Von Füßen, Zähnen oder Nicht-Zähnen, Pflaumenblüten und einem Besuch im Eisenbahnmuseum.
Anna hatte ja vorletzte Woche ihre Füße entdeckt, gerade als ich den Bericht fertig machte. Drei Abende später wanderten dann die Zehen das erste Mal in den Mund. Hier in Japan ist es ziemlich üblich, den Kindern die Füße frei zu lassen, also barfüßig. Selbst draußen, wenn es schon ziemlich kalt ist, habe ich das schon gesehen. Insgesamt finde ich das auch sehr gut. So können die Babys über ihre Füße schon viele Sinneseindrücke erfahren. Auch die Kleidung für Babys ist hier darauf ausgerichtet, kaum Strampler, viele Babyanzüge ohne Fußteil. Auch die Anzüge zum drüberziehen für die kalte Zeit haben oft die Möglichkeit, die Füße frei zu lassen.
Seither sind die Füße jedenfalls Annas liebstes Spielzeug. Als ich aber mal parallel auf dem Rücken liegend meine Füße in die Hände nahm – zum Mund bekomme ich sie leider nicht mehr – fand Anna das nicht so lustig. Wahrscheinlich ist es ein weiterer Prozess zu verstehen, dass Körper baugleich gestaltet sind und Mama auch Füße hat etc.
Meinen Montag verbringe ich regelmäßig zuhause und versuche auch immer meinen Bericht zu schreiben. Auch in der vergangenen Woche war das so. Leider schlief Anna aber kaum allein und brauchte viel Aufmerksamkeit, so dass das Schreiben mehrere Tage zwischendurch einnahm.
Dienstag war ein Feiertag und mein Mann blieb den Vormittag mit Anna zuhause, sodass ich allein zum Pilates konnte. Es war nur eine weitere Mama mit Baby da, ein paar Wochen älter als Anna. Bei den beiden lief es ähnlich wie bei Anna und mir die Woche zuvor. Anfangs war die Kleine recht fröhlich auf dem Bauch dabei, dann musste die Mama sie an den Körper nehmen, zwischendurch stillen und am Ende schlief sie auch noch mal ein. Ich war froh, mich diesmal ganz auf meinen Beckenboden konzentrieren zu können. Ich hoffe, es halt bald ein Ende, dass ich bei heftigem Niesen noch Tröpfchen verliere.
Eigentlich hatte mein Mann vorgehabt, so von zuhause aufzubrechen, dass wir uns direkt nach dem Kurs treffen. Doch Anna schlief deutlich länger als normal am Vormittag und wecken wollte er sie nicht. Ich hatte sie um zehn Uhr in den Schlaf gestillt und war schon erstaunt gewesen, dass sie sich nach etwa 20 Minuten abdocken ließ ohne Aufzuwachen. Und nun schlief sie so lange? Warum passiert das nie, wenn ich alleine zuhause bin? Nicht, dass ich es meinem Mann nicht gönne, aber ich hätte auch gerne mal wieder untertags so viel Zeit, was anderes zu machen. Tja, kommt auch wieder. Anna bekam dann von ihm eine Flasche und wir trafen uns in der Nähe vom Kursort, um eine große Tempelanlage, den Higashi Hongan-ji, dort zu besichtigen. Das Besondere an diesem Tempel ist eine sehr große Halle, rein aus Holz gebaut, und sie war wirklich imposant groß.
Mit dem Wetter hatten wir richtig Glück, es war ein wunderbar sonniger und auch wieder warmer Tag. Es ist hier derzeit ein ganz schönes Hin und Her. Am Sonntag letzte Woche hatte es morgens geschneit, es blieb nichts liegen, aber war durchaus kalt. Und zwei Tage später hatte es um 20 Grad.
Wir zogen von diesem Tempel weiter zu einem Park entlang der Bahn. Auf dem Weg bekam Anna Hunger. Ich wollte sie gerne stillen und nicht schon wieder eine Flasche geben. Glücklicherweise war ein großes Kaufhaus in der Nähe, in dem ich die Stillzimmer schon kannte. Wir schafften es noch gerade so, bevor Anna allzu laut werden musste.
Leider war sie auch diesmal nach den ersten gierigen Zügen schnell wieder abgelenkt, guckte sich um, trank wieder ein paar Schlucke, guckte sich wieder um. Und das, obwohl in diesen Räumen ja nichts wirklich Spannendes zu sehen ist. Aber für die Kleinen reicht ja irgendwas.
