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Tagebücher aus der Schwangerschaft von Kristina

Eine neue wunderbare, aufregende und vielleicht auch lang erwartete Lebenszeit beginnt. Für unsere Tagebücher-Blogs haben wir immer 3-4 schwangere Frauen in unterschiedlicher Schwangerschaftsphase, die in freudiger Erwartung über jede Woche dieser spannenden Zeit schreiben, uns und die vielen tausend Follower:innen daran teilhaben lassen und damit unvergessliche Momente schaffen.

Geburt

Geburt: Mathias Valentin ist da!

Mathias Valentin ist seit Donnerstag, dem 8.3.07, 16:18 Uhr bei uns !

Den ganzen Mittwoch hatte ich leichte Wehen. Ich habe dem nicht viel Bedeutung beigemessen, denn die waren ja irgendwie ständig mein Begleiter. Ich war noch mit meinem "großen" Sohn draußen und den ganzen Tag habe ich mich gefragt, wann dieses Kind wohl endlich aus mir raus möchte...

In der Nacht zum Donnerstag wurde ich gegen 2 Uhr morgens von stärkerem Ziehen im Bauch wach, nachdem ich schon seit 2 Stunden sehr unruhig geschlafen hatte.
Zunächst bin ich im Bett geblieben und dachte mir, das sei wieder einer dieser Fehlalarme.

Schließlich entschied ich mich den "Badewannentest" zu machen und tatsächlich - die Wehen wurden stärker und regelmäßiger. Ich traute der Situation noch immer nicht. Das war ganz komisch. Ich dachte, nein, nach all der langen Zeit kann es nun doch nicht endlich losgehen!? Als ich schließlich anfing die Schmerzen mit lauten und tiefen Tönen zu veratmen, wurde auch mein Mann davon wach und ich habe mit einigen Unterbrechungen noch geschafft zu duschen.

Ich habe um 4 Uhr morgens meine Hebamme angerufen und mit ihr abgesprochen, dass wir direkt ins Krankenhaus kommen und uns im Kreißsaal treffen. Als auch meine Schwester nach ca. 45 min eintraf, konnten wir aufbrechen und ich bin das letzte Mal mit dickem Bauch durch unser Treppenhaus gelaufen...

Noch vor dem Auto musste ich meinen Wehen laut Raum geben. Ich denke, die ganze Strasse wusste in dieser Nacht, dass das Kind nun zu uns kommen will!

Im Kreißsaal wurde ich von einer fremden Hebamme ans CTG angeschlossen und ich vergesse nicht, wie liebevoll sie meine Hand drückte und sagte: "Jetzt kommen sie erst mal an!" Nur wenige Minuten später erschien meine Beleghebamme in rosa Kreißsaalkleidung.

Weil ich sie sonst nur in Alltagskleidung kannte, wurde mir noch mal deutlich: "Jetzt gibt es kein zurück. Das Kind wird noch heute zur Welt kommen. Das ist nun wirklich Geburt."
Der Muttermund war 2 cm geöffnet und weich. Ich schaffte es, die Wehen gut zu veratmen und meine Hebamme machte mir ständig Mut und half mir laut zu tönen. Mein Mann bat mir ständig etwas zu trinken an, hielt meine Hand und lobte mich.

Nach einiger Zeit war der Muttermund schon auf 3 und dann auf 4 cm und noch immer weich und locker. Ich war sehr erleichtert. Mein Schleimpfropf löste sich und die Wehen wurden von Minute zu Minute stärker. Und ich wurde von Minute zu Minute verspannter.

Irgendwann bat ich um die PDA. Ich kann schwer beschreiben, was da mit mir passierte. Ich wollte möglichst weit ohne Schmerzmittel auskommen und plötzlich waren alle guten Vorsätze vergessen. Wenn ich das jetzt betrachte, empfinde ich es als absolutes Versagen.

Als die PDA saß, ging es mir natürlich schnell besser. Und mein Muttermund wurde wieder weicher und öffnete sich weiter. Irgendwann um diesen Zeitpunkt herum ist dann auch die Fruchtblase gesprungen.

Nach ca. einer Stunde ließ die Wirkung der PDA allerdings nach und weil die Ärzte gerade im OP standen, dauerte es längere Zeit bis das Medikament noch mal aufgespritzt werden konnte. Ich kam damit nur schwer klar. Ich atmete wieder laut und versuchte tiefe Töne zu machen. Manchmal ging das gut, dann wieder war es unendlich schwer zu ertragen.

