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Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft – Sind es zu viele?

Entwickelt sich mein Kind gut? Um darüber Gewissheit zu haben und um mögliche Komplikationen früh zu erkennen, gibt es die Schwangerenvorsorge. Laut Mutterschaftsrichtlinien (MSR) umfasst sie drei Ultraschall-Untersuchungen um die 10., 20. und 30. Schwangerschaftswoche.

In diesem Artikel:

Ultraschalluntersuchungen sind medizinisch notwendig

Für diese sowie für weitere medizinisch notwendige Ultraschalluntersuchungen, auch Sonografie genannt, übernehmen die Krankenkassen die Kosten. Ein Ultraschall auf Wunsch ist eine individuelle Gesundheitsleistung, kurz IGeL, und muss selbst bezahlt werden.

Studie

Die Bertelsmann Studie „Zu viele Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft?“ (PDF) kannst du im verlinkten PDF nachlesen.

Das Ergebnis einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung in 2015 ergab, dass 99 % aller schwangeren Frauen mehr als dreimal zum Ultraschall gehen, egal ob Risikoschwangerschaft oder unauffällige Schwangerschaft.

Sonografie sollte keine Routine werden

Den Vorwurf, Ultraschall werde unnötig oft eingesetzt, weist Dr. med. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V., zurück: „Für das sichere Gefühl der Mutter können zusätzliche Ultraschalle sowie Dopplerultraschalle sinnvoll sein, die ihr eine Aussage über den aktuellen Zustand ihres Kindes und ihr Ruhe geben.“

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Auch Hebamme Agathe Blümer vom Deutschen Hebammenverband bewertet den Einsatz von Ultraschall nicht generell als unnötig: „Es gibt sowohl einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Ultraschall als auch unnötige Untersuchungen.“ Sie beschäftigt sich schon länger mit der Pränataldiagnostik, also mit den Chancen und Risiken vorgeburtlicher Untersuchungen. „Der routinemäßige, automatische Einsatz ist nicht sinnvoll. Die konventionellen Methoden der Hebammen wie Abtasten der Gebärmutter, der Kindslage und Messung des Wachstumsverlaufs sowie die vaginale Untersuchung des Gebärmutterhalses sind aussagekräftig. Wenn es Anlass zu Unregelmäßigkeiten gibt, können Ultraschalluntersuchungen weiteren Aufschluss geben.“

Aus fürs Babykino ab 2021

Ob Ultraschall dem Ungeborenen schadet, wird seit Jahren diskutiert. Anfang Januar dieses Jahres hat der Gesetzgeber Ultraschalluntersuchungen, die medizinisch nicht notwendig sind, ab 2021 verboten – zum Schutz des Ungeborenen. „Die hohen Ultraschallintensitäten“, so steht es in der neuen Strahlenschutzverordnung, „sind mit einem potenziellen Risiko für das Ungeborene verbunden [...]. Darüber hinaus fehlen verlässliche Untersuchungen über die Folgen dieser Anwendung.“ Damit wird das Babyfernsehen, das nur dazu dient, Bilder oder Filme des Babys anzufertigen, untersagt.

Auch der Berufsverband der Frauenärzte lehnt das Babyfernsehen ab. Wichtig ist den Medizinern jedoch, zu differenzieren: Die drei Ultraschalluntersuchungen nach den Mutterschaftsrichtlinien und auch weitere notwendige Ultraschalluntersuchungen halten sie nach wie vor für medizinisch sinnvoll und sind von der Regelung nicht betroffen.

Experte

Dr. med. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V. und niedergelassener Frauenarzt in Hannover, beantwortet unsere Fragen im Gespräch mit kidsgo-Autorin Thea Wittmann.

Experten-Interview: In welchen Fällen ist ein zusätzlicher Ultraschallbefund notwendig?

kidsgo: Sind die Ultraschalluntersuchungen, die nicht vorgeschrieben sind, sogenannte IGeL-Leistungen, also individuelle Leistungen, die man selbst bezahlen muss?

Im Rahmen der Schwangerenvorsorge werden drei Ultraschalluntersuchungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten auch ohne Krankheitsanzeichen von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt, um Risiken frühzeitig entdecken zu können. Wenn medizinische Gründe dafür sprechen, können auch weitere Ultraschalluntersuchungen notwendig werden. Sie werden dann ebenfalls von den Krankenkassen bezahlt.