Irgendwann wollte ich dann natürlich auch weiter. Als Anna dann draußen vor dem Kaufhaus wieder nölte, gab ich erst mehr oder weniger unauffällig in der Trage die Brust. Ja, sie wollte wieder trinken. In der Trage, bzw. Brust in der Trage wäre nicht dauerhaft gegangen, die Trage ist dafür nicht gemacht, hat eine Stoffbahn, die die Brust fast verdeckt. Also musste nun doch eine Flasche her. Positiv sehen, sie nimmt eben auch Flaschen und das kann bei solchen Gelegenheiten doch sehr praktisch sein. Weiter ging es zu besagtem Park. Die Pflaumenbäume dort haben fast alle schon die ersten Blüten und einzelne sehen schon sehr prächtig aus. Es ging bereits auf Sonnenuntergang zu und das Licht war ein einfach fantastisch. Mein Mann hat wahrscheinlich seine schönsten Pflaumenblütenbilder bisher geschossen.
Zurück zuhause nahmen Anna und ich uns dann wieder mehr Zeit zum Trinken.
Am Mittwoch hatte ich ja dann noch einmal einen Termin im Ward Office (Bezirksamt) wegen Annas erstem Zahn an seltener Stelle, oben und ziemlich weit rechts. Der Zahnarzt dort machte es ganz geschickt. Ich behielt Anna auf dem Schoss, aber Annas Kopf nahm er auf seinen Schoss. So konnte er ziemlich einfach die Oberlippe etwas zur Seite schieben und sehen, wovon ich sprach.
Was ich dachte, es wäre ein Zahn, ist womöglich keiner. So habe ich es jedenfalls verstanden. Der Arzt erzählte viel und zeigte Bilder, wie es normal aussieht, wenn Babys zahnen, und Bilder von so etwas wie verdeckten Zähnen. Die Übersetzerin bemühte sich, aber sprach immer wieder von „they are absorbed“ oder „will absorb“. Klarer konnte sie es irgendwie nicht formulieren und so ganz schlau bin ich daraus nicht geworden. Auch die Suche nach Bildern online hat mir nicht weitergeholfen. Aber ich habe verstanden, dass ich mir keine Sorgen machen soll. Es können Zähne sein, wäre eine ungewöhnliche Stelle für den Start. Es kann aber auch sein, dass diese weißen Flecken, die zu sehen sind – übrigens waren sie nun symmetrisch auf beiden Seiten des Oberkiefers zu sehen -, wieder völlig verschwinden. Das Eckchen, das ich für den Durchbruch gehalten und gespürt hatte, war nicht mehr sichtbar. Hm, abwarten.
Donnerstag stand endlich wieder ein Besuch bei meiner längsten Babyfreundin an. Wir hatten uns nun gut einen Monat nicht gesehen, ihre Kleine ist inzwischen sechs Monate alt geworden. Ich war gespannt, was sie schon können würde. Nun, sie dreht sich flink und stemmt den Oberkörper schon ordentlich nach oben. Wie ich sie kannte, war sie wieder fröhlich und quietschfidel. Anna war ziemlich müde, aber sie konnte dort einfach nicht länger als ein paar Minuten am Stück schlafen. Brust trinken klappte aber diesmal gut dort. Ach ja, ein paar Kleidungsstücke für Anna habe ich wieder mitbekommen. Das Baby meiner Freundin trägt inzwischen schon 80, Anna wächst gerade erst in die 70 rein.
Freitag traf ich mich mit der deutschen Freundin. Erst kam sie hoch zum Austausch von Kleidung und Kinderbettzeug, das ich für meine Nichte besorgt hatte und für Anna doch nicht mehr brauchen werde. Dann gingen wir in ein Café in der Nähe. Sie haben eine richtig schöne Spielecke für Babys und Kleinkinder, die ihre Kleine, inzwischen schon ein Jahr alt und die ersten Schritte alleine machend, auch eine Weile nutzte. Ich durfte hier Anna endlich mal im Café stillen, mit Cover, und sie schlief bald in meinem Arm ein. Für den Heimweg musste ich sie in die Trage nehmen und leider wecken. Aber sie nahm es gar nicht übel. War interessiert an den Regentropfen draußen. Zuhause legten wir uns gemeinsam hin, sie trank, und ich glaube, eine Weile bin ich mit eingenickt.
Das Wochenende – manchmal überlege ich, was ich/wir in Deutschland immer gemacht habe/n. Ach ja, Sport und Hobbys, Freunde treffen, an langen Wochenenden vielleicht Familienbesuche (Hamburg-München macht man nicht mal eben). Hier? Sport – ja. Hobbys nachgehen – bis auf fernsehen, eher weniger. Ich hatte mir in der Schwangerschaft etwas Wolle gekauft und anfangs ganz fleißig ein Babyjäckchen gestrickt, aber dann … und jetzt…. Mal sehen, wann ich das wieder schaffe.
