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Baby-Tagebücher von Marie-Luis

Hautnah. Intensiv. Liebenswert. Folgt hier den Babytagebuch-Bloger:innen und erlebt regelmäßig, wenn frischgebackene Mütter und Väter ihr Leben mit euch teilen. Jede Woche lassen sie euch an ihrer neuen Lebenszeit mit Baby teilhaben und geben ganz persönliche Einblicke: Was hat der Sprössling diese Woche Tolles gelernt? Wie geht es den jungen Eltern mit dem kleinen Knirps? Welche Herausforderungen begegnen den Neu-Mamas und Neu-Papas mit ihrem Neugeborenen? In den Baby-Tagebüchern seid ihr live dabei, von ersten Arztbesuchen bis zu holprigen Gehversuchen. Ob liebenswert chaotisch oder rührend besinnlich: Immer erhaltet ihr einen unverfälschten, authentischen und persönlichen Einblick in das aufregende Leben einer Jungfamilie.

16. Woche

Weil die Zeit sich so beeilt

Die Zeit rast so vor sich hin und wir hatten unsere vorletzte Stunde bei der Rückbildung. Und wir haben einen kleinen Ausflug gemacht

Hallo,

am Montag ging es wieder zur Rückbildung und mit Schrecken stellte ich fest, dass die Zeit nur so rast. Meine Hebamme eröffnete die Stunde damit, dass nächste Woche ja bereits die letzte Stunde sei. Sofort kam mir eine Frage in den Kopf: „War ich überhaupt da gewesen?“ So völlig unbemerkt waren schon wieder 6 Wochen vergangen. Unweigerlich schoss mir ein Zitat aus meinem Lieblingssong in den Kopf.

„Weil die Zeit sich so beeilt
Und so wenig bleibt von dem, was einmal war
Weil das Licht so leicht zerbricht
Sehen wir die Dinge manchmal seltsam sonderbar
Unsere Bilder sind verschwommen,
Weil wir nicht mehr zurück kommen.“

Vor ein paar Wochen war mein Eddie noch ein kleines Päckchen gewesen, was den ganzen Tag verschlafen hatte. Friedlich in meinen Armen lag. Jetzt sind seine Augen weit geöffnet, er beobachtet alles. Möchte auf meinem Schoß eigentlich nur noch sitzen und beginnt Sit-Ups zu machen, wie Ella damals, als sie unbedingt mehr sehen wollte. Er strampelt wie verrückt. Wirft die Beine in die Höhe und lässt sie auf den Boden schnellen um den Untergrund zu testen. In der Sportstunde beobachtete Eddie alles aufmerksam. Der Kurs war mächtig ausgedünnt, denn die Angst vor Corona war nun auch hier angekommen. Die Frauen mieden wahrscheinlich lieber Menschenansammlungen. Nach einer halben Stunde war der Sport für mich auch schon wieder vorbei. Eddie wollte trinken. In letzter Zeit hatte sich das Stillen an einem fremden Ort eher als schwierig heraus gestellt. Eddie ließ sich leicht ablenken und konzentrierte sich nicht aufs trinken. Das macht ihn ungeduldig, mich auch, und er beginnt den Rücken durch zu drücken und zu weinen. Als es gar nicht mehr klappte bin ich mit dem weinenden Eddie gegangen.

