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Dem neuen Jahr Raum geben - Baby-Tagebücher von Antje aus Berlin

Hautnah. Intensiv. Liebenswert. Folgt hier den Babytagebuch-Bloger:innen und erlebt regelmäßig, wenn frischgebackene Mütter und Väter ihr Leben mit euch teilen. Jede Woche lassen sie euch an ihrer neuen Lebenszeit mit Baby teilhaben und geben ganz persönliche Einblicke: Was hat der Sprössling diese Woche Tolles gelernt? Wie geht es den jungen Eltern mit dem kleinen Knirps? Welche Herausforderungen begegnen den Neu-Mamas und Neu-Papas mit ihrem Neugeborenen? In den Baby-Tagebüchern seid ihr live dabei, von ersten Arztbesuchen bis zu holprigen Gehversuchen. Ob liebenswert chaotisch oder rührend besinnlich: Immer erhaltet ihr einen unverfälschten, authentischen und persönlichen Einblick in das aufregende Leben einer Jungfamilie.

50. Woche

Dem neuen Jahr Raum geben

Das neue Jahr beginnt für mich mit einem Abschied vom Elternzeitjahr.

Mittwochabend, kurz nach neun

Ich bin diesmal ziemlich spät dran. Hab es einfach nicht früher geschafft. So viel zu tun. So viel Alltag. So viel von allem.

Die letzte Woche war mit meinen beiden Mäusekindern sehr schön und anstrengend zugleich. Jeden Tag besuchten wir befreundete Familien oder wurden besucht. Meine Große hatte somit immer Spielgefährten, während ich bei Tee und Kuchen oder Frühstücksbrötchen Zeit für einen Plausch hatte. Freunde tun gut. Freunde sind wichtig. Immer wieder spüre ich so eine tiefe Verbundenheit, wenn ich von guten Menschen umgeben bin. Ich fühle mich dann getragen. Verstanden. Dann und wann auch berührt.

Leider verzichtet meine Große gern auf ihren Mittagsschlaf. Kuschelt viel lieber bei einer gemeinsamen Bücherstunde mit Mama auf der Couch. So verzichtete ich meist mehr schlecht als recht auf meinen gemeinsamen Mittagsschlaf mit Johann und war abends früh müde. Gleichzeitig wollte ich aber die Abende mit meinem Mann oder mit Freunden verbringen. Somit war wieder Schlafmangel vorprogrammiert.

Johann wuselte in der letzten Woche tagsüber viel allein herum. Krabbelte mal seiner Schwester, mal mir, mal den anderen Kindern hinterher. Besonders aufregend war es für ihn, fremde Wohnungen zu erkunden.
Von Tag zu Tag vertiefte sich in der letzten Woche auch die Geschwisterbeziehung. Immer häufige sah ich beide, wenn auch nur kurz, zusammen spielen. Die Große räumte ihr Lego weg und ließ Johann noch einige Steine zum Abbauen. Die Große machte Quatsch, damit Johann laut loslachte. Die Große schob Johann im großen Holzauto durch die Wohnung, ohne dass ich sie darum gebeten hatte. Stand Johann an ihrem Schreibtisch, redete sie liebevoll mit ihm: „Du darfst das noch nicht, Johann! Du bist noch zu klein. Sei nicht traurig. Wen du drei Jahre als bist, schenke ich dir auch Schere und Kleber.“

Zurzeit ist es wieder sehr amüsant, unserer Tochter zuzuhören. Frage ich sie, ob sie aufgeräumt habe, antwortete sie mit einer so schönen Intonation wie eine kleine Kopie meiner Selbst: „Aber klar doch, meine liebe Mama!“ Bitte ich sie, etwas für mich zu tun, sagt sie nun oft: „Aber gern doch!“

Genossen habe ich auch die leeren Straßen, S-Bahnen, Fußgängerwege zwischen Weihnachten und Silvester. Die Stadt schien wie ausgestorben. Viele Bewohner waren verreist. Dem Berufsalltag entflohen. Rush hour without rush!

