Wie läuft ein typischer Vorsorgetermin im japanischen Krankenhaus ab? Wer bezahlt die Geburtskosten? Besuch einer Geburtsstation
Hallo zusammen!
Letzten Dienstag habe ich eine Freundin und ihr Neugeborenes in ihrem Krankenhaus besucht, die Kleine brachte satte 4,1 kg auf die Waage! Aber die Eltern sind keine Japaner.
Sooo niedlich! Und so eine süße Kleine wird auch bald unser Leben bereichern!
Allerdings war ich etwas deprimiert von ihrer Station. Rooming-in ist dort gar nicht möglich. Die Mütter sind zu sechst auf einem Zimmer und haben super wenig Platz neben dem Bett, zur Nachbarin und zum Gang Vorhänge. Die Babys sind toujour bei den Schwestern und die Mütter werden nur gerufen, wenn sie schreien. Meine Freundin war sehr geschafft von der Geburt und sie schien das Prozedere so nicht zu stören. Ein schlechtes Gewissen wollte ich ihr nicht einreden, also habe ich nur gesagt, dass ich es mir anders wünsche und in meinem Krankenhaus ist Rooming-in glücklicherweise möglich.
Dafür dürfen in meinem Krankenhaus keine Besucher auf die Station, nicht einmal der Vater! Es gibt einen kleinen Aufenthaltsraum gleich außerhalb, dort kann man dann Besucher treffen und darf das Baby im Wagen mit rausnehmen. Nur zur Geburt sind die Väter auf der Station erlaubt, so haben wir das jedenfalls verstanden.
Am Donnerstag haben wir ein besonderes Event hier besucht, jährlich gibt es ein großes, einstündiges Feuerwerk am bzw. über dem größten Binnensee Japans, dem Biwako. Obwohl er gar nicht weit weg ist, waren wir noch nie dort – das wird sich nun vielleicht ändern, es liegt eine Bergkette im Westen, so dass das Ufer schon um 17 Uhr fast im Schatten lag, war gleich ein paar Grad kühler dort (so 30 statt 38 Grad)!
Da diese Attraktion natürlich viele Leute anzieht, angeblich 350.000 im Schnitt, die dann auch früh hinfahren, um einen guten Platz zu haben und ich nun wirklich nicht mehr lange auf der Stelle stehen kann, hatten wir uns Sitzplätze reserviert, also Karten gekauft. Es war wirklich ein schönes Schauspiel!
Unsere Kleine wachte von dem Lärm auf. Ups, darüber hatte ich mir gar keine Gedanken gemacht. Aber ich streichelte den Bauch und es fühlte sich jetzt nicht so an, dass sie sich ernsthaft erschreckt hätte. Sie kann ja auch noch keine Vorstellung davon haben und solange ich dann ruhig bin und positive Emotionen habe, denke ich nicht, dass ihr das schaden kann.
Allerdings musste ich dann an die Silvesternacht bei meinen Schwiegereltern in Berlin denken, da hatte das Geballer die ganze Nacht angehalten. Unser Plan ist, auch dies Jahr dort Silvester zu verbringen. Was für Erfahrungen habt ihr mit kleinen Babys an Silvester? Bekommen die Kleinen das mit, stecken sie es einfach weg, wenn man selbst ruhig ist oder ist es eine anstrengende Nacht für Babys?
Ah, Donnerstag war ich auch das erste Mal zur Akupunktur – wegen der Schambeinschmerzen. Ich war ja sehr gespannt, wohin die Nadeln wohl kämen… Der Akupunkteur drückte verschiedene Punkte hauptsächlich um den Fußknöchel und bat mich, meine Schmerzpunkte parallel zu drücken. Wenn eine Linderung auftrat, hatte er den richtigen Punkt und steckte eine Nadel. Tatsächlich spürt man von den Nadeln fast nichts. Von der Langzeitwirkung bin ich noch nicht ganz überzeugt, in zwei Wochen gehe ich aber noch mal hin. Früher dachte ich, dass das alles Unfug wäre, aber mittlerweile kann ich mir gut vorstellen, dass Akupunktur vielleicht auf die Faszien wirkt und dadurch Spannungen löst. Außerdem riet er mir auch mit z.B. einer kleinen Faszienrolle die Innenseite der Oberschenkel zu rollen und zu massieren, das helfe für eine gute Lage des Babys.