Endlich kam die diensthabende Ärztin und brachte mir die gewünschte Erleichterung.
Und obwohl unter einer PDA ja oft Wehenmittel nötig sind, öffnete und öffnete sich der Muttermund immer weiter und stand schließlich auf 8 cm. Erst da kam der Wehentropf ins Spiel. Und schließlich war der Muttermund dann ganz geöffnet.

Das Problem war allerdings, dass der Kopf meines Sohnes weiterhin sehr weit oben im Becken stand und sich vor allem nicht richtig eindrehte. Deshalb versuchte meine Hebamme mit mir verschiedene Sachen, um das Kind tiefer und richtig ins Becken "zu locken".

Das taten wir 4 Stunden lang. Ich bin ihr sehr dankbar, dass sie wirklich alles versucht hat. Und ich versuchte, all meine Energien zu meinem Kind ins Becken zu schicken.
Ich hatte immer wieder den Drang zu pressen. Das war ein sehr starkes Gefühl und intuitiv musste ich dem nachgeben. Aber ich merkte, dass das Kind nicht weiter kam.
Der Wehenschmerz war in dieser letzten Phase wirklich unglaublich machtvoll und stark.
Ich konnte die Kontraktionen kaum aushalten. Trotzdem denke ich noch immer, dass diese Art von Schmerz mit keinem anderen Schmerz zu vergleichen ist. Er ist einmalig. Es ist eine natürliche Art von Schmerz, anders als während einer Krankheit.

Dann wurden die Herztöne meines Sohnes schlechter. Ich hörte die Hebamme vor der Türe mit der Ärztin reden. Und ich fühlte mich immer ängstlicher. NICHT wegen des Kindes oder mir. Ich wusste immer, ich bin hier gut aufgehoben. Mir wurde klar, dass die Geburt stockte und ein zweiter Kaiserschnitt im Raum stand - das, was ich absolut nicht wollte. Mein ungeborenes Kind erholte sich schnell, wenn ich begann tief und deutlich zu atmen. Und auch ein gering dosierter Wehenhemmer brachte sofortige Hilfe.

Irgendwann kam der diensthabende Oberarzt, um eine Entscheidung über das weitere Vorgehen zu treffen. Er untersuchte mich und meinte sofort, dass der Kopf für eine Saugglockengeburt zu hoch stehen würde und unser Kind auf normalem Weg nicht zur Welt kommen könne.

In diesem Moment bin ich völlig zusammengebrochen. Ich hatte irgendwann im Verlauf der Geburt schon im Gespür, dass es wieder auf einen Kaiserschnitt heraus laufen würde. Aber meine Hoffnung war die ganze Zeit größer. Die Wirkung meiner PDA war außerdem bereits wieder zu Ende und ich musste zusätzlich zu der Enttäuschung noch den starken Wehenschmerz aushalten. Ich bat darum, noch einmal das Schmerzmittel aufzuspritzen. Und dieser Bitte wurde schnell nachgegeben.

Einer meiner ersten Gedanken war, dass mein Mann über diesen machtvollen OP-Vorhang schauen müsse, um zu sehen, wie unser Kind aus mir geboren wird. Dieser Aspekt fehlt mir bei der Geburt meines ersten Kindes. Er willigte gern ein. Und meine Hebamme hat sofort den Vorschlag gemacht, Fotos im OP von der Geburt zu machen. Diese beiden Dinge haben mich unendlich getröstet.

Um 16:18 Uhr konnte ich meinen Sohn zum ersten Mal hören, denn er begann laut zu schreien, als sie ihn aus meinem Bauch ins grelle OP-Licht zogen. Niemand hätte gedacht, dass ich ein 3860 Gramm schweres und 56 cm langes Kind zur Welt bringen würde. Später erzählte mir meine Hebamme, dass sie das Kind in den Tagen vor der Geburt bereits so eingeschätzt hatte.

Mein Mann durfte den Kleinen nach kurzer Zeit auf den Arm nehmen und mir an die Wange halten. Das war ein unbeschreiblicher Moment. Er war geprägt von dem Glück über ein lebendiges Kind und der Trauer über eine zweite operative Geburt. Mein Sohn roch so gut und mein Herz war gleichzeitig so hin- und hergerissen zwischen zwei ganz unterschiedlichen Gefühlen.

Wieder im Kreißsaal hatten wir einige Zeit nur für uns drei ganz allein. Später zeigte mir meine Hebamme die Plazenta. Und da sah man, dass Mathias kaum eine Chance gehabt hätte, normal auf die Welt zu kommen, denn seine Nabelschnur war unglaublich kurz und die Hinterwandplazenta saß sehr weit oben. Er wusste schon, warum er sich nicht tiefer ins Becken eingedreht hat. Kluges Kerlchen!

