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Baby-Tagebücher von Marisa

Hautnah. Intensiv. Liebenswert. Folgt hier den Babytagebuch-Bloger:innen und erlebt regelmäßig, wenn frischgebackene Mütter und Väter ihr Leben mit euch teilen. Jede Woche lassen sie euch an ihrer neuen Lebenszeit mit Baby teilhaben und geben ganz persönliche Einblicke: Was hat der Sprössling diese Woche Tolles gelernt? Wie geht es den jungen Eltern mit dem kleinen Knirps? Welche Herausforderungen begegnen den Neu-Mamas und Neu-Papas mit ihrem Neugeborenen? In den Baby-Tagebüchern seid ihr live dabei, von ersten Arztbesuchen bis zu holprigen Gehversuchen. Ob liebenswert chaotisch oder rührend besinnlich: Immer erhaltet ihr einen unverfälschten, authentischen und persönlichen Einblick in das aufregende Leben einer Jungfamilie.

47. Woche

Familie ohne Trauschein

Allerdings fördert die Politik die Institution der Ehe, nicht die Familie – und das nervt gewaltig!

Ich bin in Bremen, nippe an meinem Cocktail mit Gurke und halte eine Brandrede gegen die Ehe. Wir feiern Junggesellinnenabschied. Ich bin dagegen. Nicht, weil ich meine Freundin nicht heiraten lassen will. Nicht, weil ich nicht große Partys und pompöse Zeremonien mag. Nicht, weil ich nicht an die Liebe glaube. Ich bin einfach gegen die Hintergründe. Ich finde es nicht fair, dass verheiratete Paare Privilegien erfahren, die unverheirateten verwehrt bleiben, und dass Ehe für alle noch längst nicht in den Köpfen sämtlicher Menschen Platz findet. Ich bin für die Unterstützung von Familien, nicht von Ehe. Ich bin der Meinung, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun haben sollte. Und doch ist es in Deutschland üblich, dass spätestens mit den Kindern auch die Heirat folgt. Rund drei Millionen Menschen in Deutschland leben trotzdem ohne Trauschein zusammen, davon ein Drittel mit Kindern.

Weshalb nach wie vor die Institution der Ehe und nicht die Familie als solche politische Unterstützung erfährt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Aber die Unterschrift im Zuge der Eheschließung macht vieles einfacher, und das reicht aus: Weniger Bürokratie sowie einige Vorteile, die auch mit extra Aufwand nicht erreichbar sind. So beispielsweise die Übertragung der Rentenansprüche im Todesfall oder steuerliche Entlastungen. Wer das möchte, muss heiraten! Und so protestiere ich alleine in meinem Kämmerlein und bin dagegen – wohl wissend, dass dieser stumme Protest absolut nichts verändert.

Was mich überdies besonders stört ist die kollektive Wahrnehmung von Familie. Die prototypische Kleinfamilie besteht aus Vater und Mutter, hat zwei Kinder, ein Häuschen, einen gewissen Wohlstand… Und: einen gemeinsamen Namen.

Seitdem wir Kinder haben, werde mit Tims Nachnamen angesprochen. Den tragen auch unsere Kinder, weil der einfach besser zu den gewählten Vornamen passt. Mein Name ist es nicht. Nicht falsch verstehen: Ein gemeinsamer Name ist identitätsstiftend, fühlt sich möglicherweise schön an, hat bisweilen Tradition. Aber dennoch empfinde ich die selbstverständliche Annahme Außenstehender als nicht mehr zeitgemäß.

Jeppe muss in der vergangenen Woche zu einem ärztlichen Kontrolltermin. Die Damen am Empfang haben IT-Stress. Offen machen sie ihrem Unmut Luft, die Stimmung ist angespannt. Als ich nach der Aufforderung des Platznehmens und der Verwendung des für mich falschen Nachnamens höflich auf diesen Umstand hinweise, werde ich abgekanzelt. Man könne sowas ja nicht wissen, das hätte ich zu kommunizieren. Das täte ich gerade, antworte ich leicht provozierend und die Stimmung wird frostig. Ich glaube immer noch ans Verständnis und erörtere einen alternativen Umgang mit dem Thema. Man könne ja, ohne Namensnennung, kommunizieren, schlage ich vor. „Gehen Sie doch gerne für einige Minuten mit ihrem Kind in den Warteraum, sie werden dann aufgerufen.“ Oder: „Jeppe darf dann gerne noch einen Moment in die Spieleecke, wir geben Ihnen Bescheid, wenn es weitergeht.“ Bei Begleitpersonen könnte im Rahmen des ersten Termins erfragt werden, wie diese heißen.

Aber das ist alles zu viel verlangt. Die Dame versteht partout nicht, wieso ich das überhaupt wichtig finde. Wieder einmal merke ich, wie sehr mich sprachliche Feinheiten triggern, wie wichtig mir Gleichberechtigung und Sprachsensibilität sind. Reden wir von dem Kind, oder von dem Jungen oder dem Mädchen? Ist das Mädchen eines, weil es eine bestimmte Frisur trägt? Und ist die Mutter eine, nur weil sie den richtigen Namen trägt? Was ist mit Familien und Pflegekindern? Wie sieht es bei alleinerziehenden Elternteilen aus?

Für mich ist die Ehe, und die damit einhergehende Namensthematik, ein Relikt aus einem präfeministischen, patriarchalischen Zeitalter. Insbesondere die unmittelbar vergangenen Jahrhunderte zeugen von der Unterjochung der Frau und deren einzig zugedachter Funktion in der Rolle als sorgende Ehefrau und Mutter. Die Care Arbeit innerhalb der Familie ist der Frau zugedacht. Auch 2024 leisten Frauen in Familien mit kleinen Kindern etwa dreimal mehr Sorgearbeit als der männliche Partner; dieser trägt hingegen in der Regel den Hauptanteil der Erwerbsarbeit.

Finsterstes Mittelalter also an allen Fronten. Und natürlich ist die Diskussion um den Nachnamen ein lächerlich winziger Teil. Doch gehört auch dieser Part zum großen Kampf um Gleichberechtigung, Fairness und Diskriminierungsfreiheit.

Der Gurken-Cocktail ist alle und ich habe einen Schwips. Der erste Alkohol seit langer Zeit. „Und wann heiratest du?“, fragt mich mein Gesprächspartner. Interessante Frage. Ich bin dagegen. Doch leider gibt es einige gute Gründe, die irgendwie dafür sprechen.



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In diesem Beitrag geht's um:

Hochzeit, Heirat, Ehe, Feminismus, Nachnamen, Familienpolitik, Gleichberechtigung