Gestern gab es auf dem Spielplatz gegenüber unserem Haus ein kleines Nachbarschaftsfest. Wir gingen erst abends hin, sahen zu, wie die Leute tanzten und genossen später noch Livemusik. Das war nett und so schön nah! Unten ein paar Fotos.
Heute ist hier Feiertag und wir haben den Vormittag damit verbracht noch einmal genauer durchzugehen, was wir schon kurz nach der Geburt zu tun haben:
- Meldung der Geburt beim Bezirksamt,
- Anmeldung zur Krankenversicherung,
- Antrag auf Übernahme der 30 % Selbstbeteiligung bei Arztkosten für das Kind – das wird wohl gemacht, damit Eltern nicht aus Geldnot an Arztbesuchen sparen,
- Antrag Kindergeld, das hier wesentlich geringer ist als in Deutschland.
- Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung – nach einem Flowchart in unserer Infobroschüre soll man erst zur eigenen Botschaft. Aber bei der Botschaft hieß es, dass wir nur einen Ausweis für unser Kind beantragen können, was länger dauert. Sonstige Formulare oder Bescheinigungen würden sie nicht ausstellen. Online sind keine weiteren Infos zu finden, als dass man 30 Tage nach Geburt Zeit hat. Also muss ich morgen mal beim Immigration Office anrufen.
Natürlich wollen wir dann auch einen Kinderausweis beantragen, müssen also früher oder später zur Botschaft.
Auch eine Apostille müssen wir beantragen, das ist ein Dokument, das bestätigt, dass die Geburtsurkunde auch ein echtes Dokument, ausgestellt von einer japanischen Institution, ist. Diese Apostille stellt nur das japanische Außenministerium aus. Mit dieser Apostille können wir dann eine Eintragung der Geburt in ein deutsches Geburtsregister beantragen, dann kann unsere Tochter später Geburtsregisterauszüge in Deutschland beantragen und muss das nicht mit japanischen Behörden klären.
Glücklicherweise sind Botschaft und eine Außenstelle des Außenministeriums auch in Osaka, was nur gut eine Stunde von Kyoto ist. Sonst müssten wir nach Tokio.
Heute möchte ich euch noch berichten, was Schwangere in Japan so erwartet bei den Arztbesuchen etc.
Es gibt zwar ein paar niedergelassene Gynäkologen, aber es ist durchaus üblich, für die Schwangerschaftsuntersuchungen in ein Hospital oder eine Geburtsklinik zu gehen. Man geht für die Vorsorgeuntersuchungen üblicherweise gleich dahin, wo man entbinden möchte.
Später fand ich heraus, dass es auch freiberufliche Hebammen gibt und diese die Coupons verrechnen können, aber man würde wohl immer deutlich zuzahlen.
Die üblichen Krankenkassen in Japan und damit auch unsere staatliche übernehmen übrigens keine Geburtskosten und auch keine Vorsorgeuntersuchungen. Schwangerschaft ist keine Krankheit und daher fällt das raus. Jetzt könnte man denken, dass sei der Grund, warum Japan seit Jahrzehnten so geringe Geburtsraten hat, dass die Bevölkerung so schrumpft, dass es wirklich schon zum Problem wird. Aber das wäre wahrscheinlich zu kurz gegriffen, wobei Geld sicher eine Rolle spielt. Man bezahlt übrigens auch im Krankheitsfall immer eine Selbstbeteiligung von 30 %.
