Wir besuchen einen Tempel in unserer Nachbarschaft und sind begeistert, eine echte Entdeckung. Brei aus Deutschland, aber kein Käse mehr, da
Hallo liebe Leserinnen und Leser,
die vergangene Woche ist nichts besonders aufregendes passiert. Wir sind die meiste Zeit Zuhause. Ich gehe mal einkaufen oder um den Block. Für Anna und mich ist es ja nicht so viel anders, mein Mann muss sich eher daran gewöhnen, den Tag zuhause zu sein, Zeit und Ruhe fürs Arbeiten zu finden und Annas ärgerliches Gemotze, weil sie nicht kann, wie sie will, etwas ignorieren lernen. Ich denke, mit Baby vor dem Laufen lernen ist diese Zeit in unserer ja mehr selbst gewählten Isolation noch besser zu machen, als mit älteren oder schon Kindergarten- oder Schulkindern. Von meiner Nichte in Deutschland höre ich, dass sie die Freunde vermisst. Hatte sie doch vor der Ausgangssperre gerade erst ihre Eingewöhnung im Kindergarten absolviert.
Aber die Decke fällt auch uns auf den Kopf. Einmal wollte ich nur noch mal eine Ortsveränderung vor dem Abendessen mit Anna, weil sie so nölig war. Kurzerhand beschloss mein Mann mitzugehen und wir wollten bei einem nahen Tempel, dem Myokenji, nach den Kirschbäumen sehen. Es sah schon sehr gut aus und wir waren gerade rechtzeitig für die beleuchtete Abendöffnung da. Es wurde nämlich gerade dunkel. Keine Menschenmengen, also sind wir rein.
Der Tempel hatte mehrere Innengärten, die man durch große Fenster bestaunen konnte. Ich kann nicht sagen, dass ich mich da besonders auskennen würde. Es gibt häufig in Form gerechte Kieselsteinflächen, die wohl meist Wasser symbolisieren, und stehende oder liegende Steine darin, die als Schildkröte, Tiger, Kranich etc. bezeichnet werden. Mit diesen Bezeichnungen und den Gedanken dahinter kann ich meist nicht viel anfangen. Aber die Arrangements hier fand ich schon sehr schön. In einen kleinen Garten durfte man auch hinausgehen und wurde eingeladen aus einem Wasserpond Wasser zu schöpfen und auf einen Stein zu gießen. Das Wasser floss erst über ein paar Steine und tropfte dann in den Boden, wobei es sehr schöne Töne erzeugte, ein richtiges Klangerlebnis. Außerdem waren in mehreren Räumen Kunstwerke ausgestellt, Webarbeiten, Kimonos, Gemälde. In der Haupthalle des Tempels gab es eine große Klangschale, die man schlagen durfte.
In froher und ganz gelassener Stimmung gingen wir nach etwa eineinhalb Stunden nach Hause. Wir waren richtig glücklich, dass wir uns diesen Tempel angesehen haben. Letztes Jahr standen wir nur einmal davor und hatten uns gefragt, ob der Eintritt überhaupt lohnen könne. Ich muss sagen, das war der liebevollst gestaltete Tempel, den ich je gesehen habe.
Für den Donnerstag war herrlicher Sonnenschein und 23 Grad angesagt. Für die nun laufende Woche dagegen viel Regen und wieder kälter. Deshalb nahm sich mein Mann am Donnerstag frei und wir spazierten zu einem Schrein mit ganz vielen Kirschbäumen, auch sehr verschiedene Sorten, die zu verschiedenen Jahreszeiten blühen. Kurz vor dem Eingang war ein kleiner Schneiderladen und ich sah ein Schild, dass auch Gesichtsmasken verkauft würden. Juhu, endlich können wir uns angemessen verhalten. Die Masken sind zwar eine Einheitsgröße, aber mit ein paar kleinen Abnähten sollte ich sie noch etwas besser auf uns anpassen können. Wir haben zuletzt noch mal mehr dazu gelesen und es sieht ja doch so aus, als ob in den Ländern, in denen Masken getragen werden, die Ansteckungsraten längst nicht so hochgehen. Für diesen Zweck, seine Umwelt zu schützen, reichen simple Stoffmasken völlig aus, das müssen keine medizinischen sein. Meine Mutter und Schwester haben inzwischen auch welche geschneidert. Und online findet man sogar simple Anleitungen, eine aus einem Halstuch zu improvisieren, die sogar recht schick aussieht.
Nun, mit den Masken fühlten wir uns wirklich wohler bei diesem Schreinbesuch, denn dort war doch einiges los und an manchen Stellen schwer größeren Abstand zu halten. Im kostenpflichtigen Teil des Gartens gab es dann eine ruhige Bank und ich konnte Anna stillen. Die neuen, farblich dezenten Masken reißt sie uns jetzt auch nicht mehr aus dem Gesicht. Das war mit den bunten Masken vorher immer das Problem gewesen, die fand Anna zu interessant.
