Die Geburt ging recht flott und verlief Gott-sei-Dank komplett anders als beim ersten Mal.
Die Geburt unseres zweiten Sohnes dauerte von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang oder auch nur vier Stunden, wo fängt man da eigentlich an zu zählen?
Am 23.06.2011 wache ich im Halbdunkeln auf, ziehende Schmerzen im Beckenbereich lassen mich aufhorchen und auf die Uhr schauen, 5:00 Uhr morgens, na ja...sind das Wehen?
Durch die erste Geburt wenig vorbereitet auf “normale“ Wehen, war ich etwas verunsichert. Um sieben Uhr war erst mal alles vorbei, aber bis dahin war ich mir dann sicher, DAS waren Wehen, alle 20 Minuten für 90 Sekunden Schmerzen – was soll das sonst sein?
Der erste Gedanke: “Aha, so geht das also normalerweise los - ja schön!“
Der zweite Gedanke galt dem Datum: „Also der 23. passt mir jetzt nicht so wirklich, immerhin hat mein Bruder heut Geburtstag, da braucht es doch nicht noch einen aus der Familie am selben Tag, seuffzz.“
Da sich am Vormittag mein Bauch schön ruhig verhielt, hab ich auf Vorwehen oder so was in der Richtung gehofft, es müsste sich ja nur bis Mitternacht verzögern, dann hätten wir schon den 24.06. und alles wäre bestens.
Na ja, im Rückblick recht naive und banale Überlegungen, seufzzgrins.
Beim gemütlichen Feiertags-Frühstück versuchte ich recht beiläufig von meinen morgendlichen Schmerzen zu berichten und wies auf die Namensproblematik hin: “Duu – Christiaaan, vielleicht sollten wir doch mal mit der Namensfindung vorankommen. Die 9 Tage zum errechneten Termin haben wir glaub ich nicht mehr Zeit!?!
Mittags war Mats total müde und es war recht unproblematisch ihn von einem Nickerchen auf der Couch zu überzeugen.
Wenige Minuten später stand Christian in der Tür: „Die Zeit sollten wir nutzen, komm wir legen uns auch hin und blättern noch ein wenig.“ Dabei schwenkte er das Vornamenbuch und trabte schon mal in Richtung Bett. Ich war in den letzten Wochen der Schwangerschaft immer viel groggy und die Wochenenden waren besonders schwer.
Mats die ganze Zeit um mich rum zu haben, kostete ziemlich viel Kraft. So war ich absolut froh in die Waagerechte zu kommen.
So viele Wochen und Monate wie wir mit der Suche nach DEM Namen verbracht haben, so seltsam schnell ging es an diesem Vormittag.
Nach einer Viertelstunde „Nöös“ und „Ähhs“, „Ich weiß nicht…“ und „Auf keinen Fall!“, kam von meinem Liebsten ein: „Was hältst Du denn von Leif“? „Jaa, schön. Stand doch eh auf meiner Liste, hast Du Dich nur NIE zu geäußert.“ „ Ja dann, dann nehmen wir Leif.“ „WIE? Jetzt echt? Einfach so? So einfach war das jetzt???“ Ein sehr männliches, lang überlegtes, gedehntes „Joahh“ beantwortete alle meine Fragen.
Ich war baff - aber schön, dass wir das dann auch mal geklärt hatten.
Nachmittags fingen die Wehen wieder an, allerdings kreuz und quer, ich konnte keine Ordnung erkennen. Um halb sechs brachen wir drei zu Freunden auf, die uns zum Essen eingeladen hatten. Als wir angekommen waren, fühlte ich mich erst mal bemüßigt, die ebenfalls hochschwangere Gastgeberin zu informieren. „Du, wunder Dich nicht, aber ich…“ „DU HAST Wehen???“ „Ähh…ja.“
Im Laufe der nächsten zwei Stunden wurden die Schmerzen heftiger und regelmäßiger und die bangen Blicke der Freunde beantwortete ich mit: „Beachtet mich bitte einfach gar nicht, erwartet kein Gespräch von mir und Ihr habt ja schon gemerkt, nach ca. 30 Sekunden bin ich wieder voll dabei.“ Gegen halb acht willigte ich ein, die Nachsorgehebamme anzurufen.
Meine größte Sorge war es, zu früh zum Krankenhaus zu fahren um dann womöglich nur wieder auf die Piste geschickt zu werden, dann doch lieber nett im Kreis meiner Freunde den Abend verbringen. Ich erzählte der Hebamme also, dass die Wehen zwar im ca. 7 Minuten-Rhythmus kämen, aber grad mal ne halbe Minute dauern würden.
