Die ersten Unterschiede unserer Zwillinge treten deutlich zu Tage. Darüber hinaus ist es nie gut einem Jungvater Koffein vorzuenthalten.
Unsere Woche begann hektisch. Der Montagmorgen war voller Stresspartikelchen in unserem Familienkosmos. Und Schuld daran waren die beginnenden Herbstferien. Das veränderte unseren Ablauf- und Zeitrhythmus. Unsere großen Kinder sollten in den Ferienhort, der nur später beginnt. Der Unterricht meiner Frau nur leider nicht. So standen wir schon früh in einem noch engeren zeitlichen Ablauf. Außerdem musste ich an so einem kühlen feuchten Morgen noch daran denken die richtige Brotdose zu füllen. Während der Ferienzeit wechselt die Anforderung an die Eltern. Da will die Kita plötzlich ein kleines Frühstück und die Schule nicht. Zum Glück haben wir nun Zwillinge, sonst hätten wir noch vier verschiedene Anforderungen und mir müsste das programmierte Küchentablet mitteilen, was ich wann machen muss. So kann ich noch abseits der Technik meinen Kopf anstrengen.
Polly und Lysanne machen montags immer prima mit. Den ganzen Vormittag auf kleinem Raum in fremder Umgebung und kaum große Beschwerden, höchstens mal der Hinweis auf eine volle Windel. Ich finde das großartig. Und sie haben an diesem Tag auch danach noch nicht ihre Ruhe. Nachdem wir nach der Rückfahrt eine Mittagspause eingelegt haben, folgen wir zu sechst der Einladung unserer Nachbarn zu Kaffee und Kuchen. Eine nette Runde und aufregend für unsere zwei Kleinsten, die immer mehr von ihrer Umgebung wahr- und mitnehmen. Dabei stellen wir seit einiger Zeit fest, dass Lysanne Fremden gegenüber wesentlich zurückhaltender ist und sie ernster betrachtet als ihre kleine Schwester. Während Lysanne zu Hause das große Wort in ihrem Wohnzimmergehege führt und auch nachts, im großen Babybett lang und breit erzählen kann, ist sie gegenüber Fremden eher ruhig, zurückhaltend und ernst, während Polly viel eher Kontakt aufnimmt, gluckst und öfter lächelt.
Unser Montag endete viel später als gedacht und nach einem eiligen Abendessen, dürfen die Kinder zu Bett, außer der Große. Privilegien müssen sein. Immerhin hat er es auch schwerer als seine Geschwister gehabt. So musste er es sechs lange Jahre allein mit seinen Eltern aushalten, während sich seine Geschwister von Anfang an untereinander unterstützen können.
Der Folgetag beginnt zeitlich entspannter, ehe ich die Zwillinge übernehme und sie mir genügend Zeit für etwas Haushalt lassen. Offensichtlich sind sie vom Vortag noch so mitgenommen, dass sie mehr als gewohnt schlafen. Zwar tun sie das meist nicht zusammen, doch ich tricks ein wenig. Wenn Polly müde genug ist und doch nicht einschlafen mag, dann wippe, schunkle und halte ich sie ein wenig. Das birgt zwar das Risiko, dass sich ihre Schwester über die vermeintliche Bevorzugung lauthals beschwert, hat jedoch den Vorteil, dass Polly womöglich einschläft, ehe sie das Schimpfen ihrer Schwester daran stört. Sobald die Kleine dann sich in Morpheus Armen liegt, nehme ich ihre kaum ältere Schwester in den Ergobaby und kann im Haushalt wirbeln. Nur bei Tätigkeiten, bei denen ich mich nach vorne beuge muss ich aufpassen. Da lässt der Tragesack mehr Spiel als ein Tuch. Diesmal gelingt mir dadurch der ganz große Wurf. Neben zweimaliger Wäsche, glänzt neben dem Geschirr, auch noch das ganze Haus. Dafür schwitze ich danach gut. Alles fehlende Fitness.
Neben den alltäglich geplanten Aufgaben, kommen dann spontan noch neue hinzu. Unser Auto macht neue Geräusche. Soweit ich weiß, ist das meist nie der Hinweis auf ein neu installiertes Tool und so lasse ich einen großen Automobilclub mal nachschauen. Überraschenderweise wird mir eine sensible Ader bescheinigt, da die erfahrene Dame nichts feststellen kann. Vielleicht sollte ich jetzt an mir Zweifeln? Den Hinweis, einfach weiter zu fahren, bis etwas abfällt, finde ich zwar kurz amüsant, mit meinen Kindern im Auto, aber nicht beruhigend. So muss wohl noch eine Werkstatt her. Doch zuvor haben wir noch weitere Pläne, die wir umsetzen möchten.
