Das ist es gewesen. So schön und so bewegend und auch ein wenig enttäuschend.
16.00 Uhr, Sonntag
Gerade habe ich ein wenig Zeit zum Schreiben. Johann liegt bei Papa im Bett und ich habe mich gerade aus dem Bett gekämpft.
Hier also mein Geburtsbericht.
Vielleicht erst einmal so viel: Eine Geburt ist wohl mit das persönlichste, was man erleben kann. Die einen messen ihm viel Bedeutung zu, andere weniger. Ich jedenfalls fühlte mich durch den Kaiserschnitt bei meiner Tochter um eine natürliche Geburt betrogen und setzte darum sehr viele Hoffnungen in die Geburt meines Sohnes.
So ganz habe ich diese Geburt noch nicht verarbeitet. Alles liegt irgendwie noch im Nebel. Meine Hebamme, mit der wir gestern gemeinsam die Geburt anhand des Partogramms besprochen haben, meinte, dass sei ganz normal. Es würde ca. ein Jahr dauern, bis man sich mit dem Erlebnis ausreichend auseinandergesetzt hat.
Aber dann versuche ich heute mal ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen und meine Erlebnisse zu ordnen.
Am letzten Sonntag (40 SSW+32) wachte ich nachts auf und spürte keinen Tritt. Ich streichelte genervt meinen Bauch und sagte zu unserem Sohn, er solle sich jetzt gefälligst mal auf den Weg machen, ansonsten würde ich in den nächsten Tagen freiwillig ins Krankenhaus gehen und um eine Einleitung bitten, denn mir länger Sorgen um ihn wollte ich mir nicht machen.
Nach einem schönen Rodelnachmittag mit der Familie bei Schnee und Eis hatte er meine Worte dann wohl ernst genommen. Meine Fruchtblase platze, als ich es mir gerade auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte.
Irgendwie war ich sehr entspannt. Ich wusste, jetzt würde es wohl bald losgehen und machte mich langsam mit meinem Mann auf den Weg ins Krankenhaus. Bis auf ein paar Zipperlein spürte ich noch keine Wehen.
Im Krankenhaus wurde ich untersucht und ich durfte dann mit meinem Mann nochmal spazieren gehen. Wir liefen durch den winterlichen Park in unserem Kiez und aßen beim Italiener. Ein bisschen unangenehm war mir dieses ständig Herauslaufen des Fruchtwassers schon und die Art Regelschmerzen nahmen auch zu. Trotzdem genoss ich diese zwei Stunden noch einmal sehr. Es war unser letztes gemeinsames Abendessen, bevor unser Sohn zur Welt kommen würde. Es war sehr romantisch.
Im Krankenhaus verabschiedete sich dann mein Mann, fuhr noch einmal nach Hause, während ich mein Einzelzimmer bezog, duschte und hoffte, dass die Wehen bald einsetzen würden.
Meine Hebamme für die Wochenbettbetreuung hatte zufälligerweise an dem Abend im Kreißsaal Dienst, was ich als gutes Omen für die anstehende Geburt sah. Leider schlief ich dann nicht mehr ein, denn die Schmerzen nahmen zu.
Zwischen zwei und drei Uhr morgens wollte ich nicht mehr allein mit den Schmerzen sein und benachrichtige meine Hebamme im Kreißsaal. Ich suchte mir noch einen schönen Kreißsaal aus, musste meine Wehen jedoch schon langsam veratmen. Mein Mann kam hinzu und in den kommenden Stunden veratmete ich Wehe um Wehe. Bis 6.00 Uhr kam meine Hebamme immer wieder vorbei. Mein Mann massierte mir mit dem Igelball mein Steißbein, was mir unheimlich gut tat. Mal stand ich, mal saß ich. Irgendwann konnte ich mich auch endlich übergeben, was sehr befreiend für mich war.
Die Hebamme, welche dann den Dienst übernahm, bat mich, mich hinzulegen, um mich in den Wehenpausen besser erholen zu können, denn ich fing an, in den Pausen zu zittern. Mein Mann lag hinter mir und ich konnte mich besser auf die Wehen konzentrieren. So, wie ich sie mir immer vorgestellt hatte, kamen sie wie Wellen auf mich zugerollt, türmten sich auf, bevor sie wieder über mich hereinbrachen und langsam verebbten.
Aufgrund meines vorzeitigen Blasensprungs erhielt ich dann ein Antibiotikum. Bis zu diesen Zeitpunkt erschien alles ganz unkompliziert und gut zu laufen. Jedoch öffnete sich mein Muttermund nicht weiter. Wie in der Nacht waren nur 2 cm Öffnung ertastbar. Die Hebamme schlug gegen 10.00 Uhr vor, mir ein Wehenmittel zu geben, um die Intensität zu erhöhen und den Muttermund weiter zu öffnen. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon sehr erschöpft, fehlte mir doch der Nachtschlaf und entmutigte mich der Muttermundsbefund. Ich entschied dann mit der Hebamme, mir eine PDA legen zu lassen.
Obwohl ich sonst kaum Medikamente nehme, selbst auf Nasentropfen verzichte, war ich froh, mich für diese PDA entschieden zu haben. Ich spürte plötzlich keinen Wehen mehr und schlief gegen 11.00 Uhr auf dem Kreißsaalbett ein. Mein Mann fragte ganz überrascht, was denn los sei. Denn die Wehenaktivität nahm auf dem CTG zu und ich lächelte ihn nur unverwandt an und schwärmte von dem tollen Sonnenschein, der sich im Schnee vor dem Kreißsaalfenster spiegelte.
