Kinderkarneval und Kostümwahnsinn
Marodierende Elfen, Zauberer, Ninjas und Bienchen auf der Riesenrutsche. Ein Knäul aus Prinzessinnen auf der Hüpfburg – irgendwann bleibt eine in ihren Schichten aus rosafarbenem Tüll hängen. Dann hüpft da zwischen den Prinzessinnen auch noch eine rosa Kugel auf und ab, denke ich und grinse ein bisschen.
Beim Kuchenbuffet des Kinderkarnevals im Turnverein bewundere ich die Kostüme der Familien, die offenkundig etwas mehr Zeit hatten. Einige Kreationen kenne ich bereits von Pinterest. Mit einem befreundeten Vater rücke ich in Richtung Kaffee vor. Naiv fragt er die Frauen am Nebentisch: „Ist das ein Kackehaufen?“ Ich kringele mich vor Lachen. Das Kostüm des kleinen Jungen beinhaltet einen Rückenteil, der tatsächlich irritiert. Ein bisschen wie das Häufchen-Emoji, die beiden Frauen finden es gar nicht komisch. Eine Schnecke soll er sein!
Smilla gehört übrigens auch zum rosa Prinzessinnen-Trupp. Wer fragt, muss auch mit der Antwort leben können, heißt es ja so schön. Ich frage und sie will das Klischee. Das wollte ich mit knapp drei Jahren auch. Karneval spielte in meiner Kindheit eine große Rolle. Wir sammelten Kamelle beim großen Rosenmontagsumzug, Büttenreden und Helau, der Hoppeditz wurde beerdigt, Kostüme, Feierei und Narrenfreiheit. Eine Prinzessin war ich nie; das finde ich nach wie vor traurig. Ich war Rotkäppchen im mitwachsenden Kostüm. Drei Jahre hintereinander. So war das in den Neunzigern.
In Smillas Kita erkenne ich diese Woche eine gewisse Ernsthaftigkeit. An zwei Tagen wird geschminkt und verkleidet, eine Clownin macht ihre Aufwartung und mittags wird ein spezielles Karnevalsmenü serviert. Smillas bester Freund pfeffert bereits in der Garderobe sein Kettenhemd in die Ecke. Er hasst verkleiden und schminken erst recht. Dafür mag er Smillas Prinzessinnen-Zepter, welches sie ihm hoheitsvoll überlässt. Ein Drache schleicht mit einigen Tigern über den Flur, ein buntes Einhorn galoppiert hinterher und Spiderman vervollständigt den Zug.
In Hamburg ist es grundsätzlich nicht so weit her mit dem Brauchtum. Karneval heißt allerorts Fasching, manch einer hat keine Ahnung worum es überhaupt geht. Und allenfalls der Kölner Karneval ist einigermaßen bekannt. Mein rheinisches Herzchen blutet. Irgendwann werde ich unserem Nachwuchs zeigen, wie echter Karneval geht. Die meisten Erwachsenen gehen hier im Norden dieser Tage übrigens unverkleidet.
Unser Mini-Matrose tobt beim Kinderkarneval im Bällebad der Sporthalle und futtert unbemerkt einige Krümel vom Boden. Zu späterer Stunde sind die geschminkten Gesichter verwischt, die kleinen Elfen laufen alle um Unterhemd herum und die Veranstalter verschenken die Ballondekoration an die letzten Partygäste. Wir fahren zu einer privaten Geburtstagsfeier weiter: Jeppe im Matrosenkleid, ich mit Blumenranken im Gesicht, Smilla mit Tutu. Nur Tim hat die Eule ausgezogen, aber der hat auch kein außerordentliches Faible für Karneval. Beim Geburtstag versteht zwar niemand, was unsere Aufmachung soll, aber das macht nichts.
Das schöne am Karneval ist ja, dass man sein kann, wer oder was man möchte. Mich triggern zwar sämtliche rosafarbene und hellblaue Rollenklischees. Aber Smilla findet es einfach nur schön. Gut so! Denn genauso kann man es nämlich auch sehen. Ohne jedes Mal etwas hineinzuinterpretieren. Mein Kostüm in diesem Jahr? Hellblaue Prinzessin im Stil der bezauberndem Jeannie, Hand in Hand mit meiner kleinen rosa Prinzessin.
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