MENU


Tagebücher aus der Schwangerschaft von Helena

Eine neue wunderbare, aufregende und vielleicht auch lang erwartete Lebenszeit beginnt. Für unsere Tagebücher-Blogs haben wir immer 3-4 schwangere Frauen in unterschiedlicher Schwangerschaftsphase, die in freudiger Erwartung über jede Woche dieser spannenden Zeit schreiben, uns und die vielen tausend Follower:innen daran teilhaben lassen und damit unvergessliche Momente schaffen.

0. Schwangerschaftswoche

Der Sätze überdrüssig

Langeweile und nichts als Langeweile. Die letzten Wochen plätscherten nur so dahin und viel Neues gibt es nicht zu berichten.

Nach dem wilden Aktivismus werden die letzten Wochen wohl als die langweiligsten in meine Memoiren eingehen. Es gab nichts, aber auch gar nichts zu tun - wenn man mal von den alltäglichen Haushalts- und Alltagstätigen wie Wäsche waschen, staubsaugen, kochen oder Körperpflege absieht. Die Uni mit dazugehörigen Prüfungen, Praktika und sonstigen Verpflichtungen ist vorbei und beginnt erst wieder im April. Ich habe Urlaub und somit ist auch jobtechnisch nichts zu tun.
Der Tag hat im Moment eindeutig zu viele Stunden, die ich nicht sinnvoll füllen kann. Die ersten Tage war es durchaus entspannend und spaßig, die Seele baumeln, alle fünfe gerade sein zu lassen und nur das zu tun, worauf ich gerade Lust hatte. Endlich Filme und Serien gucken, Bücher lesen, shoppen gehen.... Doch irgendwann wird das langweilig.

Da ich hier noch nicht sehr viele Leute kenne, und die, die ich kenne, in den letzten Wochen auch nicht verfügbar waren, konnte ich meinen faden Alltag nicht mal durch ein paar aufregende Dates aufpeppen. Nun ja, vor lauter Langeweile habe ich dann angefangen unsere Pflanzen umzutopfen und meine Bücher nach Farben zu sortieren (kein Witz) - wenigstens etwas.
Das Wetter hier ist ebenfalls trist und lädt nicht gerade zu Ausflügen ins Freie ein: Regen, Schneeregen oder bewölkter Himmel bei noch sehr kalten Temperaturen. Den einzigen sonnigen und warmen Sontag haben wir für einen Ausflug nach Eckernförde genutzt und sind dort am Hafen und durch die kleinen Ladenstraßen geschlendert.

Da mir der eintönige Alltag dann doch irgendwann aufs Gemüt geschlagen ist, haben wir einen kurzen Abstecher nach Berlin unternommen und dort unsere Familien und ein paar Freunde besucht. Das war wirklich schön, aber auch stressig. Sobald man erwähnt oder die Leute Wind davon bekommen, dass man in der Stadt ist, muss man sich eigentlich zerteilen, um allen gerecht zu werden. Ich bin überhaupt kein Freund davon, meine Zeit in kleine Portionen zu unterteilen und diese mehr oder weniger gerecht auf Freunde und Verwandte aufzuteilen. Im Gegenteil: ich kann es bei anderen nicht leiden, wenn es heißt „ja, wir können uns vormittags treffen und nachmittags treffe ich mit dann mit XY.“ Ich finde das irgendwie unhöflich, wenn meine Zeit von vornherein durch andere begrenzt wird. Aber wenn man nur ein paar Tage in der Hauptstadt weilt, kommt man um derlei Arrangements nicht herum. Berlin war wirklich schön, aber ich bin unglaublich froh, dort nicht mehr zu wohnen bzw. Auto und Bahn fahren zu müssen. In der kurzen Zeit standen wir wieder länger und öfter im Stau als im letzten halben Jahr hier in Kiel!

