Ursachenforschung bei mehr als einer Fehlgeburt wichtig
Etwa die Hälfte aller Frühschwangerschaften endet unbemerkt, weil der Embryo nicht überlebensfähig gewesen wäre. Bei den festgestellten Schwangerschaften beträgt dieser Anteil mindestens 15 bis 20 Prozent. Eins von hundert Paaren mit Kinderwunsch erleidet drei oder gar mehr Fehlgeburten. In diesen Fällen ist es sinnvoll einen Kinderwunsch-Spezialisten aufzusuchen.
„Mit der Anzahl der Fehlgeburten steigt das Risiko, eine erneute Fehlgeburt zu bekommen. Denn dann es ist wahrscheinlich, dass sich ein medizinisches Problem dahinter verbirgt”, sagt Nina Rogenhofer. Die Professorin ist stellvertretende Leiterin des Hormon- und Kinderwunschzentrums am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München.
Ursache für Fehlgeburt nicht immer zu klären
Das Kinderwunschzentrum der LMU bietet eine spezielle Sprechstunde für Frauen mit wiederholten Aborten an. Experten versuchen dort, die Gründe für die Fehlgeburten herauszufinden. Dies gelingt aber nicht immer: „In etwa 40 bis 60 Prozent der Fälle bleibt die Ursache ungeklärt”, so Nina Rogenhofer. Klar sei aber, dass sich mit zunehmendem Alter der Schwangeren die Wahrscheinlichkeit für Fehlgeburten erhöhe.
Genetische Ursachen für Fehlgeburten
„Bei einzelnen, aber auch bei wiederholten Aborten sind relativ häufig Chromosomenschäden beim Embryo der Grund”, erklärt Nina Rogenhofer. „Das Embryo ist dann nicht überlebensfähig.” Meist entstehen solche Chromosomenschäden durch eine zufällige Fehlverteilung des Erbguts von Mutter und Vater auf die embryonale Anlage.
Falsche Chromosomenzahl
Bis zur neunten SSW liegt eine Fehlgeburt zu 50 bis 70 Prozent an der Chromosomsenzahl des Embryos. Anstatt wie vorgesehen paarweise können die Chromosomen dann einzeln (Monosomie) oder dreifach (Trisomie) vorhanden sein.
Zur Erklärung: Zwei Chromosomen bilden jeweils ein Chromosomenpaar. Auf einem Chromosom sind die Gene festgelegt. Das heißt die Chromosomen sind die Träger eures Erbguts. Sie sehen aus wie lang ausgestreckte Perlenketten.
In diesen Fällen kann eine weitere Schwangerschaft mit einer guten Wahrscheinlichkeit erfolgreich verlaufen.
Seltener kommt es vor, dass Chromosomenveränderungen von Mutter oder Vater an den Embryo weitergegeben werden. Das Risiko für weitere Fehlgeburten ist dann erhöht. Beim Verdacht auf genetische Ursachen, die bei Mutter oder Vater liegen, kann sich eine Genanalyse und Beratung empfehlen.
Wann ist Präimplantationsdiagnostik erlaubt?
„Bestimmte genetische Veranlagungen können eine Indikation für eine künstliche Befruchtung mit Präimplantationsdiagnostik sein”, sagt Professorin Rogenhofer. Eine Präimplantationsdiagnostik (PID) ist erlaubt, wenn wegen der genetischen Veranlagung von Mutter oder Vater eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Fehl- oder Totgeburt oder eine schwere Erkrankung des Kindes besteht. Bei einer PID werden die durch künstliche Befruchtung entstandenen Embryonen auf das Krankheitsgen hin untersucht. Anschließend werden nur die gesunden Embryonen in die Gebärmutter eingesetzt.
Was ist eine Polkörperdiagnostik?
Auch ohne festgestellte Erberkrankung erlaubt ist die sogenannte Polkörperdiagnostik. Hierbei wird nach einer künstlichen Befruchtung genetisches Material der Eizelle im Labor untersucht, aber bevor die Befruchtung vollständig abgeschlossen ist. Hierbei können Fehler bei der Chromosomenverteilung erkannt werden, die mit zunehmendem Alter der Frau häufiger auftreten. Allerdings wird eben nur das Genmaterial der Eizelle untersucht, nicht das des Embryos. Es können also noch Chromosomenschäden auftreten, die vom Vater weitergegeben wurden, oder die bei Abschluss der Befruchtung entstehen.
Fehlgeburten wegen Veränderungen der Gebärmutter
„Auch anatomische Veränderungen oder Entzündungen der Gebärmutter können der Grund dafür sein, dass wiederholt Aborte auftreten”, sagt Nina Rogenhofer. Bei etwa 10 Prozent der Frauen, die mehrfach Fehlgeburten erleiden, können Auffälligkeiten der Gebärmutter festgestellt werden. Häufig befinden sich bei ihnen feine Trennwände (Septen) oder andere Verwachsungen in der Gebärmutter. Oder in der Gebärmuttermuskulatur haben sich Knoten (Myome) gebildet, die in deren Inneres hineinragen.