Irgendwo konnten wir die Plazenta des Zwillings finden. Es war mir sehr wichtig, danach zu schauen und alles anzufassen. Jetzt liegt das Organ, was mein Kind 9 Monate versorgt hat, in unserer Tiefkühltruhe. Irgendwann will ich im Garten unseres späteren Hauses ein Apfelbäumchen darauf pflanzen. Und ich hoffe, dann meinen Frieden mit dieser Schwangerschaft und Geburt finden zu können. Jetzt aber erscheint mir das noch als unendlich langer und weiter Weg.

Dann kam meine Schwester mit unserem "großen" Sohn. Der war ganz aufgeregt und unglaublich liebevoll zu seinem Brüderchen und mir.

An diesem Tag war kein Familienzimmer frei und ich musste zwei Nächte in einem Vier-Bett-Zimmer verbringen. Als mein Mann am Abend nach Hause fuhr, fühlte ich mich so leer und verlassen, wie noch nie. In dieser Nacht hatte ich heftige Nachwehen, so dass ich fast dachte, sie hätten ein Kind in mir vergessen... Dazu kam der Narbenschmerz. Ich bin fast verrückt geworden und habe die ganze Nacht geheult und mit meinem Gestöhne die anderen Frauen verärgert.

Nun sitze ich hier zu Hause mit einem wunderschönen fast eine Woche alten hilflosen Säugling. Mathias hat lange schwarze Haare und ganz weiche Haut. Er verzaubert unser Herz und hilft mir die Trauer über den Verlauf der Geburt besser zu verarbeiten. Auch jetzt rollen mir die Tränen über die Wangen - aus Dankbarkeit und Wehmut.

Ich weiß, dass viele Menschen das nicht verstehen können. Sätze wie "Sei froh! Ist doch alles gut gegangen. Hauptsache gesund!" machen mich nur noch deprimierter.
Ich bin nicht die Mama aus den Hochglanzmagazinen, die strahlt und lacht und alles schnell vergessen kann, weil sie doch ein gesundes Kind hat.
Ich wusste immer, ich möchte alles dafür tun, vaginal zu entbinden. Ich glaube, dies ist grundsätzlich der bessere Weg für ein Kind das Licht der Welt zu erblicken. Aber ich war mir auch immer darüber klar, dass das Grenzen hat und ich mir kein totes Kind herausziehen lassen möchte, nur um zu erleben, wie es ist, wenn ein Kind durch den Geburtskanal gleitet.

Und ich hoffe und denke, das würde keine Frau wollen.

Ich finde den Ansatz falsch, in erster Linie nur darauf zu schauen, dass Frau und Kind physisch lebendig sind. Das ist eine sehr pragmatische und sachliche Sichtweise dieser Situation und eine Geburt ist eben ein zu tiefst emotionales Erlebnis. Wenn es mir als Mutter nicht gut geht, ist das auch für mein Kind schlecht. Deshalb bitte ich alle, die diese Zeilen lesen, vorsichtig mit ihren Äußerungen gegenüber frisch entbundenen Kaiserschnittmüttern zu sein. Vielleicht hadern sie mit ihrem Geburtsverlauf - trotz eines gesunden Kindes.

Ich weiß, dass es Blödsinn ist, aber ich empfinde diese Geburt als mein persönliches Versagen - einmal weil ich nach der PDA gejammert habe und dann, weil ich das Kind nicht auf normalem Weg aus mir herauspressen konnte. Ich fühle mich als Frau unvollständig. Nun ist genau das eingetreten, was ich so gefürchtet habe. Alles sah so gut aus ...

Ich hätte zu keinem anderen Zeitpunkt mich anders oder "besser" darauf vorbereiten können. Den starken Wunsch nach einer normalen Geburt hätte ich wohl nie ablegen können. Das ist einfach ein Teil von mir. Mein Anspruch an mich war schon immer sehr hoch.

Ich hoffe, ich kann aus diesem Donnerstag im März, dem Tag der Geburt meines Sohnes, lernen. Nun ist er da - dieses kleine Bündel Leben. Die Geburt ist vorbei. Meine Chance ausgespielt. Das alles ist so unwiderruflich.

Ich muss nun wieder zurück zu meinem wunderschönen und hungrigen Kind.

Bis bald,

Eure Kristina



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