In Berlin habe ich mich mit einer alten Freundin getroffen, die ebenfalls eine Kinderwunschbehandlung hinter sich hat. Ihre Behandlung dauerte allerdings nur zwei Jahre und wurde mit der Geburt ihres ersten Kindes gekrönt, am zweiten wird bereits gearbeitet. Auch wenn ich den Kinderwunsch nicht in den Fokus stellen möchte, tut es gut, sich ab und zu mit anderen Kinderwunschpatienten auszutauschen.
Unser Gespräch mäanderte also von verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten zu deren Chancen und Risiken, zu Promis mit möglichen Kinderwunschbehandlungen, zu Ursachen und Krankheiten und streifte schließlich auch den Klassiker „Sätze, die man als Kinderwunschpatient immer wieder hört und die einem mittlerweile zum Hals raushängen“.
Ich erspare euch die hochaktuelle TopTen-Liste, im Internet finden sich genügend Anregungen und so abgedroschen und klischeehaft es auch klingt, ich habe mindestens die Hälfte davon bereits ein Dutzend Mal gehört (Spitzenreiter ist immer noch der Urlaubstipp!).

Es gibt allerdings zwei Sätze, an denen scheiden sich die Geister oder um das mal auf die karge Realität runterzubrechen – an denen scheiden sich meine Freundin und ich. Ich finde sie sinnlos, meine Freundin derart sinnvoll, dass sie sie selbst des Öfteren bei anderen Kinderwunschgeplagten bemüht. Die Sätze treten meist zusammen auf oder bedingen sich gar: „Du musst für deinen Kinderwunsch kämpfen!“ „Du musst durchhalten und darfst nicht aufgeben!“ Quintessenz der Aussagen: Kämpfen, durchhalten, aufgeben.

Nehmen wir uns den „Kampf“ vor. Was soll das bitte heißen? Wenn man kämpfen möchte, braucht man einen Gegner und wer sollte das bitte sein? Die böse Unfruchtbarkeit, mein starrköpfiger Körper, das wankelmütige Schicksal? Ich befinde mich nicht in der Kinderwunschschlacht. Und falls doch, so bin ich doch von Anfang an unterlegen! Weder kann ich meine Eierstöcke durch gutes Zureden zu einer erhöhten Eierproduktion anregen noch kann ich sie darum bitten, nur noch Eizellen von Topqualität zu produzieren. Auch zeigte sich meine Gebärmutter von meinen mentalen und tatsächlich ausgesprochenen Gedanken höchst unbeeindruckt und wollte bisher so gar nicht in die Rolle einer braven Brutmaschine schlüpfen. Das Schicksal kann ich nicht beeinflussen, die Unfruchtbarkeit nicht angreifen. Die einzigen vermeintlichen Kampfmittel die mir derzeit zur Verfügung stehen, sind ein Haufen von Hormonen, eine Unmenge von Spritzen und eine kleine Schar Ärzte.
Und wenn mir diese Mittel ausgehen, ist der Kampf dann zwangsläufig verloren oder kann ich mir dann neue Waffen suchen?

Kommen wir zu „Durchhalten“ und „Aufgeben“.
Vielleicht stellen sich andere die Kinderwunschbehandlung wie eine Art Marathon vor. Man beginnt beim Start, läuft ein paar Meter und kommt mit einem Kind im Ziel an. Die Krux ist nun, dass man nicht weiß, ob es ein kurzer 100-Meter-Sprint wird, ein gemütlicher 8000-Meter-Lauf wird oder ein kräftezehrender 40-Kilometer-Lauf. Für die langen Läufe stehen dir unbeteiligte Zuschauer zur Verfügung, die dir ab einer bestimmten Kilometerzahl Erfrischungen reichen, dich anfeuern und dich dazu bringen, während einer Durststrecke die letzten Kraftreserven zu mobilisieren und über die Zielgerade zu stolpern – kurzum durchzuhalten.
Die Intention dieses Ratschlages leuchtet mir natürlich ein. Jedoch bilde ich mir ein, mein Durchhaltevermögen selbst am besten beurteilen zu können. Wie jeder Läufer im Vorfeld abschätzen sollte, ob er der mitunter gewaltigen Laufstrecke gewachsen ist. Ich denke niemand, der bisher noch keinen Fuß in seine Laufschuhe gesteckt hat, wird sich für den nächsten Berlin-Marathon anmelden. Genauso wie die wenigsten Paare gleich mit einer ICSI oder ähnlichem einsteigen, sondern erst einmal „klein“ anfangen, sich langsam vortasten.