Am Silvestertag besuchten wir mit den Kindern das Schwimmbad Schöneberg. Der Plan ging auf: Gegen Mittag waren die Kinder hundemüde. Leider schlief Johann schon in der S-Bahn ein, so dass er zu Hause noch zwei Stunden herumwuselte, mir beim Vorbereiten des Raclettes zusah, während ich immer wieder sehnsüchtig zur Uhr schielte. Auch ich wollte noch ein wenig Schlafen nachholen.

Abends besuchten wir eine befreundete Familie. Entspannten bei gutem Essen und gutem Wein, während unsere Tochter mit den beiden anderen Kindern durch die Wohnung lief und spielte. Gegen zehn schlief endlich Johann in meinem Tragetuch ein, so dass ich ihn im Nebenzimmer auf die Matratze legen konnte. Unsere Große blieb aufgrund des Getöses vor dem Haus bis nach Mitternacht auf.

Ein richtiges großes Anstoßen mit „Prosit Neujahr!“ kam jedoch nicht zustande. Fünf nach zwölf verschwanden alle auf der großen nachbarschaftlichen Dachterrasse, um das Feuerwerk am Berliner Nachthimmel zu bestaunen. Meine Große hatte vor den Raketen jedoch viel Respekt, so dass wir beide kuschelnd auf der Couch ausharrten. Zwischendurch ging ich ans Fenster und betrachtete das rege Treiben am Himmel. Vom Wein und dem wenigen Schlaf der letzten Tage ganz benebelt, verfingen sich meine Gedanken des persönlichen Jahresrückblicks und der Neujahrswünsche schnell im Nirgendwo.

Kurz nach Mitternacht traten wir die Rückreise an. Johann wurde im Auto nicht wach, so dass ich ihn zu Hause mitsamt der Decke eingemummelt ins Bett legte.

Leider waren beide Kinder am Neujahrstag zur gewohnten Zeit wach. Sie waren jedoch den kompletten Sonntag nah am Wasser gebaut. Als mein Mann sich gegen Mittag mit Migräne vom Tagesgeschehen abmeldete, war auch ich den Tränen nahe. Katerstimmung.

Abends hellte sich die Stimmung wieder etwas auf. Johann war endgültig in einen komatösen Nachtschlaf gefallen. Mein Mann verspürte nur noch ein leichtes Pochen hinter den Augen. Unsere Große hatte nach dem langen Mittagsschlaf großen Hunger. Ich war froh, wieder meinen Mann an meiner Seite zu haben. Alleinerziehend möchte ich einfach nicht sein.

Gestern begann dann die Eingewöhnung von Johann. Sie gestaltete sich zunächst sehr ernüchternd: Gestern war der erste Tag nach den Feiertagen, an dem die Kita wieder geöffnet hatte. Der Raum war mit herumirrenden und zum Teil jammernden Kindern gefüllt, die sich schwertaten, wieder in den Kita-Alltag zurückzufinden. Zwei Kinder umarmten Johann - „Das Baby“, wie er gerade von allen genannt wird - so stürmisch, dass er sofort zu Boden ging und herzzerreißend zu weinen begann. Außerdem war eine der Haupterzieherinnen krank geschrieben, so dass eine fremde Erzieherin aushalf. „Das ist ja ein toller Einstieg für Johann“, entfuhr es mir. Ich fühlte mich an die Eingewöhnung der Großen zurückerinnert, wo ich ein leichtes Unbehagen und ein ziemlich schlechtes Gewissen verspürte, mein Kind so früh in fremde Hände zu geben. Würde Johann hier genug Liebe und Zuwendung von den Erziehern erhalten? Würde er die vielen Kinder und den großen Tumult täglich gut überstehen?

Johann schien es jedoch wunderbar zu finden. Inspizierte den Raum. Nahm zu allen drei Erziehern sofort Kontakt auf. Er wurde richtig wütend, als er nach 45 Minuten mit mir zusammen den Raum verlassen sollte. Auch in der Umkleide entwischte er mir sofort wieder und versuchte zurück zum Raum zu krabbeln. Trotzdem ließ mein Unbehagen hinsichtlich der Fremdbetreuung Johanns nicht nach, so dass ich ihn zu Hause sofort stillen musste. Mehr für mich als für ihn. Vor Erschöpfung schlief er dabei ein.

