stammzellen für eine bestimmte Therapie nötig sind (die entnommene Menge an Nabelschnurblut-Stammzellen ist gering) und ob diese gegebenenfalls nachgezüchtet werden können. Frühestens im nächsten Jahrzehnt rechnen sie mit nutzbaren Ergebnissen, die eine Beurteilung des medizinischen Nutzens zulassen.

Werden Stammzellen heute schon eingesetzt?

Die entscheidenden Möglichkeiten der Stammzellentherapie liegen noch in der Zukunft. Doch gibt es heute schon Therapien, die auf eigene Nabelschnurblut-Stammzellen zurückgreifen. Bei Störungen der Blutbildung bieten sie sich als Alternative gegenüber blutbildenden Zellen an, die aus dem Knochenmark gewonnen werden. Auch bei bestimmten Erkrankungen des Lymphsystems oder ausgewählten Tumoren kann mit Stammzellen aus dem Nabelschnurblut therapiert werden.

Nicht möglich ist eine Therapie aber, wenn der Defekt genetisch bedingt ist. Hier tragen die Stammzellen die Krankheitsinformationen bereits in sich und eine Transplantation kann keine heilende Wirkung erzielen. Eine allogene Transplantation von Nabelschnurblut-Stammzellen kann sinnvoll sein, wenn ein Kind an Leukämie erkrankt. In diesem Fall erhöhen die eingelagerten Stammzellen eines gesunden Geschwisterchens die Heilungschancen.

Nabelschnurblutspende oder eigene Vorsorge?

Die Eigenvorsorge mit Nabelschnurblut ist nicht kostenlos und wird nur in Ausnahmefällen von den Krankenkassen getragen. Etwa 2000 bis 2500 € berechnen kommerzielle Medizininstitute für Einlagerung und Aufbewahrung. Dafür sichern sie ihren Kunden ein exklusives Zugriffsrecht zu. Die Eltern (und später das erwachsene Kind) besitzen sämtliche Eigentumsrechte und haben die alleinige Verfügungsgewalt.

Alternativ haben Sie die Möglichkeit, das Nabelschnurblut kostenlos zu spenden. Immer mehr Kliniken, die mit den deutschen Nabelschnurblutbanken zusammenarbeiten, sind darauf vorbereitet (siehe Kasten rechts). Die Spende wird anonymisiert und allen Bedürftigen zur Verfügung gestellt bzw. zur Forschung verwendet. Diese Möglichkeit besteht jedoch nur in einigen deutschen Städten.

In medizinisch begründbaren Fällen übernehmen die Krankenkassen die Kosten für eine personengebundene Einlagerung, die auch in den öffentlichen Nabelschnurbanken möglich ist. Dafür ist ein ärztliches Gutachten erforderlich.

Blutbanken (privat)

Spendest du privat und möchtest die Stammzellen personalisiert einlagern, kann das Nabelschnurblut bundesweit entnommen werden.

Nabelschnurblut sichern? Ist das etwas für meine Kinder?

Die Entscheidung zur Einlagerung von Nabelschnurblut erfolgt also derzeit vor allem im Vertrauen der Eltern auf den medizinischen Fortschritt. Die Stammzellenforschung ist jung. Die erhofften Therapien stehen erst am Anfang der Entwicklung. Grundlegende Erfolge können in nächster Zukunft noch nicht erwartet werden. Ungeklärt sind die Fragen der Haltbarkeit der eingelagerten Stammzellen und deren Reproduzierbarkeit.

Die aktuell möglichen Therapien mit Stammzellen beschränken sich bisher auf wenige Krankheiten, die allesamt selten vorkommen. Dennoch macht die einmalige Chance zur Gewinnung solch potenter Stammzellen die Einlagerung für viele Eltern auch zur Zeit schon interessant. Die Medizin hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant weiterentwickelt, niemand weiß, wo die medizinische Forschung in Zukunft stehen wird. Die Aussichten sind zumindest faszinierend.

Eine falsche Entscheidung können Eltern mit der Eigenspende von Nabelschnurblut nicht treffen. Letztlich ist es eine Frage des ökonomischen Abwägens, eine Frage des Geldes und wie man es ausgibt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet dein Kind später an einer Krankheit leidet, die mit bis dahin erforschten Stammzellentherapien heilbar ist, bleibt eher gering.

Wenn es aber doch passieren sollte, so könnten die bei der Geburt eingelagerten Stammzellen Therapiemöglichkeiten eröffnen, die ihnen sonst nicht zur Verfügung stehen.