Irgendwann spürte ich auch zunehmende Wehen, die trotzdem nur leicht veratmet werden mussten. Ich probierte andere Stellungen aus und sah ungeduldig auf die Uhr. Denn langsam wurde es wieder dämmrig. Der Muttermundsbefund ernüchterte mich gegen 16.00Uhr. Seit um drei Stunden hatte sich der Befund von 5cm nicht mehr verändert. Hinzu kam dass regelmäßige Pfeifen des CTGs, dass die Herzfrequenz von unserem Sohn nach unten ging, während der Puls hochschnellte. Meine zu dem Zeitpunkte dritte Hebamme, die ihre Schicht begonnen hatte, sprach mit mir darüber, dass der Kopf nicht ins Becken rutschen wollte und die Schädelnähte verdreht seien. Unser Baby hatte sich unter den Wehen zu einem Sternengucker gewandelt.
Ich war sehr entmutigt. Hatte ich doch immer im Kopf gehabt, dass sich pro Stunde der Muttermund unter den Wehen um ca. 1 cm öffnen würde. Ich war jedoch schon die ganze Nacht, den Morgen und den Nachmittag körperlich aktiv gewesen und der Muttermund blieb bei 5 cm stehen.
24 Stunden nach Blasensprung kamen die beiden betreuenden Ärztinnen zu mir und sprachen mit mir über den weiteren Geburtsverlauf. Mittlerweile hatte ich auch etwas zu fiebern begonnen. Meine Kräfte waren irgendwie am Ende und meine Entschlusskraft, es weiterzuprobieren auch. Ich zog mein Resümee: Ich hatte ganz vieles erleben dürfen, was mir bei unserer Tochter verwehrt geblieben war. Ich durfte einen Blasensprung erleben, ich durfte Wehen ohne Schmerzmittel und mit Schmerzmittel veratmen. Ich hatte mich dabei meinem Mann sehr nahe gefühlt. Mehr war hier an der Stelle der Geburt nicht möglich. Ich fing an, mir Sorgen um die Gesundheit unseres Sohnes zu machen und meine Sehnsucht nach ihm nahm unheimlich zu.
Schnell stand die Entscheidung im Raum, sich doch für einen zweiten Kaiserschnitt zu entscheiden. Dieser Moment war so eine Zäsur in der ganzen Geburt für mich. An der Stelle bin ich auch noch nicht im Reinen mit mir. Die Ärztinnen gingen, um die OP vorzubereiten. Die Hebamme verließ mit meinem Mann den Raum, um sich umzuziehen. Die wenigen Minuten war ich allein im Kreißsaal. Ich fühlte mich kurz so allein und traurig, denn meine Erwartungen waren nicht ganz eingetroffen und wieder lag ein Kaiserschnitt vor mir.
Erhobenen Hauptes ging ich mit der Hebamme in den OP. Und an der Stelle nahm der Geburtsverlauf wieder eine positive Wendung. Ich hatte um eine Kaisergeburt gebeten. Der Anästhesist betreute mich wunderbar. Ich spürte das Aufschneiden und Herausgeben bewusster als damals, da mir bei diesem Kaiserschnitt ja die Beine nicht taub wurden. Im entschiedenen Moment wurde der Vorhang heruntergelassen und ich konnte auf unser kleines blutiges Würmchen schauen, was sofort zu schreien begann. Das war ein sehr bewegender und toller Moment für mich. Mein Mann ging dann kurz mit unserem Sohn zur Kontrolle, während der so rührende Anästhesist sich weiterhin mit mir unterhielt und mir ein Mittel gegen die Übelkeit spritzte, so dass diesmal mein Kreislauf nicht schlapp machte und es sehr genießen konnte, als mir unser Sohn endlich auf die Brust gelegt wurde. Er guckte mich mit so großen verwunderten Augen an wie schon unsere Tochter. An ihm war alles dran. Er sah sehr perfekt aus und irgendwie erinnerte er mich total an unsere Tochter. Ganz klein und sehr dünn mit einem großen Kopfumfang.
Nach Aussage der Hebamme war das dieser große Kopf (meines Mannes und Schwiegerpapas) der Grund, warum unser Sohn nicht richtig ins Becken herabgleiten konnte, um fest genug auf den Muttermund zu drücken und ihn zu öffnen. Die Wehen hatten seinen Kopf ständig an die Symphyse oder an das Sakrum gedrückt, was mir unangenehme Schmerzen bereitet hatten. Unser Sohn hatte ein riesiges Hämatom auf dem Schädel, schien aber sonst sehr zufrieden zu sein.
Wir durften dann noch zwei Stunden im Kreißsaal mit unserem Sohn bleiben. Mit einem Bettfön war mein Bett schön aufgewärmt worden, so dass wir uns sehr wohl fühlten.
Mein Mann war besonders gerührt. Er sagte schluchzend immer wieder: ER SIEHT JA AUS WIE ICH.
So hatte sich meine Vorahnung doch noch erfüllt: Unsere Tochter ist ein Spiegel für mich, um an ihr zu wachsen. Nun hat auch mein Mann einen kleinen Sohn bekommen, der nach Aussagen vieler, ihm wirklich sehr ähnlich sieht.