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Kinästhetik Infant Handling: Baby bindungsorientiert berühren und bewegen

Liane Emmersberger hat eine Mission: Als zertifizierte Trainerin für Kinästhetik Infant Handling zeigt sie Eltern, wie sie vorprogrammierte Bewegungsabläufe ihres Babys in das Baby-Handling und in die Pflege mit einbinden. Ob wickeln, hochnehmen, tragen, ablegen … – wenn ihr als Team „Hand in Hand“ arbeitet, geht alles leichter und fühlt sich für alle besser an.

In diesem Artikel:

Baby-Handling: Hochnehmen, tragen, wickeln – aber wie?

Nach neun langen Monaten der Vorfreude liegt mein Baby nun endlich vor mir: So klein und zerbrechlich sieht es aus. Ich bestaune dieses Wunder, und gleichzeitig kommen Unsicherheit und Angst hoch, wie ich nun mit dem neuen Erdenbürger umgehen soll, ohne etwas „falsch“ zu machen. Ich merke: Da ist so viel, was ich nicht weiß.

Und auch wenn ich im Geburtsvorbereitungskurs und von meiner Hebamme erfahren habe, wie ich das Kind wickeln, hochnehmen und tragen kann, erscheint mir jeder Handgriff zu hart. In meiner Sorge, dem kleinen Neuankömmling wehzutun, bin ich besonders vorsichtig und behandele ihn zunächst wie ein rohes Ei.

Kinästhetik Infant Handling: sicherer Umgang mit deinem Baby

Unsere Expertin

Liane Emmersberger

Foto: privat

In ihren Eltern- und Stillberatungen ist das Kinästhetik Infant Handling-Konzept immer ein wichtiger Baustein für den Weg zu einem bindungsorientierten Miteinander. Ebenso wie das Konzept der Kinästhetik kommt auch Liane Emmersberger ursprünglich aus der Pflege. Durch ihre eigenen Kinder und die Arbeit in der außerklinischen Kinderintensivpflege, wo sie schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche in ihren Familien gepflegt sowie in Schule und Kita begleitet hat, kam sie dann zum Kinästhetik Infant Handling. Sie ist Mutter von drei Kindern und lebt in Freising bei München.

Mehr auf: liane-emmersberger.org

Ganz anders nähert sich dem Thema Liane Emmersberger. Sie ist Expertin für Kinästhetik Infant Handling (KIH) und vermittelt Eltern einen sicheren aber achtsamen Weg das Kind zu bewegen, es so in seinen natürlichen Bewegungen zu unterstützen und in seiner Kompetenz zu stärken.

Im Gespräch über ihr Herzensthema nehme ich ihre unglaublich positive Energie, die ihr ganzes Wesen ausstrahlt, wahr. Während ich bei unserem Zoom-Meeting beobachte, wie sie mit geschickten Handgriffen, achtsam – und keineswegs ängstlich – die Säuglingspuppe umgreift und in rollenden Bewegungen in andere Positionen oder von der Rückenlage auf den Arm nimmt, wird mir sofort klar, dass diese entschlossenen Handgriffe dem Neugeborenen die Sicherheit geben, die es von seinen Eltern braucht.
Denn anders als es unser erster Impuls vielleicht verlangen würde, sind die Berührungen beim Kinästhetik Infant Handling zwar achtsam und sanft, ohne aber übervorsichtig zu sein und somit Unsicherheit auszustrahlen.

WAs heißt "Kinästhetik"?

„Kinästhetik ist das Studium der Bewegung und der Wahrnehmung, die wiederum aus der Bewegung entsteht – sie ist die Lehre von der Bewegungsempfindung.“

(Dr. Frank Hatch, Dr. Lenny Maietta)

Bewegungsentwicklung fördern dank Kinästhetik Infant Handling

Bei dieser besonderen Methode des Baby-Handlings beteiligt sich dein Kleines an den Bewegungen – es arbeitet und hilft aktiv mit. Etwas krass ausgedrückt: Dein Kind fühlt nicht passiv wie ein „Gegenstand“, über den allein von außen bestimmt wird, der den Handlungen der Erwachsenen ausgesetzt ist.

Sondern: Es bekommt die Möglichkeit und die nötige Zeit, sich auf die neue Situation beziehungsweise Position einzustellen und seine Selbstwirksamkeit zu spüren – und trainiert dabei auch direkt seinen gesamten Bewegungsapparat. Du wirst staunen, wie selbstständig dein Neugeborenes ist, wenn du ihm hilfst, „es selbst zu tun“.

Und das wirkt nach: Das ganzheitliche Konzept des Kinästhetik Infant Handling mit seiner Bindungsorientiertheit prägt auch für die weitere Kindheit.

Kinästhetik bei Baby: Achtsame Berührung ist die Basis

Für ein bindungsorientiertes Miteinander, bei dem du dein Baby respektierst und seine Kompetenzen wahrnimmst und berücksichtigst, ist das Kinästhetik Infant Handling die optimale Grundlage.

