Eddie hatte seine letzte Stunde Physiotherapie und wir waren wieder viel unterwegs, zum Beispiel im Labor oder in der Chemnitzer Innenstadt
Hallo,
und eine schöne neue Woche.
Wir sind jetzt also in der 40. Woche. Das bedeutet also, dass Eddie jetzt schon länger an der frischen Luft als in meinem Bauch. Es heißt ja, dass sich der Körper nach dieser Zeit wieder regeneriert haben sollte. Wenn ich beim Sportkurs bei den Bauchübungen vor mich hinkeuche und meinen „Schwibbelschwabbel“ so betrachte, weiß ich dass dem nicht so ist. Wahrscheinlich wird das nie wieder. Kann es ja auch gar nicht. Die Dehnungstreifen von Ellas Schwangerschaft habe ich ja auch behalten.
Und wenn man so abends durch die sozialen Medien streift, während die Babys gemütlich schlafen, komme ich oft auf die Frage: „Warum haben die eigentlich Kinder?“ Warum haben die Kinder, wenn sie sich als Eltern Mal eine Auszeit gönnen? Oder wenn sie ihre Kinder in Kinderkrippe geben? Oder keine Lust haben Prinzessin zu spielen? Oder überhaupt auf den Spielplatz zu gehen? Tja, Eddie kommt auch bald in die Krippe. Ich habe manchmal wirklich keine Lust auf den Spielplatz zu gehen, weil sich dort die Eltern manchmal selber übertrumpfen wollen, indem sie ihre bedingungslose Liebe zeigen oder wie toll das bei ihnen klappt mit der bedürfnisorientierten Erziehung. Die strengen Blicke, wenn ich mal wieder am Schreien bin, weil Ella immer die kleineren Kinder auf der Rutsche ummäht. Ja, warum habe ich eigentlich Kinder? Mit meiner Art von Humor (den wie mein Mann meint, eh niemand versteht), würde ich wahrscheinlich antworten. „Na, wegen des Kindergeldes.“ Und warum habe ich jetzt wirklich Kinder? Ich habe keine Antwort. Vielleicht weil es sich richtig angefühlt hat, damals als wir uns Kinder gewünscht haben. Weil ich auch mal so ein kleines Bündel in der Hand halten wollte, ohne dass ich es wieder abgeben muss. Weil ich auch einmal schwanger sein wollte und die Tritte im Bauch spüren wollte. Weil wir später ein Geschwisterchen für Ella haben wollten. Jemand der da ist, wenn wir es nicht mehr sind. Weil es meistens schön ist, wenn man Geschwister hat. Weil mich der Flohzirkus immer fast zum Heulen bringt vor Glück, wenn wir beispielsweise am Tisch beim Abendbrot sitzen.
Ich habe keine Ahnung, ob ich eine gute Mama bin. Ich versuche es zu sein. Ella sieht das wahrscheinlich anders. Und Eddie auch, wenn er nicht unverzüglich Essen bekommt, sobald der kleine Hunger kommt.
Jeder hat seine Beweggründe. Eltern sollten vielleicht aufhören sich ständig zu vergleichen. Ich nehme mich dabei nicht aus. Am Ende weiß ich eines jedoch sicher, dass ich meine beiden Kinder unheimlich vermissen würde, wenn sie nicht da wären.
Ich mache mir Gedanken, weil Eddie bald in die Krippe geht, ob es nicht zu früh wäre. Auf der anderen Seite bekommen wir das nicht hin, wenn nur einer Alleinverdiener ist. Vielleicht denke ich einfach zu viel darüber nach und Eddie ist wie seine Schwester und krabbelt einfach los, ohne dass er mich gleich vermissen wird.
Überhaupt ist mir aufgefallen, dass er in letzter Zeit viel mit Papa kuschelt. Ich glaube, er will auch mal jemand anderen sehen. Er weint bei meinem Mann nie, wenn er ihn anzieht oder die Windeln wechselt. Und erst heute Morgen, als ich Eddie zum Kuscheln in die Mitte genommen hatte, hatte ich mich erschreckt, wo er hin ist. Er lag nicht in meinen Armen sondern in denen meines Mannes. Nun ja, es sei ihnen gegönnt, schließlich ist er ein guter Papa, wenn er auch ein bisschen faul ist.