Am Dienstag nutzte ich den verregneten Tag um Ellas Schrank aufzuräumen. Mein Mann hat die Eigenart, wenn er den Trockner ausräumt, einfach alles in die Schubladen zu stopfen. Egal, wie oft ich versuche, etwas dagegen zu unternehmen. Nach ein paar Tagen sehen die Schubladen wieder so aus. Aber immerhin konnte ich auch so die Sachen aussortieren, die Eddie und Ella zu klein geworden waren. Beide waren in den letzten Wochen wirklich in die Länge geschossen. Als ich aufräumte und die Klamotten für den Verkauf katalogisierte lag Eddie friedlich unter seinem Bogen. Irgendwann hatte er keine Lust mehr und wollte auf den Schoß. Das ist eine Sache bei der ich mich fragte, darf er das überhaupt, wenn er noch nicht sitzen kann? Nachdem ich doch nachgegeben hatte und die Flut an Nachrichten zu meinen Verkäufen mein Postfach überschwemmte, war es auch schon so weit. Eddie war geplatzt. Bis zum Rücken hoch. Das war in letzter Zeit öfters passiert und sollte wahrscheinlich ein Wink mit dem Zaunpfahl sein es doch mal wieder mit den Stoffwindeln zu probieren. An dem Tag kam noch jemand um den Wickeltisch abzuholen. Ich hatte damals bei Ella ein Schnäppchen gemacht und den Tisch für 5 Euro erstanden. Verkauft habe ich ihn für 20. Sogar noch Gewinn gemacht. Endlich war ein bisschen mehr Platz im Kinderzimmer. Ella fiel es sofort auf. In ein paar Monaten soll Eddie mit einziehen, zumindest so lang, bis ich wieder arbeiten bin und wir uns die höhere Miete für eine hübsche 4-Zimmerwohnung leisten können.
Dann erreichte uns am Dienstagnachmittag noch eine Hiobsbotschaft. Die Buchmesse in Leipzig fällt aus und das obwohl ich Karten hatte. Ich hatte mich wirklich darauf gefreut. Ella jeden Abend davon erzählt wie wir uns neue Kinderbücher besorgen würden und jede Menge Gummibärchen einheimsen würden. Und dann das. Ella liebt Bücher wirklich. Ich lese immer vor. Die Liebe hatte sie wohl von mir geerbt. Mit 18 hatte ich 4 Semester Germanistik erst in Jena und in Mainz studiert. So lang bis ich durch Prüfungen gefallen war und die Regelstudienzeit nicht mehr schaffte und mir so das Bafög gestrichen wurde. Es ist nicht schlimm, dass ich nicht zu Ende studiert hatte, wenigstens für mich nicht. Es war auch nicht das richtige für mich. Ich konnte mit dem trockenen Unterricht nichts anfangen, vor allem nichts mit Althochdeutsch. Ein bisschen nervt es schon, dass einem das Virus ständig einen Strich durch die Rechnung macht. Im Fernsehen sieht man jetzt immer Labore in denen man Leute sieht, die in Schutzanzügen mit Schutzmasken unter Abzügen arbeiten. Sollte das Virus wirklich so schlimm sein, dass solche Vorkehrungen getroffen werden müssen, dann muss es doch ein Zombievirus sein. Und ja ich habe zu viele Filme gesehen. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass die Leute beginnen bei solchen Bildern zu hamstern.

Mittwoch und Donnerstag nutzte ich um mit Eddie spazieren zu gehen. Die vielen Päckchen mit den Klamotten mussten zur Post gebracht werden um all die Mamis glücklich zu machen. Draußen zwitscherten die Vögel. Es roch nach Frühling. Nach frischer Erde und Moos. Deswegen mag ich den Frühling, weil es immer so toll duftet. Ich bin nur ein wenig traurig, denn jetzt ist schon eine Jahreszeit vergangen seitdem Eddie auf der Welt ist. Eddies erster Winter ist vorbei und kommt nicht mehr wieder. Schade, dass es nicht einmal ein richtiger Winter gewesen war.