Während unseres Video-Gesprächs fallen mir die Schautafeln hinter Liane Emmersberger auf. Anhand dieser vermittelt sie den jungen Eltern bei den Elterncoachings und Stillberatungen via Zoom die wichtigsten Punkte des Kinästhetik Infant Handling: „Das Thema ist mir äußerst wichtig, weil du es überall brauchst. Beim Abhalten und Windelfrei, beim Stillen und auch später.“ Liane Emmersberger ist von der Ganzheitlichkeit des Kinästhetik Infant Handling mehr als überzeugt: Das Entstehen von Machtkämpfen zwischen Eltern und Kind habe extrem viel mit Berührung und Bewegungsentwicklung zu tun. „Es hat damit zu tun, wie Eltern interagieren, ob der Interaktionsprozess im Sinne des Kindes ist, wie sie ihre Kräfte als Erwachsene einsetzen. Aber auch wie sie die Umgebung gestalten oder was sie über den motorischen Aufrichtungsprozess ihres Kindes wissen.“

Fliegergriff: Weit verbreitet, aber ungeeignet

Bestimmt kennst du ihn auch: den Fliegergriff. Das Baby liegt dabei mit bäuchlings auf deinem Unterarm, um so Schmerzen im Bäuchlein zu lindern. Auch ich habe mein Baby so gehalten und bin sehr überrascht, als Liane Emmersberger mir beim Thema „Richtiges Handling von Neugeborenen“ erklärt, dass der Fliegergriff nicht das ultimative Mittel gegen Bauchweh und Blähungen sei. Um das zu verstehen, müsse man sich die Anatomie des Kindes bewusst machen. „Wenn also das Baby wirklich Bauchschmerzen hat, dann hilft der Fliegergriff nicht.“

Dem Fliegergriff hängen noch weitere Missverständnisse an“, sagt Liane Emmersberger. So sei es zum Beispiel ein Irrglaube, dass die Kinder in dieser Lage besser sehen könnten. „Denn Säuglinge sehen ja gar nicht so viel. Das Problem ist auch, dass wir das Kind so greifen, dass sowohl die Arme als auch die Beine einfach runterhängen. Die Erwachsenen, die das Kind so halten, bewegen sich dann auch häufig sehr schnell durch den Raum, sodass ich das Kind irgendwann in den Reflexschlaf schicke.“ Denn es habe in dieser Position gar keine andere Möglichkeit, als sich der Situation zu ergeben. „Wenn das Kind im Fliegergriff einschläft, dann hat dem Kind häufig nur der Körperkontakt gefehlt.“

Statt Fliegergriff: Anhock-Spreiz-Haltung mit stützendem Körperkontakt

„Um dem Kind bei Bauchschmerzen zu helfen, sollte es in die Anhock-Spreiz-Haltung gebracht werden“, rät sie.

Diese Position ist laut Expertin Liane Emmersberger die einzige Möglichkeit, dem Darm tatsächlich Erleichterung zu verschaffen. Denn nur so kann die Luft entweichen.

Anhand ihrer Säuglingspuppe zeigt sie, wie Eltern ihren Säugling im ersten Schritt durch geschickte Handgriffe aus der Rückenlage auf den Bauch drehen können. Und dann im zweiten Schritt, wie sie ihr Kleines dann von dort anheben und vor ihrem Bauch in eine Anhock-Spreiz-Haltung bringen.

Achtsames Hochnehmen des Babys mit Kinästethik Infant Handling

Ein weiteres Problem: Oft fassen wir die Babys beim Hochnehmen an den Gelenken. Liane Emmersberger erklärt dazu: „Wenn ich die Daumen zum Beispiel beim Hochnehmen vorne an den Schultern habe, dann bin ich am Gelenk. Das führt dazu, dass ich greifen muss, um das Kind stabil zu halten. Nutze ich aber die Anatomie des Kindes und die stabilen Kontaktzonen, dann kann ich dieses Zugreifen vermeiden.“

Sie erläutert die beiden Vorteile, wenn wir das Baby kinästhetisch über die natürlichen Bewegungsabläufe bewegen:

  1. Zum einen können wir so das Kind in seinen natürlichen Bewegungsabläufen unterstützten.
  2. Zum anderen verhindern wir Verspannungen und Blockaden.

Kinästhetik: Achtsame Berührungen für ein bindungsorientiertes Miteinander

Schnell wickeln, fix anziehen oder das Kind rasch hochheben, um schnell von A nach B zu kommen – wenn wir im Zeitstress sind, werden wir unachtsam und verfallen in Muster, die einem bindungsorientierten Miteinander zwischen uns und unseren Kindern im Weg stehen.

Und ja: Solche Situationen sind im Alltag nicht immer zu vermeiden. Konzepte wie Kinästhetik Infant Handling zu verstehen, zu üben und zu verinnerlichen helfen Müttern wie Vätern Achtsamkeit zu einem Grundbaustein der Berührungen zu machen – und das weit über das Säuglingsalter hinaus.