Zuvor bringe ich meinen Sohn noch zum Sport und er beschwert sich etwas, dass dies so gar keine richtigen Ferien seien, wenn er jetzt noch trainieren solle. So schlendern wir nach dem Training noch in Richtung Supermarkt und trotz anfänglichen Widerwillens hatte er richtigen Spaß und belohnt wird er im großen bunten Lebensmittelhäuschen auch noch. So kommen nun doch noch Feriengefühle auf. Damit diese nicht überhand nehmen, frage ich ihn, ob er die nächsten Tage zur Kartoffelernte aufs Feld möchte. Sein Blick unbezahlbar. Zwischen Entsetzen, Empörung und der innerlichen Frage, ob sein Vater jetzt völlig den Verstand verloren hat. Nach kurzem Überwinden des Schocks, kommt seine Antwort mit einem klaren und deutlichen ‚Nein‘. Dem folgt ein: ‚Wie ich denn darauf käme?‘. Ganz einfach erkläre ich ihm, früher waren die Herbstferien dazu bestimmt, dass die Kinder bei der Kartoffelernte helfen konnten und die Sommerferien dafür, dass die Kinder auch dort bei der Ernte halfen, von morgens bis abends. So erklärte er mir, dass er ganz froh sei, in der heutigen Zeit zu leben. Zum Glück hat er nicht gefragt, wie ich so meine Ferien verbracht habe.
Für einen unserer Pläne arbeite ich dann abends noch. Ich brauche für das Wochenende eine Unterkunft und eine Fahrkarte an die Küste. Wir haben beschlossen, dass ich einige Aufgaben effizienter allein erledigen kann und nun auch soll. So steht mir ein Arbeitswochenende am Meer bevor, ohne meine Familie. Das macht bei mir schon ein komisches Gefühl. Eine Mischung aus Vorfreude aufs Meer und ruhigen Nächte, mit dem Ziel von nahenden Erfolgserlebnissen und einem unbestimmt unguten Gefühl in der Magengegend, welches sich, je näher das Wochenende kommt, verstärkt. So lasse ich meine Frau doch mit allen Kindern ganz allein. Sobald ich ansetze, sie doch lieber unterstützen zu wollen, wird sie energisch. Ich denke, dass liegt auch daran, dass sie eine Kindheitsfreundin und deren Sohn übers Wochenende erwartet und beide Frauen womöglich glücklich sein könnten, mal ohne ihre Männer Zeit miteinander zu verbringen? Doch zuvor muss ich noch einiges vorbereiten und nerviger Weise mehrmals mit dem Veranstalter und Vermieter der Ferienwohnung kommunizieren, da der Internetanbieter nicht alles weiter geleitet hat.
Währenddessen hat meine Frau meinen letzten Bericht bei kidsgo gelesen und mir klar gemacht, dass es keine weiteren Kinder geben wird. Also kein Schwangerschaftstagebuch auf kidsgo mehr ;-). Es bleibt ja noch das Lesen anderer Berichte. Als einen der Gründe für die abgeschlossene Familienplanung nennt sie die Nächte. Es stimmt, wir stecken die unterbrochenen Nächte nicht mehr so gut weg, wie vor zehn Jahren. Das liegt zum einen bestimmt am Alter, zum anderen auch daran, dass wir zwei größere Kinder haben, die tagsüber unserer Aufmerksamkeit und Hingabe bedürfen. So bleibt weniger Zeit für eigene Pausen.
Dazu kommen auch die unterschiedlichen Bedürfnisse unseres Nachwuchses. Lysanne ist ein Baby, die ganz klare Abläufe und Strukturen braucht. Ähnlich wie unser Großer und doch verschieden. Wenn es nach der Kleinen geht, können wir die Uhr nach ihren Bedürfnissen nach Essen, Schlaf und Beschäftigung stellen. Sie irritiert es schon, dass ihre Mama zu unterschiedlichen Tageszeiten zur Arbeit geht und wieder kommt. Polly ist da genügsamer, flexibler und hat dann doch ganz andere Wünsche. Welche sie natürlich weiterhin zurückhaltend äußert. Da wir unsere Kinder schon auch einzeln wahrnehmen und individuell für sie da sein wollen, sind dann vier auch genügend. Und doch ploppt gerade vor mir ein Bild auf, mit einem kleinen Bauernhof und einem fünften Kind. Es dürfte dann der geschlossene Kreis, also ein Junge sein. Doch nun ist gut damit. Immerhin habe ich im Sommer ja gemerkt, was passiert, wenn ich mit meinem Sohn tobe.