Steckt man einmal in der Behandlung drin, bedarf es möglicherweise einem gewissen Maß an Ausdauer oder Durchhaltevermögen, um die Behandlung hinter sich oder zu Ende zu bringen. Wenn man dieses Maß nicht aufbringen möchte oder gar kann, hat man dann aufgegeben? Was heißt aufgeben in diesem Zusammenhang? Gibt es eine Frist, eine festgelegte Zahl an Versuchen oder, um bei der Marathon-Metapher zu bleiben, gibt es eine Kilometermarke, zu der man es auf jeden Fall schaffen muss? Bekommt man dann eine Ehrenurkunde und darf auf die Bronzemedaille hoffen oder wird man vorzeitig disqualifiziert?
Ich denke, jedes Kinderwunschpaar legt sich eine eigene individuelle Marke, die von den unterschiedlichsten Paramatern beeinflusst wird. Niemand kann wissen, wie beispielweise die finanziellen, zeitlichen oder auch nervlichen Ressourcen aussehen, welche Pläne neben dem Kinderwunsch noch auf ihre Verwirklichung warten.
Daher kann ich mit solchen Ratschlägen und Sätzen so wenig anfangen, sie sind so platt und lassen so vieles unberücksichtigt. Dass sie oft aus Unwissen, Unbehagen oder auch dem Wunsch zu helfen entstehen, ist mir bewusst. Trotzdem finde ich sie doof und habe meist nur ein genervtes Augenrollen für sie übrig.

A propos Kinderwunsch: der Kryoversuch steht quasi schon vor der Tür. Ich war erst einmal in der Klinik zum Ultraschall und zur Blutabnahme zwecks der Hormonwertbestimmung. Bisher nehme ich lediglich ein Medikament, welches den Aufbau der Schleimhaut etwas unterstützen soll – ich komme mir vor wie in den Hormonferien. Anfang der nächsten Woche ist dann nochmal ein Ultraschall, dann werden die schockgefrosteten Zellen aufgetaut und wiedereingesetzt. Wenn alles gut geht, bin ich Mitte nächster Woche sozusagen angeschwängert. Ich bin gespannt und werde berichten!

Bis dahin macht es gut,

eure Helena






Kommentar zu diesem Beitrag schreiben:

Zeichen frei



Kommentare von Lesern:

