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Tagebücher aus der Schwangerschaft von Mira

Eine neue wunderbare, aufregende und vielleicht auch lang erwartete Lebenszeit beginnt. Für unsere Tagebücher-Blogs haben wir immer 3-4 schwangere Frauen in unterschiedlicher Schwangerschaftsphase, die in freudiger Erwartung über jede Woche dieser spannenden Zeit schreiben, uns und die vielen tausend Follower:innen daran teilhaben lassen und damit unvergessliche Momente schaffen.

20. Schwangerschaftswoche

NOCH SCHLÄGT IHR HERZ

Endlich kenne ich die Ursache für ihren Hydrops. Und ich bin im Krankenhaus und kann mich für oder gegen nichts entscheiden.

Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.

Ich kenne jetzt die Ursache für den Hydrops von meinem Mädchen: Es ist das Noonan-Syndrom, eine Genmutation des PTPN11 auf dem 12. Chromosom. Es kann vererbt oder eine Neumutation sein. Der Kindsvater und ich lassen uns jetzt testen. Sollte einer von uns es ihr vererbt haben, liegt die Wahrscheinlichkeit, es wieder zu vererben bei 50%.

Das Noonan hat ein sehr breites Symptomspektrum. Es betrifft ein Wachstumsgen, deshalb kann alles beeinträchtigt sein: Größe, geistige Entwicklung, Körperverformungen und jede Art von Organschäden. Manche haben ein tragisch-schweres Krankheitsbild. Aber es gibt auch so milde Ausprägungen, dass man es nie diagnostiziert. Deshalb könnte ja sogar ich es haben, theoretisch jeder.

Das alles ist nicht einmal das akute Problem, sondern der Hydrops. Niemand denkt, dass mein Mädchen die Schwangerschaft überlebt aufgrund der Wasseransammlungen. Die Prognose lautet immer: Wir reden von Wochen, nicht mehr.

Dienstag bin ich zusammen gebrochen. Ich hatte immer weniger geschlafen, immer mehr an Kraft verloren. Dann wurde meine körperliche Verfassung schlechter: Kreislaufzusammenbruch, Übelkeit, Bauchkrämpfe, Atemnot, ein schmerzhafter Druck auf der Brust, also bin ich stationär im Universitätsklinikum aufgenommen worden. Von hier aus schreibe euch diese Zeilen.

Die ersten Nächte hatte ich eine Form des "Restless Leg Syndrom". Ich konnte nicht still liegen, sofort hat mein ganzer Körper geschmerzt. Besonders der linke Arm fühlte sich komplett taub an, als würde ich ihn verlieren. Organisch liegt keine Ursache vor, alles wurde untersucht, es hat trotz Beruhigungsmitteln nicht aufgehört. Es erschreckt mich, dass eine psychische Belastung so tief greifen kann, dass sie reale, körperliche und starke Schmerzen auslöst. In der zweiten Nacht war es mein linkes Bein, aber schwächer.

Ich fühle mich hier sehr gut versorgt und bin inzwischen wieder mehr zu Kräften gekommen.

Bereits vor der Aufnahme hatte ich mit zwei Frauenärztinnen, einer Ärztin vom Pränatalzentrum, einer Hebamme, meiner Psychologin, einer Humangenetikerin und einer Oberärztin gesprochen. In den letzten drei Tagen kamen zwei Oberärztinnen, eine Stationsärztin, eine Humangenetikerin, zwei Psychologinnen und eine Hebamme dazu. Ich habe keine Zweitmeinung eingeholt, sondern bin inzwischen bei der Zehntmeinung.

Niemand schenkt mir Hoffnung.

Die Frage lautet bloß: Warte ich die Wochen ab, bis sie von selbst verstirbt? Oder leite ich hier die Geburt ein, an der sie versterben wird?

Ich denke nur an Sie. Denke, ich darf ihr keine Lebenszeit nehmen. Alle anderen bitten mich, mich selbst nicht zu vergessen. Zu sehen, dass auch ich bereits körperlich und emotional über meine Grenzen bin. Zu überlegen, ob mich ein weiteres Warten - wochenlang jeden Tag auf ihren Herzstillstand - nicht immer weiter auflöst. So dass keine Kraft mehr übrig bleibt, mich auf der anderen Seite wieder aufzubauen.

Ich weiß, was die "vernünftige" Entscheidung ist, aber mein Herz steht nicht dahinter. Deshalb habe ich noch Luft, niemand drängt mich hier zu irgend etwas. Ich weiss nicht, ob ich jemals entschieden genug für den Schritt sein werde, sie geplant gehen zu lassen. Ich sehe und spüre aber auch an mir die Gefahr, was diese extreme Belastung mit mir macht, je länger ich diesen Zustand aushalte.

Wenn ich versuche, mit ihr zu reden, brech ich unter Tränen ein. Deshalb streichel ich sie nur. Ich sehe im Ultraschall, wie sehr ihr kleiner Körper durch das Wasser bedrängt wird. Ich sehe aber auch ihre wundervollen kleinen Hände und Finger. Kleine Finger, die meine nie umschliessen werden. Ihre Bewegungen. Und dass sie immer, immer, immer - bei jedem Ultraschall - im Schneidersitz sitzt. Was besonders bezaubernd ist, denn unter ihr ist nur Wasser. Das macht ihre orientalische Herkunft, da bin ich mir sicher.

Parallel organisiere ich mit Unterstützung eines Freundes ihre Seebestattung. Und meine beste Freundin, die bei der Geburt da sein sollte, kam Donnerstag her geflogen und bleibt über's Wochenende.