Hm, gerade lese ich beim Stillen ein Buch über Prokrastination oder Aufschieberitis. Ein wichtiger Punkt dabei ist erst einmal zu unterscheiden zwischen Situationen, die einen zum Aufschieben zwingen und gute Gründe sind (Kind ist hungrig) und solchen, wo man die Sache eigentlich angehen könnte, aber aus freiem Willen doch was anderes macht, also unnötiges, freiwilliges Aufschieben. Nur Letzteres ist als Prokrastination zu werten. Also liebe Mit-Mamis, wir haben vielleicht auch einfach zu viel um die Ohren, um alles zu schaffen. Da kommt man wohl nur raus mit „Abspecken“ der To-do-Liste. Japanisch weiter zu lernen, ist bei mir inzwischen gestrichen.
A propose viel im Kopf, wo war ich doch gleich: bei den Wochenenden und wie wir sie hier verbringen. Wir machen viele Ausflüge und sind dabei häufig auf der Jagd nach – ihr ahnt es schon: Blüten oder anderen Naturschönheiten und schönen Fotos derselben. Vielleicht kann man das unser Japan-Hobby nennen.
So auch am gerade vergangenen Wochenende. Samstag, nach meinem Sport holte ich schnell Sushi für Mittag aus dem Supermarkt und traf meinen Mann und Anna beim Kitano Tenmangu Jinja, einem Schrein, den wir schon letztes Jahr zur Pflaumenblüte und im Herbst besucht haben. Dort gibt es einige hundert Pflaumenbäume und viele blühten schon üppig. Bei diesem Schrein zahlt man ziemlich viel Eintritt, fast 10 Euro, bekommt aber zu den herrlichen Blüten noch einen Pflaumentee und typische Reiscracker und es lohnt einfach, die Bäume sind herrlich. Anna schlief erst noch im Kinderwagen. Später nahm sie mein Mann auf den Arm und ich sie danach in die Trage. Sie schien wenig interessiert an den Blüten. Vielleicht war ihr auch der Duft zu stark? Wenn es derzeit auf der Straße nach Zimt riecht, kann der nächste Pflaumenbaum nicht weit sein.
Ich stillte sie dort im Park auch noch, mit Cover. Ich weiß nicht, was/ob hier jemand was gesagt hätte, wenn ich es ohne täte. Aber zu wissen, dass die Leute unangenehm berührt sind, macht es für mich nicht leichter. Ich hatte da mal anders drüber gedacht. Aber man muss sich im fremden Land doch in ein paar Punkten anpassen und das ist so einer.
Am Sonntag wollten wir eigentlich mal auf einen der Hausberge um Kyoto fahren – mit Seilbahn. Aber es war so absolut das falsche Wetter: Regen, den ganzen Tag, so richtig wie in Hamburg. Also nahmen wir uns das Eisenbahnmuseum vor. Wir hatten schon viel gehört, nun also selbst erkunden.
Wir kamen gegen Mittag an und um meinem drohenden Unterzucker vorzubeugen, gingen wir erst einmal essen. Natürlich wachte Anna genau auf, als das Essen kam. Sie war fröhlich, dass sie die ganze Zeit auf meinem oder ihres Papas Schoss verbringen durfte. Nur, dass sie nicht an alles auf dem Tisch ran durfte, grrr. Aber es gab genug zu gucken.
Im Museum gab es dann auch sehr viel zu sehen. Viel zu viel für die etwa drei Stunden, die wir dort verbrachten. Aber es wird sich sicher auch für Anna lohnen vielleicht an einem heißen Sommertag noch mal zu kommen. Anna durfte ausführlich Sachen ansehen und auch viel anfassen. Es gab Fahrstände von diversen Zügen, wo man sich hinsetzen konnte und Hebel und Knöpfe betätigen konnte, ein Paradies für die kleine Entdeckerin auf Mamas und Papas Schoss. Das Highlight war, dass wir für eine zehnminütige Nutzung des Zugsimulators ausgelost wurden. Es war lustig, aber zur Zugführerin würde ich nicht taugen oder lag es an den japanischen Aufschriften?
Zuhause war sie dann auch erst einmal glücklich wieder auf dem Boden und mit ihren Füßen beschäftigt. Das Einschlafen war an diesem Abend allerdings schwieriger. Vielleicht waren es die vielen, vielen Eindrücke von diesem Tag. Vielleicht aber auch die Tatsache, dass sie tagsüber trotz Stillen im Stillraum des Museums mehrfach Fläschchen getrunken hatte und sich mit der Brust nun schwer tat. Ich pumpte dann auch noch ab mit bescheidenem Ergebnis. Wie im letzten Bericht, ich bin froh, dass es nun häufig ohne die Laktationshilfe geht, mehr erwarte ich da nicht.
Außerdem beschäftige ich mich langsam mit dem Thema Beikosteinführung. Vielleicht gibt es dazu demnächst mehr zu berichten.
Habt eine schöne Woche und seid gegrüßt in aller Welt aus Kyoto von
Silke, Anna und dem Papa
Foto: Privat
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