Nicht durch die Mutterschaftsrichtlinien vorgegebene Ultraschalluntersuchungen können für die Mutter sinnvoll sein, auch wenn keine medizinische Notwendigkeit vorliegt. Wünscht eine Frau einen solchen Ultraschall, erfolgt keine Bezahlung durch die gesetzlichen Krankenkassen. Untersuchungen, die die Frau selbst in der Praxis bezahlen muss, nennt  man individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) oder Selbstzahler-Leistungen.

Unter welchen Umständen ist der zusätzliche Ultraschall notwendig, wann medizinisch sinnvoll, bzw. wann nur sinnvoll?

Man kann mit dem Ultraschall die vorzeitige Verkürzung des Gebärmutterhalses, die Vorbote einer Frühgeburt sein kann, besser und früher feststellen als mit dem Tastbefund und dann alle Maßnahmen ergreifen, um die Frühgeburt zu verhindern.

Man kann mit dem Ultraschall auch den Sitz der Plazenta kontrollieren und zum Beispiel bei einer Schwangerschaft nach einem Kaiserschnitt feststellen, ob die Plazenta eventuell in die alte Kaiserschnitt-Narbe hineinwächst, eine sehr gefährliche Situation. Auch bei Zwillings-Schwangerschaften hilft ein zusätzlicher Ultraschall zu prüfen, ob alles gut geht, oder ob zum Beispiel die Blutversorgung des einen Zwillings zu Lasten seines Geschwisterchens geht. Das zeigt sich dann in einem Größenunterschied der beiden Kinder, was bei Gefahr in einem Spezialzentrum behandelt werden muss. Dies alles sind medizinisch notwendige weitere Begründungen für den Ultraschall, und Kassenleistungen

Und natürlich wird man bei Föten, bei denen in den Screening-Untersuchungen Auffälligkeiten gefunden wurden, überprüfen, ob sich diese Auffälligkeiten später bestätigen, ob eventuell Handlungsbedarf besteht, oder ob das Kind zum Beispiel sofort nach der Geburt in einem Perinatalzentrum betreut werden muss.

Dein Ratgeber

Unser kidsgo-Ratgeber „35 Untersuchungen im Experten-Check“  informiert dich sachlich und aktuell über alle wichtigen Untersuchungen. 

Für das sichere Gefühl der Mutter können zusätzliche Ultraschalle sowie Dopplerultraschalle sinnvoll sein, die ihr eine Aussage über den aktuellen Zustand ihres Kindes, und ihr Ruhe geben, aber auch zum Beispiel Ultraschall-Aufnahmen fürs Familienalbum. Es ist völlig klar, dass Wunschultraschalle nicht von den gesetzlichen Krankenkassen und damit von der Allgemeinheit bezahlt werden können.

Was macht diese Untersuchungen so beliebt? 

Mütter hören und lesen sehr viel im Internet, Büchern oder Zeitschriften, was alles passieren kann, und bekommen dadurch ein Sicherheitsbedürfnis.

Wenn es gelingt, einen geeigneten Winkel für den Ultraschall zu finden, tritt das Baby durch das bildgebende Verfahren aus der Verborgenheit in der Gebärmutter heraus und wird für seine Eltern zu einer sichtbaren Person. Besonders stark ist dieser Effekt im 3D-Ultraschall. Medizinisch notwendig ist das nicht.

Herr Dr. Albring, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Expertin

Unsere Autorin Thea Wittmann befragte dazu Hebamme Agathe Blümer. Sie ist Mitglied im Landesverband der Hebammen in Nordrhein-Westfalen und war als freiberufliche wie auch als angestellte Hebamme und Familienhebamme tätig.

Experten-Interview: Unklare Ultraschall-Befunde können verunsichern

kidsgo: Frau Blümer, wie wird – aus Sicht der Hebammen – mit dem Ultraschall in der Schwangerenvorsorge heute umgegangen? Wird er inflationär eingesetzt?

Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Es gibt sowohl einen verantwortungsvollen Umgang als auch unnötige Untersuchungen. Ultraschall aufgrund eines auffälligen Untersuchungsbefundes ist eine Option. Aber der routinemäßige, automatische Einsatz des Ultraschalls ist nicht sinnvoll.

Wichtig ist, dass die Schwangere sich vor der ersten Untersuchung mit der unangenehmen Frage konfrontiert, was sie wirklich wissen möchte und mit welchem Ziel.

Welche Alternativen gibt es?