Am Freitag nutzten wir den freien Tag meines Mannes um mit dem Zug zu fahren. Wir hatten es Ella schon lang versprochen. Sie liebt das. Die Leute an den Bahngleisen, die Züge und unseren Bahnhof. Chemnitz hat das Problem als einzigste Großstadt Deutschlands nicht an den Fernverkehr angeschlossen zu sein. Will man also eine andere größere Stadt besuchen oder in ein anderes Bundesland reisen, muss man in diverse Bummelzüge einsteigen. Auf der Strecke von Chemnitz nach Leipzig fahren ganz besondere Exemplare. Züge aus DDR-Zeiten, die schon damals die Leute in die Freiheit gebracht hatten. Also ein ganz besonderes Erlebnis. Wir hatten den Wagen für Eddie mit. Wäre ich allein mit den Kindern gewesen hätte ich es niemals die hohen Treppen durch die Tür geschafft. Man muss in diesen Zügen den Wagen über die Türklinke heben. Die Türen werden noch von Hand geöffnet. Durch die engen Gänge kamen wir auch nicht mit unserem Wagen. Wir mussten ihn auseinander bauen. Wir fanden ein Abteil mit nur einer Frau darin. Völlig gestresst nahmen wir irgendwie in dem engen Abteil Platz. Die Frau hat sich sicher gefreut mit uns fahren zu dürfen. Ich versuchte Eddie zu stillen. Es klappte wieder nicht. Er drückte sich durch und machte ein. Jetzt war ich völlig überfordert. Kein Platz, keine Milch und irgendwie roch das, was Eddie in der Hose hatte, auch wieder fürchterlich. Mein Mann schnappte sich Eddie. Die blöde Windel war wieder ausgelaufen. Gott sei Dank hatte ich Wechselsachen dabei. Die Frau vergrub sich hinter ihrem Buch. Ella turnte auf den Sitzen herum. Ich war kurz vorm heulen. Ich hatte in letzter Zeit sehr mit Stimmungschwankungen zu kämpfen. Es lag am Stillen. Es verlange alles ab. Meine Haut war unrein und trocken geworden, die Haare fielen mir in Büschen aus. Ein bisschen fiebere ich dem Beikoststart entgegen. Ella brachte die Fahrt über mit ihren Späßen zum Lachen. Nach einer Stunde kamen wir endlich in Leipzig an. Es war gar nicht so einfach Ella am Bahnhof nicht vor dem davon laufen abzuhalten. Manchmal braucht sie wirklich ein Kindergeschirr mit Leine. Ja, sowas gibt es wirklich. Eddie war irgendwann während seiner ersten Zugfahrt eingeschlafen. Wir wollten uns ein bisschen die Stadt anschauen. Ich war zwar schon ein paar Mal in Leipzig. Jedoch nur zu Konzerten und bei Nacht. Ich wusste bis letztes Jahr gar nicht, dass es dort viele kleine Gässchen gibt, die wirklich wunderbar aussehen. Kaufen kann man dort natürlich nur überteuerte Taschen, die ich mir nie besorgen würde. Die Leute in den Läden schlürften Sekt beim Einkauf. Mein Mann hatte mir etwas aus dem Outletstore versprochen den es dort gab. Dieser war eher eine Enttäuschung gewesen. Für Eddie gab es seine ersten coolen Sneaker, für Ella ein paar Glitzersandalen. Wir gingen noch Essen. Ella war glücklich. Erst Zug fahren, dann noch Essen gehen. Wobei ersteres das größere Erlebnis für sie gewesen war. Zurück am Bahnhof quetschten wir uns wieder in den überfüllten Zug. Die Leute nahmen keine Rücksicht. Irgendwann fragte jemand, den wir vom Sehen kannten, ob er nicht helfen kann. Wir fanden noch einen Platz. Ich dachte nur, hoffentlich bekommt Eddie jetzt nicht Hunger, bzw. hoffentlich fällt ihm nicht auf, dass er im Restaurant nur eine Seite bekommen hatte. In Chemnitz angekommen, half natürlich wieder niemand. Ganz im Gegenteil drängelten die Leute wieder am Einstieg um schnell in den Zug zu kommen. Freitagnachmittag fahren mit dem Zug meistens Studenten zurück in ihre Heimat. Man sollte von denen eigentlich erwarten, dass sie wüssten, dass man erst die Leute aussteigen lässt oder dass der Zug auch mehr als nur die eine Tür am Ende des Bahnsteiges hat. Ich ließ meinen Gefühlen und meiner Zickigkeit freien Lauf und meckerte erst einmal lauthals drauf los, dann machten sie endlich Platz. Das Mädchen, das Ella am Kopf getätschelt hatte, bekam noch extra einen Satz von mir.
Endlich geschafft. Wie es natürlich mit Kleinkindern so ist, musste Ella an dem ganzen Tag unterwegs pullern. Es schien mir so, als ob sie jede Chance nutzen wollte eine andere öffentliche Toilette zu benutzen. Die im Zug war besonders schön. Voll gepinkelt und ohne Wasser. So kann sich das Virus noch besser verbreiten.

Das Wochenende verbrachte mein Mann auf Arbeit und Ella bei Oma. Sie wollte unbedingt mal wieder hin und mit ihr etwas erleben. Ich freute mich so darauf endlich ein bisschen Zeit für mich zu haben. Auch mal ein bisschen schlafen zu können, wenn Eddie schläft. Mich in die Wanne legen zu können und mein Brötchen nicht teilen oder hinter schlingen zu müssen, weil Eddie weint oder Ella nicht teilen will. Nachts schlafen zu können, ohne dass jemand stündlich am Bett steht und ohne dass die Nacht um 5 vorbei war. Da ich nie zum essen komme, wenn wir alle am Tisch sitzen, müsste ich eigentlich schlank wie eine Gerte sein. Weit gefehlt, denn dadurch dass ich nicht ordentlich essen kann, bekomme ich ständig Heißhunger. Eddie mag es gar nicht, wenn er sieht, wie ich esse, dann will er sofort auch etwas haben. Nur noch 2 Monate bis zum Beikoststart. Vielleicht auch schon in einem Monat, wenn ich es nicht mehr aushalte.

Am Sonntag morgen konnte ich tatsächlich mein Brötchen allein essen, während die Sonne herrlich schien. Nur meinen Kaffee schaffte ich nicht. Der wurde kalt, weil Eddie wieder eine volle Windel hatte. Seit dem ruhigen Wochenende nutzen wir auch wieder die Stoffwindeln. Die laufen wenigstens nicht aus, auch wenn ich den Eindruck habe, dass sie ihn durch ihre Größe in der Bewegung einschränken. Nachmittags hatte ich meine Ella wieder. Ein bisschen hatte sie mir schon gefehlt. Eigentlich schon am Samstag, denn ohne ihre vielen Fragen war es ganz schön still.

Am Montag haben wir einen Termin bei unserer Osteopathin, weil Eddie nur in eine Richtung blickt. Und die letze Stunde Rückbildung steht an. Am Freitag geht es wieder zum PEKiP und Ella macht mit meinem Mann eine Taschenlampen-Stadiontour.
Habt eine schöne Woche,

Marie

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Anke (kidsgo-Tagebuch-Betreuerin)

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