Heute sah das Ganze schon etwas anders aus: Es waren heute vier Erzieher für die Gruppe zuständig. Zwei Erzieherinnen gingen mit der Hälfte der Kinder in den Garten, so dass Johann mit seinem Kontakterzieher und einer Vertretungserzieherin sowie sechs weiteren Kindern zurückblieb. Es herrschte eine sehr angenehme Ruhe im Raum. Als einige Kinder an den Tischen zu malen begannen, gesellte sich Johann sofort zu ihnen. Auch zu Hause malt er seit einigen Tagen mit den Buntstiften seiner Schwester Kreise auf Tisch und Papier.

Nach der Kita-Stunde krabbelte er zu Hause noch lange zwischen meinen Beinen herum, während ich die Wohnung auf Vordermann brachte. Ab kommender Woche haben wir eine Putzfrau bzw. einen Putzmann. Gestern Abend sinnierte ich mit meinen Freundinnen im Restaurant über etwaige Zeitersparnisse für das neue Jahr. Ich frage mich sowieso, wie ich in zwei Wochen Arbeit, Kinder, Haushalt und, und, und managen soll. Um halb eins mittags fiel Johann jedoch buchstäblich um und schlief fast bis vier Uhr nachmittags. Seine große Schwester, die heute Morgen eher maulend in die Kita ging, störte das späte Abholen nicht. Sie war so in ihr Spielen vertieft, so dass mein schlechtes Gewissen schnell verschwunden war.

Abends versuchen wir, Johann erst gegen acht hinzulegen. An den letzten beiden Tagen schlief er auch bis morgens halb sieben durch. Wäre ja toll, wenn es dabei bliebe. Trotzdem habe ich Johann morgens oft noch zu mir ins Bett genommen. Dort schlief er an mich gekuschelt noch einmal ein. Eigentlich blöd, da ich für diese Extrakuscheleinheiten bald keine Zeit mehr habe. Johann bleibt jedenfalls bis auf weiteres bei uns im Schlafzimmer. Die Eingewöhnung wird ihn bestimmt erstmal unruhiger schlafen lassen. Nachts aufzustehen bzw. unsere Große notgedrungen mit wach zu machen, wollen wir nicht. Das stellt mich jedoch vor einige organisatorische Probleme, da ich üblicherweise abends am Schreibtisch im Schlafzimmer meinen Unterricht vorbereitet habe. Mal sehen, ob ich die Vorbereitungen vorwiegend in die Schule verlagern kann.

Wenn ich nicht gerade herumwusel, organisiere oder mir Gedanken über die nächsten Wochen und Monate mache, liege ich auf der Couch. Dann schließe ich die Augen und habe sofort Momentaufnahmen des letzten Jahres -meines Elternzeitjahres - vor mir: Da spüre ich den kleinen winzigen Johann neben mir im Krankenhausbett. So klein und noch so fremd. Da spüre ich meine Füße im warmen Ostseesand, Johanns Atem an meiner Brust in der Trage, während ich zum Horizont blicke. Da höre ich Johanns helles Lachen, wenn ich mit ihm tobe. Es war ein sehr schönes Jahr für mich. Es war ein Jahr mit vielen anstrengenden und auch beglückenden Augenblicken. Es war ein Jahr mit Höhen und Tiefen. Vor allem aber war es ein sehr volles Jahr. Ein Jahr, dass mein Herz komplett ausgefüllt hat und in dem ich mir meiner eigenen Stärke erstmals ganz bewusst geworden bin.

Euch LeserInnen wünsche ich ein gesundes und vor allem ein friedliches Jahr. Möge die politische Aggressivität nicht in eure Familien herüberschwappen.



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In diesem Beitrag geht's um:

Geschwisterbeziehung, Kita-Eingewöhnung, Ende des Elternzeitjahres