Und ja, ich war ganz froh, dass Ella am Montag mit der Oma unterwegs war. Sie war es, glaube ich, auch. Denn wann hat man mal die Chance stundenlang auf dem Trampolin zu springen? Ich konnte ausschlafen bis 7 und dachte, ich wäre fit für den Sport. An diesem Tag war eine andere Trainerin da. Neue Trainerinnen haben meistens die Angewohnheit, dass sie viel strenger sind als die eigentliche Trainerin. Es gab kein Entrinnen, Bauchübungen mussten gemacht werden. Ich kämpfte für meinen Schwibbelschwabbel. Ich habe zumindet das Gefühl, dass er ein wenig fester geworden ist. Ich bin trotzdem froh, dass es mittlerweile ganz gute Stützschlüppis für Mamas gibt. Eddie ist wieder während der Stunde eingeschlafen, nachdem er etwas gezetert hatte. Hinterher hatte mich eine Mama gefragt, wie ich das machen würde. Da hatte ich auch keine Ahnung. Es liegt allein an Eddie, dass er es oft schafft allein zu schlafen. Doch selbst da gibt es gute und schlechte Tage. Mit Ella hatten wir einiges durchgemacht. Jetzt hatte ich mir vorgenommen alles entspannter zu sehen, denn es kommt wie es kommt. Ich sage mir immer: „Mit 18 schlafen sie alle durch, bis zum Mittag.“
Obwohl ich Spielplätze so gar nicht gern mag, waren wir dieser Tage oft auf solchen unterwegs. Ella musste beschäftigt werden. Es waren immer noch Ferien. Nächstes Jahr müssten beide in die Ferienbetreuung gehen. Ich glaube, Ella findet das gar nicht so schlecht. Sie fragt oft, wann sie ihre Freunde wieder sehen kann. Und wenn wir nicht unterwegs waren, lagen wir im Pool in unserem Garten. Ich habe für Eddie einen Schwimmring besorgt in dem er sitzt und selbst durch das Wasser paddelt. Er lacht immer laut. Ich glaube, er denkt er könne laufen. Mit seinen Füßchen erreicht er den Boden und es sieht tatsächlich aus als ob er gehen würde.
Am Donnerstag hatten wir die vorerst letzte Stunde Physiotherapie. Wahnsinn wie schnell die Zeit verging. Ich hatte Ella dabei, mein Mann hatte Nachtdienst und ich wollte ihn schlafen lassen. Sofern das möglich ist bei 30 Grad im Schlafzimmer und praller Sonne. Eddie turnte wieder auf dem großen Ball und auf allen Vieren. Mir wurden Übungen gezeigt, die ich auch zu Hause auf unserem kleinen Gummiball machen konnte. Das war gar nicht so einfach. Eddie gefiel es so sehr auf dem Ball, dass er, nachdem er sich an die Situation gewöhnt hatte, sogar anfing zu lachen und wie wild auf dem Ball zu klopfen. Die Physiotherapeutin war sehr zufrieden mit uns. Ich war im Handling viel sicherer mit Eddie geworden. Wir waren näher zusammen gewachsen. Und ich habe auch selbst gemerkt, dass man an dem kleinen Brummi nichts zerbrechen kann. Eddie hatte viel geschafft. Auf allen Vieren zu stehen war eine riesige Leistung. Ich habe mich oft gefragt, ob wir nicht genauso weit wären ohne die Physiotherapie. Aber solche Fragen bringen nichts und ich bin froh, dass ich so viel über Eddie lernen durfte. Mit wäre nie aufgefallen, dass er den Kopf immer schief hielt. Ich glaube, am Ende der halben Stunde, hatte die Physiotherapeutin sogar ein kleines Tränchen verdrückt. Jetzt müssen wir nur noch einmal nach unserem Urlaub hin. Und wer weiß, vielleicht krabbelt Eddie ja dann los. Ella war auch damals im Urlaub losgekrabbelt.