Ihre Antwort war nicht das was ich hören wollte: „Manche Frauen haben halt nur sehr kurze Wehen. Trink ein Glas Rotwein und geh mal in die Badewanne.“ „Nee, ich mag nicht so gerne Rotwein und ich bin auch nicht der Badewannentyp.“ „Dann tu es trotzdem!“
Eine Viertelstunde später hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich die Schmerzen nicht mehr ruhig wegatmen könnte, sondern jetzt doch mal ganz gerne lauter werden würde und das wollte ich ganz sicher nicht im Kreise meiner Freunde machen.
Ich stand also vom Tisch auf und verkündete, dass wir wohl jetzt doch ein Taxi rufen sollten.
„Ins Krankenhaus oder nach Hause?“ war Christians Frage. „Mhhmmm, weiß nicht, entscheiden wir das, wenn ich im Taxi sitze.“ Es ging auf einmal doch irgendwie alles recht flott, insbesondere die Abstände der Wehen.
Inzwischen hatten wir schon das Angebot angenommen, dass Mats beim Gastgeberkind übernachten könnte. Unser Sohn war Feuer und Flamme und hat nicht ein einziges Mal die Schmerzen seiner Mutti oder das etwas angespannte Gesicht seines Vaters bemerkt - bestens.
Nachdem uns alle viel Glück gewünscht hatten, düsten wir per Taxi nach Hause, luden die Kliniktasche ein und zehn Minuten später standen wir, zur Prime-Time (20:15) schon vor der Entbindungsstation.
Während Christian uns anmeldete und ich eine Wehe veratmete, fiel mein Blick auf einen kleinen Aushang: „1.000 € Belohnung – TV-Sender Soundso - Dürfen wir Ihre Geburt filmen?“ Neben einem „Nääää. Das kommt ja so gar nicht in Frage!“ wurde mir plötzlich ganz klar: „ Jetzt ist es soweit, ein Zurück gibt’s nicht mehr, es ist wirklich bald soweit.“
Es war erschreckend und beruhigend zugleich.
Liegend mit CTG am Bauch waren die Wehen kaum zu ertragen und nach kurzer Zeit schickte ich Christian los. Im Zweitmütter-Vorbereitungskurs hatte ich erfahren, dass 20 Minuten CTG schreiben völlig ausreichend ist und die ein oder andere Schwangere auch schon mal im Wehenschreiber-Kämmerchen vergessen würde. Die Idee war, den Mann loszuschicken: „Meine Frau muss auf Toilette.“ und schwups kommt die Hebamme, das CTG ist ab und weiter im Programm.
Das klappte hervorragend. Außerdem verkündete die gute Frau, dass der Muttermund schon 5 cm geöffnet sei – ja toll. Eine halbe Stunde nach Ankunft betraten wir also unseren Kreißsaal. Ich hatte mir eine Sprossenwand oder ein Seil zum Halten gewünscht, Sprossen gabs keine, aber es hing ein Band von der Decke und eine Matte lag vor der Liege.
Im Unterarmstütz auf der Liege und kniend unterschrieb ich schnell noch die letzten Papiere, außerdem bekam ich noch die Nadel, um die ich im Unterarmbereich gebeten hatte.
Es dauerte nicht lange, da schossen mir immer die gleichen Gedanken durch den Kopf: „Mist, warum hast du noch von den Vorspeisen gegessen? Mir ist so schlecht und dieses dauernde Würgen.“ „Welche blöde Kuh wollte das alles ohne PDA durchziehen?!!!“ „Scheiße, das tut sooo weh!“ Dann kam die Übergangsphase, ich hatte ein Rumpeln im Becken bemerkt und die Schmerzen wurden plötzlich anders, schier unerträglich – ich wollte das nicht mehr aushalten. Inzwischen hatte ich zwar Schmerzmittel bekommen, aber das war ein Witz und wahrscheinlich auch viel zu spät um bei mir noch einen positiven Effekt zu erzeugen.
Die Hebamme sagte mir, dass ich jetzt ruhig pressen dürfte, aber ich wollte nicht. Zu groß war meine Angst, dass die Schmerzen noch heftiger werden würden. Sie beruhigte mich und versicherte mir, dass es auf keinen Fall schlimmer werden würde.