Anke, Berlin23.03.2018 14:01

Liebe Helena,
ich lese Dein Tagebuch auch sehr gerne und kann Deine Gedanken und Gefühle sehr gut nachvollziehen, denn ich habe auch mehrere Jahre Kinderwunschbehandlung hinter mir. Deshalb wünsche ich Dir viel Kraft auf Deinem Weg, wohin er Dich auch immer führen mag. Und ich drücke Dir ganz fest die Daumen, das Dein Kinderwunsch in Erfüllung geht.
Folgenden Spruch habe ich mal gelesen: "Es ist immer dasselbe: Die Nichtbetroffenen erklären den Betroffenen, sie sollten nicht betroffen sein." Ich glaube dieser Satz trifft sehr genau den wunden Punkt in der Diskussion. Er steht auch für viele andere schwierige Themen des Lebens (wie Verlust und Trauer).
Für viele Frauen gehört der Kinderwunsch ganz selbstverständlich zum eigenen Lebensenwurf und wenn es dann nicht damit klappt, kann es die Betroffenen in eine Lebenskrise stürzen. Das dann erst mal eher negative Gedanken und Gefühle dominieren können vielleicht wirklich nur selber Betroffene nachempfinden. Dann kann es auch vorkommen, das die Betroffenen ungerecht unterwegs sind (kenne ich von mir aus der Zeit auch). Vielleicht hilft am Besten: keine noch so gut gemeinten Ratschläge geben, es sei denn man wird darum gebeten und einfach die Daumen drücken, trösten und mithoffen, dass es klappt. Und keine Geschichten erzählen, bei wem und aus welchen Gründen es dann doch geklappt hat und dass man ja auch noch mit 40 Jahren und so weiter. Das hilft definitiv nicht. Ich hatte während der Zeit meiner Kinderwunschbehandlung auch oft das Gefühl, dass Frauen, die ganz selbstverständlich ihre Kinder bekommen, das oft nicht nachvollziehen können.
Also liebe Hanna, geh Deinen Weg, so wie er sich für Dich stimmig anfühlt und lass Dich nicht beirren. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen alles Gute.
Liebe Grüße von Anke.

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Gast22.03.2018 13:38

Liebe Helena,

ich lese Dein Tagebuch sehr gerne und finde es toll, dass das Thema Kinderwunsch auch einmal von dieser Seite gezeigt wird und Du so offen und ehrlich über Deine Situation, Deine Gedanken und Deine Gefühle sprichst. Ich würde mir sehr wünschen, dass Du weiter berichtest solange es Deine Kraft zulässt. Ob die Kinderwunschbehandlung klappen wird, weiß ich natürlich genausowenig wie Du - ich wünsche es Dir von Herzen.
Dennoch möchte ich auch nicht ungesagt lassen, dass Deine Beiträge bei mir immer einen negativen Beigeschmack hinterlassen. Jeder Deiner Berichte ist durch und durch und immer wieder durchzogen mit direkten und indirekten Vorwürfen anderen Menschen gegenüber. Dabei lässt Du weder Freunde noch unbeteiligte Dritte aus. Du gehst sehr offen mit Deiner Situation um und ich frage mich immer wieder: „So what?“ - Deine Erwartungshaltungen in Bezug auf „angemessene“ Reaktionen, Kommentare, Sprüchen ist ja kaum zu erfüllen... - wie soll Dir Dein Gegenüber denn bitte begegnen? Wer darf überhaupt etwas sagen? Ist man raus, wenn man ohne Problem Kinder bekommen konnte? Weil man gar nicht die richtigen Worte finden kann? Scheint mir so. Aber auch Menschen, die in einer ähnlichen Situation wie Du waren, scheinen sich schnell ins Fettnäpfchen zu setzen. Du interpretierst jedes Wort, stellst alles in Frage und dabei habe ich das Gefühl, dass viele der Menschen Dir einfach nur das Gefühl geben wollen, dass sie mit Dir fühlen. Ich finde Deine Art auf andere Menschen (herab-?)zublicken teilweise mindestens genauso übergriffig wie einiger der tatsächlich sehr unpassenden Kommentare.
Ich könnte noch etwas zu der unglaublichen Langweile schreiben, die Du gerade verspürtst (Neid!!) - aber sowohl das Wort „Neid“ (ich habe 2 gesunde Kinder) als auch alles, was ich jetzt dazu sagen könnte, würden definitiv nicht gut bei Dir ankommen.
Dich zum Umdenken zu bringen werde ich nicht schaffen aber ich würde es Dir sehr wünsche

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Einträge der letzten Wochen:

Alle anzeigen
Alle beendete Tagebücher Schwangerschaft anzeigen

Aus der 0. SSW schrieben in anderen Tagebüchern:

In allen Schwangerschaft-Tagebüchern suchen:

nach Stichwort:

nach Schwangerschaftswoche:


Kurse, Termine & Adressen


In diesem Beitrag geht's um:

Kinderwunschbehandlung, Kinderwunsch, Kryo