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Baby-Tagebücher von Marisa

Hautnah. Intensiv. Liebenswert. Folgt hier den Babytagebuch-Bloger:innen und erlebt regelmäßig, wenn frischgebackene Mütter und Väter ihr Leben mit euch teilen. Jede Woche lassen sie euch an ihrer neuen Lebenszeit mit Baby teilhaben und geben ganz persönliche Einblicke: Was hat der Sprössling diese Woche Tolles gelernt? Wie geht es den jungen Eltern mit dem kleinen Knirps? Welche Herausforderungen begegnen den Neu-Mamas und Neu-Papas mit ihrem Neugeborenen? In den Baby-Tagebüchern seid ihr live dabei, von ersten Arztbesuchen bis zu holprigen Gehversuchen. Ob liebenswert chaotisch oder rührend besinnlich: Immer erhaltet ihr einen unverfälschten, authentischen und persönlichen Einblick in das aufregende Leben einer Jungfamilie.

31. Woche

Rosa, blau, beige?

Role Models, Klischees, Gender Identität, Alltagssexismus – es ist nie zu früh für Manöverkritik.

Der Endfünfziger mit Halbglatze und Bärtchen lacht dröhnend. Die Frau, über die er lacht, ist bereits im Aufgang des Schwimmbads verschwunden. Gut für sie, denn so hat sie nicht mitbekommen, dass der leicht übergewichtige Kassierer bei ihr gerne mal eine „Mund-zu-Mund-Beatmung“ durchführen würde. Danach checkt er mich ab und gibt die Eintrittspreise für die beiden „Lütten“ und die „schicke Mama“ in die Kasse ein. Ich bin immer noch schockiert vom Satz davor und realisiere erst zeitverzögert, dass auch ich ungewollt zum Objekt degradiert wurde. Trotz strubbeliger Haare, Kapuzenpulli und Winterjacke – und im Beisein von meinem Partner Tim. Seine Anwesenheit hindert diesen Sexisten in Schwimmbaduniform also nicht an seinem Verhalten. Im Gegenteil: Er versucht kumpelhaft den Witz unter Männern zu teilen – und scheitert, begleitet von Tims frostigem Blick.

Es ist wie so häufig: Erst mit Abstand merke ich, wie weit man diese kleine Alltagssituation denken kann. Grundsätzlich bin ich relativ schlagfertig und schnell in meinen Reaktionen. Leider nicht immer. Denn unsere Nichtreaktion auf das Gesagte des Schwimmbadmitarbeiters suggeriert unseren Kindern, es sei in Ordnung sich so zu verhalten. Und das ist ein Problem!

Problematisch wird es auch an anderen Stellen. Etwa wenn Genderidentität eine übergroße Rolle einnimmt und die Verkäuferin im Babyladen den Pulli nicht verkaufen möchte, denn der sei ja schließlich für Jungs und nicht für Mädchen. Die Schnitte der Mädchenkleidung sind überdies oftmals enganliegend und figurbetont, Kleidung für Jungen hingegen nicht. Auch bei der Auswahl des Designs für die Dankeskarten zur Geburt wird in geschlechtsspezifischen Mustern unterschieden. Der Klassiker: rosa für Mädchen, blau für Jungen. WTF?

Unser Baby Jeppe steckt derzeit häufig in einem Walk-Wolle-Overall mit der Farbe beerenrot. Das Innenfutter schmücken kleine Streublümchen. Fremde Menschen im Alltag halten ihn – NUR – deshalb für ein Mädchen. Smilla, inzwischen zweieinhalb Jahre alt, hat noch immer relativ kurzes Haar. Selbst mit Kleidung in Klischeefarben ist sie für die Öffentlichkeit immer mal wieder der kleine Junge. Hier ändert sich auch das reaktive Verhalten anderer Erwachsener. Während dieselbe erwachsene Person am Klettergerüst einem, anhand äußerlicher Merkmale als Mädchen zu identifizierenden Kind hilft und behütend aufpasst, sagt sie zu unserem Kind gewandt: „du Frechdachs kletterst ja schon richtig gut“. Beide Kinder sind der Person unbekannt und in etwa gleich alt. Mädchen werden oft als körperlich benachteiligt, schwächer und beschützenswert empfunden, Jungs werden in ihrer Körperlichkeit motiviert und steigen im Wert, je mehr sie diesem Ideal entsprechen. Das ist alles furchtbar absurd!

Tradierte Rollenbilder tun dazu ihr übriges. Die Frau ist zuhause, übernimmt die Care Arbeit, der Mann repariert aber putzt nicht, Frauen weinen, Männer sind stark… Diese Auflistung könnte sehr lang werden, also belasse ich es dabei. Was unsere Kinder hören, sehen und erleben, ist die Welt in der wir leben. Selbst, wenn wir zuhause Farben nicht Geschlechtern zuordnen, wenn wir versuchen Dinge anders zu machen, ist die Welt da draußen übermächtig.

Smilla hat sich bereits entschieden. Sie ist ein Mädchen, präferiert lila und rosa, mag Einhörner und Glitzer – das gelebte Klischee. Und das triggert mich sehr! Sie orientiert sich an anderen Kindern und hier entsprechen eben viele den gesellschaftlichen Erwartungen. Sie darf wählen, was sie mag. Dennoch wünschte ich, es wäre doch der grüne Schal anstelle des roséfarbenen, und das Ausmalbild mit den Tieren und nicht das mit der Prinzessin.

Niemals hätte ich gedacht, dass diese Themen bereits so früh eine Rolle spielen würden. Umso wichtiger erachte ich die Rolle, die wir als Eltern an dieser Stelle einnehmen können, und meiner Meinung nach auch müssen. Zumindest müssen wir das Thema für unsere Kinder kontextuell einordnen. Wir können auch unseren Kleinkindern erklären, dass Farben nichts mit Geschlechtsidentität zu tun haben. Unseren Schulkindern können wir dann später erklären, dass dies alles nur perfekt gesteuertes Marketing ist. Die richtige Erklärung zur rechten Zeit.

Wer sich in dieser Welt zurecht findet, ob mit Einhorn-Pullover oder ohne, kann später auch den sexistischen Sprüchen einer Generation entgegnen, die vermutlich niemals mehr verstehen wird, weshalb dieses Verhalten untragbar ist.

Smilla findet es sehr schön, wenn Jeppe ihre Lieblingsfarben trägt. Sie mag diese einfach und – zumindest noch – haben diese nichts mit einer geschlechtsspezifischen Zuordnung zu tun. Sie mag auch Polizei-Puzzle, Pfützen-Hüpfen, Omelette und das Lied mit dem Nashorn. Jeder sollte das mögen dürfen, was gefällt. Fördern wir doch lieber Neigungen und Talente, anstatt geschlechtsspezifische Merkmale zu fokussieren.

Mit beigen Klamotten und Spielzeug in nude geht man der Diskussion übrigens nur solange aus dem Weg, bis ein Kind eine eigene Meinung entwickelt. Und das geht schneller, als man denkt! Und nichts für ungut an alle, die beige wirklich mögen. Auch das ist natürlich fein! ?



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In diesem Beitrag geht's um:

Role Models, Klischees, Gender Identität, Alltagssexismus, Normen