„Expertenwissen“ macht mich verrückt.
Im Wochenbett hatte ich bereits denselben Fehler gemacht: Ich habe in tausend Büchern gelesen, die vermeintlich wissenschaftliche Erkenntnisse verbreiten, wie man was machen sollte und nicht machen sollte. Was Babys wie prägt und beeinflusst usw. Irgendwann kam ich dann zu der Erkenntnis, dass ich mich lieber auf das eigene Gefühl verlasse. Dann ging es mir erheblich besser. Im Zuge der Stilldemenz hatte ich das leider zwischenzeitlich vergessen. Nun bin ich erneut an diesem Punkt angelangt, besser alle Bücher zu verbannen.
Es geht um das leidige Thema Schlafen:
Die Muttis erzählen alle, wie ihre Kleinen abends um sieben oder wann-auch-immer ins Bett gehen. Sie legen sie hin und sie schlafen, so kommt es rüber. Ich habe das auch probiert bzw. ich habe mir vorgenommen ihn abends um halb acht hinzulegen. Denn eine Zeit lang war er abends um diese Zeit auch tatsächlich müde. Juhu, dachte ich, endlich ein Rhythmus, den Babies scheinbar unbedingt lernen müssen. Aber seitdem ich diesem bewusst folgen wollte, klappte es nicht mehr. Wenn ich ihn bettfertig machte, war er wieder wach und wenn ich ihn ins Bett legte, schrie er, weil er nicht mehr schlafen wollte. Ich versuchte ihn in einen Stundenplan zu zwängen weil „man“ es eben so macht. Und weil Kinder nun mal um acht ins Bett gehen. Und wehe sie sind länger wach… . Das entspricht dann nicht den Büchern oder anderen Muttis. Die sagen, dass ein Kind früh schläft.
Einige Male habe ich ihn auch einfach in den Schlaf gestillt, weil er oft Schwierigkeiten hat einzuschlafen. Auch das wird teils verurteilt. Zugegebenermaßen habe ich das auch mal nicht gut gefunden. Zur Mittagszeit habe ich neulich eine Stunde gekämpft, um ihn ohne stillen in den Schlaf zu bekommen und letztendlich ist er dann im Tuch endlich zur Ruhe gekommen. Als wäre schlafen etwas Schlimmes. Neuerdings quengelt er nicht mehr, sondern er brüllt sich die Seele aus dem Leib, einfach nur aus Müdigkeit mit scheinbar unerschöpflicher Energie.
Nun machte ich mir diverse Gedanken, wie ich das ändern könnte und ihn früh und sanft in den Schlaf bekomme. Ein Hintergedanke dabei, dass mein Freund ihn auch ins Bett bringen kann. Ich brauchte einen Weg ihn ins Bett zu bekommen ohne ihn zu stillen. Also informierte ich mich und las diverse Ratgeber und Internetseiten. Je nachdem, wo man liest und wo man spricht, überall erzählt man sich etwas anderes:
- Stillen stärkt die Bindung und vermittelt dem Baby das Gefühl der Geborgenheit. Man solle das Baby bloß nicht brüllend ins Bett legen. Es soll schließlich etwas Positives damit verbinden, daher ist vorher stillen durchaus gut.
- Vor dem Schlafen Milch trinken ist ein Ritual, das viele machen.
- Vor dem Schlafen füttern, führt zu einem unruhigen Schlaf.
- In den Schlaf stillen, macht das Kind abhängig von der Mutter. Und umso schwieriger wird es später, es ohne stillen ins Bett zu bringen.
- In den Schlaf stillen löst aus, dass das Baby saugen mit Schlafen verbindet, das sollte vermieden werden.
- Man soll Babys nicht nach der Uhrzeit stillen, schließlich kann man Grundbedürfnisse wie Hunger (oder auch auf Toilette gehen) nicht programmieren.
- Babys haben ihren eigenen Schlafrhythmus, der sich immer wieder ändert
- Babys kann man einen Rhythmus antrainieren
- Je mehr ein Baby am Tage schläft, desto besser schläft es nachts
- Je weniger ein Kind tagsüber schläft, desto mehr schläft es nachts
- Usw.
Diese Liste könnte ich ewig so weiter führen. Je nachdem wo und wie man liest, man/ich kann s/mich verrückt machen und damit auch das Kind. Ich habe mich wieder dazu verleiten lassen hin und her zu springen. Eigentlich folge ich meinem Gefühl, aber jedes Mal werde ich durch ach-so-schlaue Lektüre verunsichert. Denn darin wird einem suggeriert, dass jedes Baby schlafen kann und es nur eine Sache der Konsequenz ist und blablabla. Letztendlich ist aber jedes Baby unterschiedlich und das steht auch meistens dabei. Aber warum schreibt man dann überhaupt darüber? Es wird einem z.B. erzählt, dass Eltern, die ihr Kind in den Schlaf wiegen sich überlegen müssen, ob sie dauerhaft Lust dazu haben. Da frage ich zurück: Was, wenn sie keine Wahl haben, weil das Kind nun mal anders nicht einschläft, obwohl es todmüde ist?
Ein kleines Beispiel, wie unterschiedlich Babys sind, habe ich mit einer Freundin und ihrem Baby gesehen. Es gibt diese Holzgerüste, die man über Babys stellt und sie können mit den herunterhängenden Dingen spielen. Das Baby der Freundin lag darunter, guckte und zog einmal an dem Spielzeug. Als es merkte, dass es nicht herunter kommt ließ er los und schaute woanders hin. Carlo hingegen zieht unentwegt daran und bekommt schlussendlich einen Tobsuchtanfall und zieht immer wütender daran, bis er anfängt zu schreien. Kann man ihm das „aberziehen“?
Ich bin also wieder einmal zu der Erkenntnis gekommen, dass ich mich auf mein Gefühl verlassen sollte und entsprechend wütend auf mich, dass ich das vergessen hatte. Natürlich kann man sich austauschen und Anregungen einholen und das hilft sicherlich. Aber nur weil vermeintliche Experten meinen, dass bestimmte Dinge in bestimmter Weise ihre Kinder prägen, muss man sich nicht danach richten. Wenn ein Baby erst abends um elf müde wird, dann ist das halt so. Das ändert sich sicher auch wieder. Bei Carlo wechselt das jedenfalls von Woche zu Woche. Und wenn man endlich einen scheinbaren Rhythmus hat, kommt ein Wachstumsschub, eine Erkältung, Zähne oder sonst was und alles ist wieder dahin. Irgendwas ist ja immer.
Und die Energie die ich aufgewendet habe, um Lösungen zu finden dem Kind ein Schlafverhalten anzutrainieren, hätte ich besser in andere Dinge gesteckt.
Das Ganze erinnert mich übrigens stark an meine Arbeit im Bereich der Wissenschaft, in der wir viel über Nachhaltigkeitskonzepte geschrieben haben. Alle wissen wie es geht und es klappt trotzdem nicht, weil es immer auf die gegebene Situation angepasst werden muss. Deswegen war ich damals froh endlich schwanger zu sein, um dieser never ending story entfliehen zu können. ;-)
Und Schlafen lernen muss man nicht, irgendwann ist einfach der Akku leer. Und auch wenn ein Baby das Schlafen nicht gelernt hat, schläft es trotzdem.
Das musste ich einmal loswerden und jetzt geht es mir besser.
Liebe Grüße,
eure Susi
PS: Carlo schläft seit 2 Stunden in seinem Bett und es ist 13.00 Uhr.
Bild: privat