Ich lese und schätze jeden Kommentar. Ich hoffe ihr versteht, dass mir im Moment die Kraft fehlt, einzeln auf jeden einzugehen. Auch wenn sie es alle verdient haben.

Ich habe es auch versäumt, die CD zu erwähnen, die mir von der lieben Anke von kidsgo zugesendet wurde. Eine Sammlung von Lullaby-Liedern aus der ganzen Welt. Über die ich mich leider nicht lange freuen durfte, denn sie erreichte mich kurz vor der schlechten Diagnose. Trotzdem danke ich euch ganz herzlich dafür!

Eure Mira mit Babygirl im Bauch, am Tiefpunkt, am Ende und noch ein Stück darüber hinaus...



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Kommentare von Lesern:

Miriam aus Hannover 25.09.2021 22:53

Ich habe genau das selbe erlebt. Ich musste meine kleine in der 28 Woche gehen lassen. Sie hatte auch das no syndrom.

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Gast30.01.2018 11:15

Liebe Mira ich werde weiter jeden Tag an euch denken dir ganz viel Kraft wünschen und dich in Gedanken umarmen.

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Anja29.01.2018 20:09

Ich denke an dich und wünsche dir sämtliche Kraft, um diese schwere Zeit irgendwie zu überstehen!

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Vanessa29.01.2018 13:00

möchte, dann tu das! Genieß jeden Tag.
Wenn es für dich aber nicht mehr erträglich ist, dann zieh die Reißleine. Deine Kleine hat die tollste Mama der Welt, die ihr, so lange es ging, eine schöne Zeit im warmen, kuschligen Bauch ermöglicht hat.
Oder du setzt auch dir/euch eine Frist. Wie lange ist es für dich noch vertretbar durchzuhalten?

So oder so wird es wahrscheinlich wenn es vorbei ist für dich am Schlimmsten sein. Die Idee mit der Seebestattung finde ich toll. Und bestimmt findest du auch einen wunderschönen Namen für dein Mädchen.
Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft und denke jeden Tag an euch!

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Vanessa29.01.2018 12:59

Liebe Mira,
deine Einträge rühren mich eine weitere Woche zu Tränen... Du bist so stark. Deine Kleine kann soooo stolz auf ihre Mama sein!
Ich möchte mich gern noch einmal zu Wort melden, um dir zu sagen, was mir damals geholfen hat. Wie gesagt, meine Geschichte ist rein gar nix gegen das was du durch machst, aber in einem Punkt haben wir eine Gemeinsamkeit. Für meine SS sah es von Anfang an, aufgrund der langsamen Entwicklung nicht gut aus. Darauf konnte und musste ich mich einstellen. Von Anfang an hat mein FA mir gesagt, ich KANN wenn ich möchte, dies jederzeit beenden. Am Tag meiner letzten Untersuchung in der 11. SSW sagte er mir, dass nun seit 3 Wochen keine Entwicklung stattgefunden hat, und man nun, auch um das gesundheitliche Risiko für mich vertretbar zu halten, die SS beenden soll. Ich solle bitte schnellstmöglich ins KH. Und auch wenn ich vom Kopf wusste, dass diese Entscheidung vernünftig ist (sowohl körperlich und bis zu einem gewissen Grad auch psychisch) konnte ich es nicht. Ich bat um Bedenkzeit und fuhr zur Voruntersuchung, Blutbild, Narkoseaufklärung etc. ins KH um dieses schon "abgehakt" zu haben. Wir besprachen, dass ich noch 1 Woche warten darf, aber bei Blutungen oder Fieber etc. SOFORT ins KH muss, um eine Ausschabung vornehmen zu lassen. 2 Tage vor Ende meiner Galgenfrist bekam ich leichte Blutungen und mein Baby ging von alleine.
Für diese Zeit bin ich heute noch sehr dankbar. ICH musste keine Entscheidung treffen. Mein Körper und mein Baby haben von sich aus entschieden, wann unser gemeinsamer Weg zu Ende ist. Auch wenn es schwer war, war es für mich in Ordnung.
Ich möchte jetzt nicht sagen, dass dies auch dein Weg ist.
Für mich war es gut und ich weiß nicht, ob ich mir nicht irgendwann einmal Vorwürfe gemacht hätte und die berühmte Frage "was wäre wenn...!?" im Raum gestanden hätte.

Sicherlich ist dies nicht mir dir zu vergleichen. Hör auch du auf dein Herz und deinen Bauch! Wenn es für dich ok ist, zu w

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Stephanie29.01.2018 09:43

Mir fehlen die Worte.
An dieser Stelle schicke ich dir "einfach" eine ganz liebevolle virtuelle Umarmung.
Kinder sind ein Geschenk. Auch deine Tochter ist ein Geschenk. Sie bleibt immer dein kleines, süßes Mädchen. Du als ihre Mama wirst sie begleiten und immer lieben.
Ich wünsche dir weiterhin ganz viel Kraft. Du machst das ganz großartig.
LG

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Jana, Hamburg29.01.2018 09:11

Liebe Mira,
ich weiß nicht, was ich sagen soll, wie ich Dir Mut machen könnte, alles würde so banal klingen...
Danke, dass Du uns teilhaben lässt. Ich hoffe und wünsche, dass Du auch durch das Schreiben hier die Kraft findest, damit es Dir wieder besser geht!
Ich denke an Dich und Dein Babygirl

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