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Tagebücher aus der Schwangerschaft von Helena

Eine neue wunderbare, aufregende und vielleicht auch lang erwartete Lebenszeit beginnt. Für unsere Tagebücher-Blogs haben wir immer 3-4 schwangere Frauen in unterschiedlicher Schwangerschaftsphase, die in freudiger Erwartung über jede Woche dieser spannenden Zeit schreiben, uns und die vielen tausend Follower:innen daran teilhaben lassen und damit unvergessliche Momente schaffen.

0. Schwangerschaftswoche

Das Jahr der 30

Die Feiertage, Silvester und 2017 liegen hinter uns. 2018 und die erste ICSI liegen vor uns.

Es war muckelig in good old Berlin. Die Feiertage waren ausgefüllt mit viel Essen, Treffen mit Verwandten und Familie, Treffen mit Freunden und Bekannten, hier ein Gospelkonzert, dort ein Kirchenbesuch – das volle Weihnachtsprogramm eben. Früher war es irgendwie besinnlicher, es war leiser und beschaulicher. Wir kamen an den Feiertagen zur Ruhe. Bedingt durch den Umzug und durch die Dreiteilung unserer Familien ist Weihnachten inzwischen zu einer wahren Terminhölle geworden: am Heiligen Abend bei Familie A; am 1. Feiertag zur Familie B, dann schnell nach Hause denn der Rest der Familie A kommt zum Nachmittagskaffee; am 2. Feiertag zur Familie C und nach den Feiertagen noch schnell ein paar Freunde besuchen. Ich mag den Trubel und die weihnachtliche Hektik. Dennoch haben wir uns geschworen, das erste Weihnachten zu dritt verbringen wir bei uns zu Hause und laden die Familien ein. Wer kommt, der kommt und wer nicht kommt, muss Weihnachten auf uns verzichten.

Am 28. sind wir in aller Frühe gen Norden aufgebrochen, denn am Nachmittag stand ein wichtiges Bewerbungsgespräch an. Mit den Unkenrufen meines Vaters im Ohr („Die Autobahn wird die Hölle sein!“, „Feiertagsstau“, „Alle fahren heute zurück!“) düsten wir letztlich über eine herrlich freie Autobahn nach Hause. Im Ernst, ich habe noch nie so eine entspannte Fahrt erlebt, streckenweise war weit und breit kein einziges Auto in Sicht und wir schwebten förmlich über den grauen Asphalt.

Das Bewerbungsgespräch lief wunderbar. Schon als ich das rote Klinkersteingebäude mit seinen weißen Sprossenfenstern sah, wie es dort so majestätisch am Hafen stand, wollte ich dort arbeiten. Ich sah mich schon in den Mittagspausen am Kai spazieren, im Hafen in der Sonne sitzen und von meinem Bürofenster aus das Glitzern der Wellen beobachten.
Als ich meine potentiell zukünftigen Arbeitskollegen traf, wollte ich noch unbedingter dort arbeiten. Ich quasselte also drauflos und vom Adrenalin aufgeputscht vibrierte ich anschließend nach Hause, um quälend lange 10 Tage auf deren Entscheidung zu warten. Und siehe da! Es hat geklappt, ab nächster Woche habe ich einen neuen Job! Juchhuuuuu!

Zwischen dem Vorstellungsgespräch und der Wartezeit lag glücklicherweise Silvester – Ablenkung war also garantiert. Ich bin seit jeher kein Silvesterfan. Ich finde Silvester in der Tat langweilig und überflüssig, man gibt zu viel Geld für Schnickschnack aus, hält sich gezwungenermaßen bis Mitternacht wach und eine komische Anspannung flirrt durch den ganzen Tag: wir sind jetzt lustig und heiter und haben gefälligst einen tollen aufregenden Abend, es ist schließlich Silvester, der letzte Abend im alten Jahr! Am nächsten Tag wacht man verkatert auf, watet in der heimeligen Wohnung durch verstreute Luftschlangen und Partyhütchen, quält sich durch die Reste des gestrigen Raclettes, versucht labbrigen Berlinern noch einmal etwas abzugewinnen und kratzt die Ruß-, Blei- und Kerzenreste vom Esstisch. Draußen watet man durch vom Regen aufgequollene Raketenreste, die Bürgersteige sind vom Pulver der Böller und Knaller verfärbt und man trifft auf irgendwelche Irrsinnigen, die herumrennen und die fehlgeschlagenen Feuerwerke einsammeln und nochmal zünden. Sowas brauch ich nicht.

An diesem Silvester haben uns gute Freunde aus Berlin mit ihrem 2-jährigem Kind besucht. Es war schön und schaurig zu gleich. Schön war die Zeit mit den Eltern, wir haben Gesellschaftsspiele gespielt, uns unterhalten, zusammen gekocht - was man halt so macht. Schaurig war irgendwie die Zeit mit dem Kind, also nicht die ganze Zeit und nicht immer, aber Himmel, es war so anstrengend! Eisenbahn spielen dort, Buch vorlesen da, das Puzzle und die Puzzleteile lagen in der Wohnung zerstreut, Flaschen und Gläser mit Wasser standen auf jeder freien Fläche (damit das Kind in jedem Zimmer unverzüglich was trinken kann, sofern es denn Durst hat), Wurst ohne Wurstpelle lag auf dem Sofa, Apfelspalten auf dem Boden (damit das Kind jederzeit etwas essen kann und nicht vom Fleisch fällt, sofern es denn Hunger hat), Sabber- und Schnodderflecken auf den Kissen und an der Wand (?) und jeden Abend flüstern und auf Zehenspitzen umherschleichen, bis das gute Kind endlich schläft (wobei das natürlich alle 30 Minuten kontrolliert werden muss, wäre ja nicht auszudenken es würde aufwachen und hmmm, nun ja, da wäre erstmals nichts und es müsste sich bemerkbar machen).
Ich war jedenfalls ein kleines bisschen froh, als ich die Tür hinter ihnen zumachen konnte und alle drei fröhlich von dannen gefahren sind. Froh darüber, meine Zeit jetzt nicht einem kleinen Kind zu widmen, sondern auf dem Sofa zu faulenzen und mich zu erholen. Klingt irgendwie böse und einer Kinderwunschkandidatin nicht würdig, aber manchmal darf man auch glücklich darüber sein, noch kein eigenes Kind zu haben, oder?