Wenn der Verdacht auf solche Veränderungen besteht, kann die Gebärmutter mit einer Spiegelung untersucht werden Sollten Septen die Ursache sein, können diese während der Gebärmutterspiegelung operativ entfernt werden. Die Chancen auf eine erfolgreich verlaufende Schwangerschaft lassen sich dadurch steigern.
Schlechte Versorgung des Embryos führt oft zu Fehlgeburt
„Wenn das Blut im Mutterkuchen verdickt ist, also zu stark gerinnt, kann das die Versorgung des Kindes behindern und zu Fehlgeburten führen”, so Nina Rogenhofer vom Kinderwunschzentrum der LMU-München. Falls eine solche Gerinnungsstörung die Ursache für wiederholte Fehlgeburten ist, kann versucht werden, die Blutgerinnung während der Schwangerschaft mit Medikamenten zu beeinflussen. Als blutverdünnende Medikamente werden dabei Acetylsalicylsäure (ASS) oder Heparin eingesetzt. Eine Behandlung muss dabei in jedem Fall unter ärztlicher Kontrolle durchgeführt werden.
Immunologische Ursachen häufig bei Fehlgeburt
In vielen Fällen ist eine überschießende oder fehlgesteuerte Reaktion des Immunsystems der Grund für Fehlgeburten. So kann das Immunsystem der Mutter das eigene Gewebe schädigen und dadurch die Schwangerschaft gefährden. Möglich ist auch, dass das Immunsystem der Mutter mit einer Abwehrreaktion auf den Embryo reagiert. Normalerweise wird dies durch einen speziellen Schutzmechanismus des Körpers verhindert. Dieser Schutz kann aber dann gestört sein, wenn sich bestimmte genetische Eigenschaften von Mutter und Vater zu sehr ähneln, dies ist beim sogenannten HLA-Sharing der Fall.
Wenn eine Immunreaktion als Ursache für wiederholte Fehlgeburten vermutet wird, kann versucht werden, die überschießende Reaktion des Immunsystems durch eine Behandlung zu regulieren. Die Chancen auf eine erfolgreiche Schwangerschaft können sich dadurch erhöhen.
Fehlgeburten aufgrund einer Infektion
Auch unerkannte Infektionen mit Viren, Bakterien oder Pilzen können Fehlgeburten verursachen. Meist treten solche Fehlgeburten erst nach dem zweiten Schwangerschaftsdrittel auf. Hinweis auf eine Infektion können ein Blasensprung, Fieber oder andere Infektionssymptome geben. Ein erhöhtes Risiko besteht bei einer Muttermundsschwäche, bei der Erreger durch den Muttermund in die Gebärmutter und das Fruchtwasser gelangen können.
Wenn Infektionen zu wiederholten Aborten führen, kann eine Antibiotikatherapie helfen oder eine Überwachung der vaginalen Bakterienbesiedelung. Bei einer Muttermundsschwäche kommt auch ein chirurgischer Verschluss des Muttermunds in Frage.
Hormonstörungen wie PCO-Syndrom als Ursache für Fehlgeburten
Auch hormonelle Störungen sind eine mögliche Ursache für wiederholte Fehlgeburten. „Frühe Aborte können die Folge eines Polyzystischen Ovarialsyndroms (PCOS) sein”, sagt Nina Rogenhofer. Bei Frauen mit PCO-Syndrom ist die Ausreifung der Eizellen gestört. Dies kann zu einer verminderten Fruchtbarkeit führen. Wenn es doch zu einer Schwangerschaft kommt, endet diese oft schon bald nach der Einnistung der befruchteten Eizelle.
Das PCO-Syndrom tritt häufig in Zusammenhang mit Übergewicht auf und lässt sich durch eine Ernährungsumstellung und Gewichtsverlust behandeln. Unterstützend können Medikamente helfen.
Auch andere Formen hormoneller Störungen können das Risiko für Fehlgeburten erhöhen. Je nach Art der Hormonstörung gibt es unterschiedliche Therapiekonzepte.
Häufigere Fehlgeburten nach künstlicher Befruchtung
Fehlgeburten, die nach einer künstlichen Befruchtung auftreten, seien grundsätzlich von anderen Fehlgeburten zu unterscheiden, sagt Nina Rogenhofer vom LMU. „Nach einer künstlichen Befruchtung ist die Abortrate erhöht, weil man Schwangerschaften hergestellt hat, die auf natürlichem Wege nicht zustande gekommen wären.”
Dies gelte vor allem für die sehr frühe Phase der Schwangerschaft. Ab dem Moment, in dem Herztöne feststellbar seien, sei die Wahrscheinlichkeit für den Erhalt ähnlich wie bei einer natürlich zustande gekommenen Schwangerschaft.
Professionelle Hilfe bei wiederholter Fehlgeburt
Gerade bei einem unerfüllten Kinderwunsch ist die Enttäuschung bei einer Fehlgeburt nach dem Feststellen der Schwangerschaft riesengroß. Denn du und dein Partner habt wahrscheinlich schon eine emotionale Verbindung zu dem kleinen Menschlein hergestellt und euch sehr auf euer Wunschkind gefreut.
Neben medizinischer Hilfe kann es für euch als Paar wichtig sein, sich auch professionelle psychologische Unterstützung zu suchen. Lest hierzu auch unser Interview mit Kinderwunsch-Coach Carmen Manuela Schmickler.
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