Die konventionellen Methoden der Hebammen wie Abtasten der Gebärmutter, der Kindslage und Messung des Wachstumsverlaufs sowie die vaginale Untersuchung der Cervix, also des Gebärmutterhalse, sind aussagekräftig. Leider werden sie aber nur noch selten erlernt und angewendet. Wenn diese Untersuchungen auf Unregelmäßigkeiten hindeuten, können Ultraschalluntersuchungen weiteren Aufschluss geben.

Auch die Ultraschall-Bewertung des Muttermundes am Gebärmutterhals gibt bei korrekter Anwendung zwar Auskunft über die Länge der Cervix, jedoch nicht über die Konsistenz. Diese sollte aber bei der Bewertung, ob die Gefahr einer Frühgeburt besteht, immer mit einfließen. Für diese Einschätzung ist es wichtig zu wissen, um die wievielte Schwangerschaft der Frau es sich handelt.

Was spricht gegen die Untersuchung?

Eine sehr frühe Ultraschalluntersuchung bedeutet nicht einfach Baby-Fernsehen, sondern kann existenzielle Fragen zur Fortführung der Schwangerschaft aufwerfen. Das ist den Frauen meist nicht bewusst, und das ist auch nicht der Wunsch, der hinter dem Verlangen nach dieser Untersuchung steckt. Unklare Untersuchungsergebnisse bedeuten Verunsicherung und viel Aufregung, obwohl das Kind häufig trotzdem gesund ist.

Woher stammt der gesteigerte Wunsch bei Schwangeren nach Ultraschallbildern, auch über die drei vorgesehenen Ultraschall-Termine hinaus?

Viele Schwangere denken, es ginge nicht ohne Ultraschall, alle anderen Methoden seien nicht ausreichend. Ultraschall ist ein diagnostisches Instrument. Die meisten Frauen und ihre Partner sehen ihn jedoch eher als eine Art Fotoapparat.

Es ist einerseits schön, ein Bild von etwas Unsichtbarem in der Hand zu halten. Andererseits kann dies aber auch einen anderen Zugang verhindern: Dem der Mutter von innen zu ihrem Ungeborenen. Und dem des Vaters, von außen durch die Bauchdecke, über Berührung und über die Empfindungen der Mutter, die dem Kind unmittelbar über die Nabelschnur mitgeteilt werden.

Eine Ultraschallabbildung ist keine naturgetreue Aufnahme, sie ist beispielsweise nicht mit einem Röntgenbild vergleichbar. Der Ultraschall setzt lediglich Echolot-Signale digital um.

Reagieren Embryos auf Ultraschall? Drehen sich manche weg?

Da gibt es sicher unterschiedliche Temperamente, so wie das Ungeborene auch auf Berührung, laute Geräusche oder eben auch Stress- bzw. beruhigende Hormone durch das Nabelschnurblut reagiert.

Gibt es gesundheitliche Bedenken, die gegen den Ultraschall sprechen?

Wenn bei einem sehr kleinen Embryo der vaginale Ultraschall in der Frühschwangerschaft durchgeführt wird, sollte die Untersuchung – wenn überhaupt – wegen der Temperaturerhöhung des Fruchtwassers möglichst kurz sein. In diesem Stadium hat diese Untersuchung keinen therapeutischen Nutzen für das Ungeborene.

Unklare Befunde erzeugen Unsicherheit, die mit immer weiteren Untersuchungen kompensiert werden soll.

Ultraschall kann jedoch niemals den Beweis eines gesunden Kindes erbringen, und das wollen die Eltern ja hören. Wie die Pränataldiagnostik insgesamt kann es im negativen Fall Diagnosen liefern, aber nicht den Beweis des Gegenteils.

Was raten Sie Schwangeren? Wie sollten sie mit dem Angebot der Ultraschall-Untersuchung umgehen?

Vor jeder Untersuchung sollte der Schwangeren bewusst sein, dass hier Untersuchungsergebnisse mitgeteilt werden müssen, die sie vielleicht gar nicht erfahren will. Über dieses Für und Wider sollte sich jede Frau im Klaren sein und im Voraus eine bewusste Entscheidung treffen.

Es ist sicher nicht leicht, sich in diesem Moment zu positionieren. Eine gute Frauenärztin oder Frauenarzt wird diese Entscheidung akzeptieren und unterstützen. Meine Erfahrung zeigt: Mehrgebärende entscheiden sich eher für die Schwangerenvorsorge durch die Hebamme.

Frau Blümer, vielen Dank für das Gespräch.