Direkt nach Silvester hatte ich meinen ersten Termin bei unserer Klinik. Ultraschall und Blutabnahme standen auf der Agenda. Alles gut, alles unauffällig und los ging es mit den Spritzen. Mit einem Wust aus rosafarbenen Rezepten stiefelte ich in die nächste Apotheke und kam um 500 € ärmer und um eine Riesentüte reicher, gefüllt mit allerlei schönen Medikamenten, wieder heraus. Jeden Abend spritze ich seither 125 Einheiten (während der Inseminationen waren es 50 Einheiten) und nehme morgens und abends einen Hub des Nasensprays.
Das Spritzen ist wieder problemlos: Nadel auf den Pen schrauben, oben an der Kappe des Pens die Einheiten einstellen und zack, in die Bauchdecke damit. Nebenwirkungen habe ich bisher keine, nichts, kein ziepen, kein drücken, keine Stimmungsschwankungen – herrlich, so darf es bleiben.
Diese Woche gab es zwei Kontrolluntersuchungen und siehe da: 10 – 12 Eibläschen sind zu sehen! 5-6 auf jeder Seite. Dafür, dass die Klinik insgesamt eher 6-8 Eizellen angestrebt hatte, ist das doch ein schönes Ergebnis und lässt mich hoffen, dass wir vielleicht ein paar Eizellen einfrieren können.
Am kommenden Montag gibt es den letzten Ultraschall und dann soll ich an diesem Tag mit einer weiteren Spritze den Eisprung auslösen und die übrigen Medikamente einstellen.
Wenn alles gut klappt, ist dann am Mittwoch schon die Eizellentnahme und am Freitag der Embryonentransfer! Wuahhh, in einer Woche bin ich quasi schon Pseudoschwanger, halbschwanger, Möchte-gern-schwanger, 30% schwanger?!

Die Zeit ist so schnell vergangen und plötzlich steht man kurz davor. Ich habe in den vergangenen Wochen tatsächlich eine Veränderung bemerkt und gespürt, der Kinderwunsch ist natürlich immer noch da und er besteht. Aber er hat sich sehr verändert. Er ist irgendwie zur Nebensache geworden, obwohl er mehr im Fokus steht als jemals zuvor. So viele Arzttermine, Medikamente und Zeitaufwand nur um ihn endlich in Erfüllung gehen zu lassen und trotzdem läuft er nebenher. Während mir vor einigen Monaten dieser jetzige Versuch noch Angst einjagte und ich wirklich Skrupel hatte, diesen Schritt zu gehen, sind diese Bedenken jetzt wie weggeblasen. Ich blicke durchweg positiv auf die kommende Zeit und auch die 30% Erfolgschance ist nur eine Zahl und ängstigt mich nicht (mehr).
Ich weiß nicht wirklich, woran das liegt.

Es gab in den letzten Wochen nur einen kleinen Moment, der diese Schatten der letzten Monate wiedererscheinen ließ. In unserem Freundeskreis haben fast alle Paare bereits ein Kind, jedenfalls die Paare, mit dem Wunsch nach einem. Eigentlich hatten wir alle ungefähr zeitgleich mit dem Kinderwunsch begonnen und bei einigen erfüllte er sich sofort, bei einigen innerhalb der nächsten 1,5 Jahre. Übrig geblieben sind wir. Und das hat mir den Druck genommen. Ich stand außen vor, hatte keine Konkurrenz mehr. Alle hatten ihr Baby oder zumindest einen positiven Test in der Hand. Es ist ein bisschen wie früher, als die erste Freundin im Freundkreis einen Freund hatte und plötzlich alle einen wollten und man hoffte, dass man nicht übrigbleiben würde, der einzige Single unter Paaren. Man baut sich Druck auf, man vergleicht, man wünscht sich so zu sein bzw. das zu haben, was alle haben. Jetzt hatten alle ein Kind und ich war alleine mit meinem Kinderwunsch. Das war schön und hat mir gutgetan, diese ewige Angst vor dem nächsten positiven Schwangerschaftstest von außerhalb war weg.
Und jetzt fängt es wieder an. Zwei Freundinnen erzählten mir, dass sie sich jetzt das zweite Kind wünschen und zack, plötzlich warf diese Angst und dieser „Vergleich Druck“ wieder seine Schatten voraus. Mir war danach zu rufen: Halt! Erstmal bin ich dran, erstmal will ich schwanger werden und ein Kind kriegen, ihr seid erst nach mir dran. Ihr habt schon ein Kind, lasst mir den Vortritt! Das ist albern, ich weiß. Albern und doch irgendwie menschlich, oder?

Ich berichte nächste Woche und wünsche auch bis dahin alles Gute
Helena



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Kommentare von Lesern:

Gast15.01.2018 19:08

Hallo Helena,

also ich finde deine Gedanken ganz normal. Auch als Kinderwunschkandidatin darf man froh sein, wenn das Besucherkind wieder in Richtung Heimat unterwegs ist

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