Im Anschluss an Eddies Turnstunde bin ich noch ins Labor gefahren. Ich war sehr aufgeregt. Mittlerweile hatte sich so viel verändert, dass ich mir nicht einmal sicher war, ob jemand da sein würde, den ich überhaupt noch kannte. Es geht drunter und drüber und alle sind im Sparmodus. Mein Vater, der alte Gewerkschafter, hatte mir irgendwann einmal erklärt, dass der größte Posten in einem Unternehmen die Gehälter der Arbeitnehmer sind. Und ja so ist es, denn von 4 offenen Stellen ist nur eine besetzt worden. Ich frage mich, wie alles werden soll, ob ich auf Arbeit wohnen soll, wenn niemand anderes mehr da sein wird. Ich ärgere mich auch über die Berichterstattung in den Medien. Es heißt nur die armen Pfleger, die die ganze Arbeit machen. Über MTAs heißt es nur: „Warum dauert der Test so lang?“ Natürlich, ist verständlich, dass es doof ist, wenn man ewig auf ein Ergebnis warten muss. Vielleicht ist man ja darauf angewiesen und möchte arbeiten gehen oder andere schützen, doch Labore können auch nicht zaubern. Ein Test dauert seine Zeit. Es sind keine Schwangerschaftsschnelltests. Einmal drauf pullern und das Ergebnis steht fest. Schön, wenn es so wäre. Bei der hohen Anzahl an Testen, die man bewältigen muss, kann man am Ende nicht mehr als arbeiten. So gut wie sie uns damals auf der Schule den Beruf verkauft hatten, ist er bei weitem nicht. In der Krankenhaushierarchie ist man eher auf der untersten Stufe. Man kann gar nicht anders als frustriert zu sein in diesem Beruf. Ach und ich habe den Tag erfahren, an dem ich wieder arbeiten muss. Am 22.12. Eddie kam wohl eine Woche zu früh. Aber immerhin habe ich zwei Monate Zeit für Eddies Eingewöhnung und wir können es entspannt angehen lassen.
UUUUUnd mein kleiner Wurstel hat „Mama“ gesagt, und meine Kollegin hat es gehört. Es ist also wirklich wahr. Mama gehört jetzt auch zu Eddies Wortschatz.
Am Sonntag haben wir uns dazu entschlossen durch Chemnitz zu spazieren. Derzeit findet eine Ausstellung statt, die sich „Gegenwarten- Kunst im öffentlichen Raum“ nennt. So sind zum Beispiel ein Auto im Chemnitzer Schloßteich, eine Holzbrücke, die im Nirgendwo am Ende einer Straße steht, ein Dickdarm in einem Park und eine Straßenbahn vor der Stadthalle zu sehen. Der Dickdarm eignete sich bestens zum Klettern. Der Chemnitzer im Allgemeinen ist nicht direkt kunstaffin. Die meisten Leute stehen vor dem Auto und regen sich darüber auf. Über die Geldverschwendung, die lieber in die Sanierung von Straßen gesteckt werden sollte oder den Bau von Kindergärten. Der Künstler hingegen hat wohl sein Ziel erreicht, wenn man über ihn spricht. Die Stadt möchte auch Kulturhauptstadt 2025 werden. Ich würde mich freuen, wenn es klappt. Dann wäre endlich mal etwas los in der einzigen Großstadt Deutschlands, die nicht einmal einen Fernbahnanschluss besitzt.
Nächste Woche ist Ellas letzte Ferienwoche. Wir wollen endlich beide Kinder impfen lassen. Außerdem wollen wir mal zum Trampolin springen gehen. Und ich liege meinem Mann schon ewig in den Ohren, dass ich unbedingt mal wandern gehen möchte. Vielleicht geht es am Wochenende durch das Sternmühlental.
Macht es gut und habt eine schöne Woche,
Marie
Foto: Privat
Foto: Privat
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