Anna bekommt jetzt normalerweise täglich mittags und abends einen Brei. Sie isst sehr gut und meist ganz begeistert. Besonders der Mittagsbrei beschäftigt mich mitunter aber ganz schön, weil sie weiterhin selten alleine schläft, letzte Woche ein einziges Mal. Nach der Zeit in Deutschland habe ich zwar auch wieder mehr Lust zu kochen, aber die Ideen sprudeln immer noch nicht. Naja, muss ja vor allem simpel sein und schnell gehen und zumindest in Teilen zum Babybrei taugen, also eher Hausmannskost. „Gourmetküche“ gibt’s dann wieder, wenn Anna richtig mit uns isst und vielleicht versteht, dass Mama zum Kochen etwas Zeit braucht.
In der vergangenen Woche hat Anna nun ihre Stimme so richtig entdeckt und spielte ausgiebig damit. Einen Nachmittag zeigte sie uns alle Emotionen in kürzester Zeit und rauf und runter. Das war soo lustig! Jedenfalls, nachdem wir verstanden hatten, dass sie das aus Spaß an der Freude tat und nicht wirklich schlechte Laune hatte. Sie ist eigentlich recht fröhlich zurzeit, nur kann sie nicht so gut schlafen und ist wieder schnell frustriert auf dem Bauch. Heute hat sie sich aber ein bisschen vorwärts gerobbt, hinten die Füße an unseren Händen abgedrückt. Leider sieht sie ihre eigenen Fortschritte manchmal zu wenig und statt sich zu freuen, weint und schreit sie ärgerlich. Aber wir trainieren fleißig, denn sie hat inzwischen die 8 Kilo geknackt und sie zu tragen, wird richtig anstrengend für mich.
Wobei wir sie nun auch gut und öfter mal in den Stofftragen auf den Rücken nehmen. Das geht dann besser und meist schläft sie noch schneller ein als vorne.
Mit dem Wechsel von Japan nach Deutschland und zurück wurde mein Blick wieder etwas geschärft für die Unterschiede. Was ich vermisst habe in Deutschland war, dass die Fußgängerampeln erst blinken, bevor sie umschalten, und ich wünsche mir in Deutschland längere Zeiten, damit man gut über die Straße kommt.
Worüber ich mich besonders gefreut habe in Deutschland waren die hohen Waschtische, Arbeitsflächen und Spülen, denn die sind in unserer Wohnung in Kyoto sehr niedrig.
Was mir jetzt wieder fehlt in Japan, das ist der Käse. Durch unseren etwas überstürzten Aufbruch haben wir nicht so viel mitgenommen, wie wir eigentlich vorhatten, und jetzt ist er schon weg. Glücklicherweise habe ich aber in Berlin gleich am ersten Tag eine Menge Getreide für Babybrei gekauft. Das gibt’s hier nämlich kaum, da ja fast ausschließlich Reis gegessen wird. Da wir ja aber im Herbst schon wieder nach Deutschland ziehen, möchte ich Anna schon über die Zeit an die verschiedenen Getreide gewöhnen. Außerdem ist der Abendbrei damit so super einfach und schnell gemacht.
Einfach praktisch ist hier, dass man fast rund um die Uhr einkaufen gehen kann und auch sonntags die Lebensmittelgeschäfte offen haben. Natürlich freue ich mich jetzt auch wieder über den anbrechenden Frühling mit den prachtvollen Blüten und der verlässlicheren Wärme. Wir brauchen schon jetzt fast nicht mehr zu heizen.
Wir können nur hoffen, dass Japan weiterhin und vielleicht dank der vielen Maskenträger von einem stärkeren Ausbruch des Corona-Virus verschont bleibt. Allerdings geht die Zahl der verifizierten Infektionen gerade stärker nach oben und es wird noch kaum getestet. In Tokio und Osaka bleiben viele nach einem Aufruf der Gouverneure abends und am Wochenende zuhause. Hier reichte die dringliche Bitte für leere Straßen.
Ich bin heilfroh, solche Dinge nicht entscheiden zu müssen, aber vielleicht wäre es genau an der Zeit eine Ausgangssperre zu verhängen, um jetzt schlimmeres zu verhindern. Mein Mann rechnet schon fast damit, dass diese kommt, wenn sein verordnetes Homeoffice vorüber ist.
So, bei uns ist jetzt Schlafenszeit, Anna tut das brav seit zwei Stunden und ich muss schleunigst hinterher.
Alles Gute, Gesundheit und gute Ideen für euch alle zuhause!
Silke, ihr Mann und Anna
Foto: Privat
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