Zur Mitte der Woche bekommen wir Besuch von einem lieben Freund aus Frankfurt/Main. Unsere großen Kinder möchten am liebsten gleich wieder ein Gegenbesuch in der hessischen Metropole vereinbaren, was ihnen aber nicht gelingen will. Um ihm Berlin schmackhaft zu machen ziehen wir dann abends zum Koreaner, um uns später ich einer amerikanischen 60ziger Jahre Kneipe wieder zu finden. Mit dem letzten Linienbus fährt er dann zu seiner Nachtunterkunft. Gern hätten auch wir ihn beherbergt, doch aus einem breiten Potpourri an Übernachtungsmöglichkeiten, hat er sich für das ruhigste entschieden.
Am kommenden Tag wacht Polly mit Schnupfen auf. Nur eben nicht so richtig am Tag, sondern eher, kurz bevor der Tag beginnt. Nach einem vorsichtigen Nase absaugen und einem großen Schluck Muttermilch geht es nun holprig weiter durch den Rest der Nacht. Sofort frage ich meine Frau, ob ich lieber bleiben soll und bekomme ein Go. Vielleicht sollte mir das ja zu denken geben, aber möglicherweise bin ich an dieser Stelle auch zu wenig feinfühlig. So bricht mein letzter Tag in Berlin an, der mit einer Führung in einem großen Fernseh- und Radiosender für unseren Sohn beginnt. Da nicht nur Mütter, sondern auch Väter davon ausgeschlossen sind, bestelle ich mir im nahen Café einen Kaffee, einen Latte Macchiato. Der Barista stellt mir gestresst ein Glas geschäumte Milch hin. Kurz bin ich baff. Will er wirklich einen übermüdeten Jungvater im fortgeschrittenen Alter mit warmer Milch abspeisen? Ja, er will. Auf meinen Einwand, dass die Färbung den Espresso vermissen würde, bekam ich eine typische Antwort für meine Heimatstadt, ‚Is drin, sieht man nur nich.‘. Ja klar. Kurz darauf war er drin und wir wohl miteinander fertig. Nach dem Kaffee entdeckte ich dann noch ein kleines Geschäft, mit liebevoll zusammengestellten Kleinigkeiten, zur Freude des Gaumens. Der Besitzer nahm sich viel Zeit mir so manche italienische, französische und spanische Spezialität zu erläutern. Wir hätten uns durch die gesamte Welt der Geschmackssinne reisen und uns an ihnen berauschen können. Doch nun drängte die Zeit. Alsbald empfing ich meinen Sohn, der viele neue Eindrücke und Erlebnisse mitbrachte und mir gern davon erzählte. So fuhren wir zwei nach Hause, bevor wir all seine Schwestern übernahmen und seine Mama in Richtung Arbeit verabschiedeten.
Dann war es soweit. Der Abschied nahte und mein Zug fuhr los. Es ist schon ein komisches Gefühl gewesen. Mein Zielort empfing mich mit einem grauen Schleier aus einem blickdichten Wolken-, Dunstmix, inklusive anständigem Nieselregen, welcher sich gelegentlich dazu herabließ in einen vollständigen überzugehen. Nach einem kurzen Einkauf und einen Blick aufs aufgewühlte Meer, richtete ich mich ein und baute meinen Laptop auf.
Vermisst habe ich meine Familie auf jeden Fall und da hilft dann das Telefon auch wenig. Nach unserem abendlichen Kontakt, hatte ich aber ein gutes Gefühl und begann mit meinen Aufgaben. Das Wetter spielte auf jeden Fall mit. Neben einem Strandspaziergang, welcher recht zerzaust endete, kam am Folgetag neben dem Wind noch ein anständiger Sturm hinzu. So dass es ganz gut war, dass ich nicht am Sonntag nach Hause fahren wollte. Unsere Planung hatte den Montag auserkoren. Glücklicherweise war dann auch wieder die Strecke frei.
Was sich am Montag noch zutrug, wie der Schnupfen um sich griff und weshalb wir alle müde waren, kommt dann in der 28. Woche.
Bis dahin alles Gute,
euer Daniel
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