Ich glaubte ihr kein Wort, wollte aber dann trotzdem helfen, Hauptsache es wäre bald vorbei. Blöd war nur, ich wusste nicht wie. WIE geht pressen? Wie nur? Ich hatte plötzlich keine Ahnung mehr. Im Nachhinein weiß ich, dass ich kopfmäßig in einer Schleife hing und einfach nicht rauskam. Ob die Hebamme das auch kapierte oder es nur die abnehmenden Herztöne vom Baby waren, auf jeden Fall erzwang sie einen Stellungswechsel.
Ich sollte liegen – WAS? Liegen? Nein, das wollte ich auf keinen Fall. Zum einen waren die Schmerzen da immer viel schlimmer gewesen und im Liegen gebären wollte ich auch nicht, nicht schon wieder.
Ich weiß bis heut nicht wirklich, wie ich auf die Liege gekommen bin - ICH hab nicht geholfen.
Zuerst in Seitenlage, dann in Rückenlage war mir auf einmal wieder völlig klar, wie pressen geht, ja super – dann helf ich doch mal mit.
Ich war völlig erleichtert, denn das Mitpressen war tatsächlich nicht schmerzhafter, das Liegen fast angenehm und nach zweimal sagten sie bereits, dass das Köpfchen schon fast raus wäre, beim nächsten Mal pressen hätt ichs geschafft.
Glauben konnte ich das nicht so recht, denn beim letzten Mal hatten sie es mir zehnmal erzählt, um dann bei der 11.Presswehe doch zur Saugglocke zu greifen.
Aber diesmal stimmte es und schon war er rausgeflutscht. Ich schaute zur Uhr, kurz vor zehn abends – gut dass es nicht bis Mitternacht gedauert hatte, schoss es mir durch den Kopf. Ich spürte allerdings so gar keine Erleichterung, der Bauch tat immer noch unglaublich weh und erst als nach zehn Minuten die Plazenta raus kam, wurde es endlich besser.
Ziemlich schnell legten sie mir unseren Kleinen auf den Bauch, festgezurrt mit der elastischen CTG-Binde ruhte er sicher auf mir, das berühmte Bonding begann. Den Drang gleich mal leckere Milch zu futtern, hat er gut verborgen und ich war auch nicht so hinter her, ganz im Gegenteil - ich war soo fertig und erschöpft, selbst beim Trinken musste Christian mir die Flasche halten, allein hätts nicht hingehauen.
Ich hatte das Gefühl, meine Kräfte kämen nur sehr, sehr langsam zurück und das Gewicht auf dem Bauch verbesserte meine Lage nicht. Mit einem Seitenblick auf den neuen Zweitpapa beschloss ich, dass 30 Minuten Bonding fürs erste genügen müssten, schließlich saß da ja jemand neben mir, der nur zu gern dieses kleine Bündel halten würde.
Die nächsten zweieinhalb Stunden, bis wir den Kreißsaal verließen, lag Leif zufrieden in den Armen seines Papas, während wir noch seinen Zweitnamen besprachen.
Leider musste ich auch noch genäht werden, allerdings meinte die Hebamme, ich wäre ohne Dammriss ausgekommen, wenn der kleine Herr Leif es nicht so wahnsinnig eilig gehabt hätte und er nicht auch noch mit der Hand am Kopf grüßend heraus gekommen wäre.
Na ja, vielleicht wird er ja mal ein großer Kraul-Schwimmer oder Superman oder gar ein Dichter und Denker – mmmhhhmm … lassen wir uns überraschen.
Wir sind auf jeden Fall äußerst glücklich und zufrieden, dass er nun endlich wirklich bei uns ist, sein Gesicht zeigt, seine Stimme verlauten lässt und uns seinen Namen verraten hat.
Mats hatte auf die Frage, welchen Namen denn sein kleiner Bruder haben soll, in den letzten Monaten immer sehr phantasievoll geantwortet, Lolli, Trulli, Prollitrukeräh und Ähnliches.
Wenige Tage vor der Geburt aber meinte er, völlig aus dem Nichts heraus: „Du Mama, wenn das Baby raus ist, das hat doch dann einen Mund, oder?! „Jaaa.“
„Dann kann er den doch aufmachen und uns sagen wie er heißt?!“
„Ja. Genau. Mats - ich werd gut hinhören - versprochen.“
>>> Leif Bennet - 23.06.11 - 21:55 - 3.180g - 50cm lang - 33,5cm Kopfumfang <<<