Handy besser nicht bei der Geburt – Babys brauchen ungeteilte Aufmerksamkeit
Ein kurzes Erinnerungsfoto von Mutter und Kind ist aus Sicht von Nicole Wieditz in Ordnung – würde es dabei dann auch bleiben. Viele versenden aber die Fotos sofort an Familie und Freunde, teilen es auf sozialen Netzwerken oder wollen per Telefon die frohe Botschaft verkünden. Die Empfänger reagieren und erwarten natürlich eine Gegenreaktion. Ein Schneeballeffekt – und schon ist die Aufmerksamkeit, die eigentlich ungeteilt dem neuen Erdenbürger gehören sollte, nach außen gerichtet.
„Den Eltern ist es gar nicht mehr bewusst, wann die Nutzung des Handys zu viel wird, da es mittlerweile selbstverständlich zum Alltag dazugehört“, erklärt Alexandra Daum, Hebamme am Kreiskrankenhaus Heppenheim an der Bergstraße. Wie auch ihre Kollegin in Darmstadt beobachtet sie den steigenden Handykonsum – nicht nur im Kreißsaal, sondern auch später auf der Station – mit großer Sorge: „Gerade die ersten Stunden und Tage nach der Geburt, wenn das Bonding stattfindet, sind für Mutter und Kind enorm bedeutend. Das Baby spürt sofort, wenn die Mutter emotional nicht voll da ist, weil sie ständig ein Auge auf das Handy wirft.“
Handy bei der Geburt: Experten warnen vor den Folgen
Auch Fachleute warnen vor den Folgen: „Alles, was eine Mutter davon ablenkt, sich ihrem Kind während der ersten Tage zu widmen, ist Gift für das sich entwickelnde Gehirn ihres Kindes und Gift für die sich entwickelnde Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind“, sagt Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther im Gespräch mit dem Tages Anzeiger aus der Schweiz. Folgen können zum Beispiel Probleme beim Stillen sein. Auch kann die mangelnde Aufmerksamkeit das Baby in Stress versetzen: Es wird unruhig, findet schlechter in den Schlaf.
Handyverbot im Kreißsaal schwer umsetzbar
Ein Handyverbot sowohl im Kreißsaal als auch auf der Station wäre die naheliegende Lösung – doch die Umsetzung erweist sich bisher als schwierig. Die beiden Hebammen Nicole Wieditz und Alexandra Daum sowie viele ihrer Kolleginnen setzen daher vor allem auf Aufklärung der werdenden Eltern.
Sie weisen bereits in ihren Geburtsvorbereitungskursen auf die negativen Folgen übermäßiger Smartphone-Nutzung hin – sowohl im Krankenhaus als auch in der Zeit danach. Hebamme Alexandra Daum: „Viele Eltern sind einfach enorm unsicher, was dieses Thema betrifft, und sogar erleichtert, wenn wir sie ein wenig von dem Druck befreien, alles sofort mitteilen zu müssen. Wir wollen daher nicht während der Geburt mit erhobenem Zeigefinger dastehen, sondern das Problem präventiv angehen.“