Tatsächlich gibt es von den Kommunen aber eine Unterstützung für die Geburtskosten und ein Couponheft für 14 Check-ups während der Schwangerschaft und zwei Nachsorgeuntersuchungen. Ab Woche 8 geht man alle vier Wochen, ab Woche 24 alle zwei Wochen und ab Woche 36 dann wöchentlich. Bei jedem Check-up wurde hier der Ultraschall eingesetzt und vaginal untersucht. Offenbar ist hier die Scheu sich dem Arzt so enthüllt zu präsentieren so groß, dass es einen Vorhang gibt zwischen Arzt und Patientin und man sich bei der vaginalen Untersuchung nicht sieht. Oder liegt die Scheu bei den Ärzten? Ich finde den Vorhang oder vielmehr die Vorstellung, nicht zu sehen, wer an mir, was tut, so befremdlich, dass ich ihn immer aufziehe. Geht gar nicht, also der Vorhang! Ich hatte schon etwas Schiss, dass es bei der Geburt auch so einen Vorhang geben könnte, aber die Hebamme in unserem Geburtsgespräch beruhigte mich, dass es im Geburtszimmer keinen gibt.
Die Organisation der Krankenhäuser ist hier ganz interessant. Sie haben einen zentralen Administrationsbereich mit vielen Schaltern für die Tagespatienten. Ich glaube, für viele Spezialisten geht man hier direkt ins Krankenhaus, die gibt es gar nicht als niedergelassene Ärzte.
Die Erstanmeldung macht man an einem dieser Schalter und bekommt eine Patientenkarte, mit der man sich bei den Folgeterminen an einem Automaten eine Art Info-Buzzer holt. Wenn der Termin näher rückt, geht er an und es erscheint eine Nachricht a la „Bitte jetzt in der Nähe von Raum xy warten.“ Einmal waren die Ärzte so über die Zeit, dass mir über das Gerät sogar auf Englisch eine Nachricht geschickt wurde, dass ich ruhig noch Mittagessen gehen könne, ich käme erst nach einer Stunde dran, sehr praktisch. Auf Englisch wurde mir nur einmal was geschickt, inzwischen weiß ich aber wie es läuft… Übrigens sind Urinproben und Blutabnahme im Krankenhaus hier ebenfalls zentralisiert. Vor meinem Check-up beim Arzt gehe ich also in eine Abteilung für Blut- und Urinproben, zeige meinen Buzzer und bekomme dann den Becher für den Urin, bzw. eine Nummer zur Blutabnahme. In einem Raum sind dann so ca. zwölf Schalter, an denen Krankenschwestern dann Blut abnehmen. Den Urin trägt man auch durch einen immerhin separaten Flur zu einem Laborfenster.
Nach dem Arzttermin geht man dann wieder in den Eingangsbereich. Erhaltene Papiere über die Untersuchungen oder Rezepte, den Buzzer und das Couponheft weist man an einem Schalter vor, natürlich auch die Patienten- und Versicherungskarte und darf erneut warten. Wenn der Buzzer wieder tönt, kann man an einem von etwa acht Automaten zahlen. Oder, falls der Coupon alles abgedeckt hat, wird man an den Schalter gerufen und bekommt die nötigen Papiere für den nächsten Besuch.
Papiere sind hier überhaupt noch sehr wichtig. Alles Mögliche wird einem ausgedruckt und mitgegeben: Der nächste Termin, eine Rechnung und eine genauere Aufschlüsselung der Rechnung. Hinter all diesen Schaltern arbeiten so viele Leute – ich kann nicht beurteilen, ob dieses Prozedere effizient ist. Vielleicht arbeitet von euch jemand im Krankenhaus oder bei einer Krankenkasse und kann mal kommentieren, wie das in Deutschland abläuft?
In Deutschland bekommt man diese Prozesse ja nicht mit, weil sie an unterschiedlichen Stellen und eben nicht offensichtlich ablaufen.
Alle paar Monate schickt dann die Krankenkasse noch eine Übersicht über sämtliche Arztkosten ins Haus, adressiert an den Ehemann. – Ja, auch daran musste ich mich gewöhnen, der Head of Household ist hier noch sehr wichtig. In Sachen Gleichberechtigung ist Japan nicht fortschrittlich.
Ich wollte eigentlich noch mehr schreiben, über den Mutterpass und so, aber das schiebe ich der Länge halber auf nächste Woche.
Morgen ist mein nächster Termin im Krankenhaus und ab nun muss ich wöchentlich hin … Der Geburtstermin rückt näher.
Herzliche Grüße aus Kyoto und eine nicht so heiße Woche wie hier wünscht euch
Silke