Wünsche, Wirklichkeit und volle Windeln
Fünf Väter trafen sich in der kidsgo-Redaktion, um mit uns und miteinander über ihre Erfahrungen zu sprechen. Die kleine Runde bot eine Überraschung. So unterschiedlich die Väter auch waren, der eine Oberarzt, der andere Koch, einer Student, einer Abteilungsleiter und einer Erzieher, in vielen Punkten ließen sich erstaunliche Parallelen entdecken. Und eines zog sich wie ein roter Faden durch das gesamte Gespräch: Die Liebe zu den Kindern und der eigene Anspruch, ein guter Vater zu sein.kidsgo: Hat das hohe Engagement für deine Kinder berufliche Konsequenzen und was sagen die Kollegen dazu?
Dr. Markus Zutt (38)
Dermatologe, Oberarzt an einer Uniklinik, drei Töchter, Mathilde (9 Monate), Emily (5) und Muriel (8).
Markus: Man muss immer wieder Prioritäten setzen. Bei den größeren Mädchen hatte ich noch nicht die Freiheit, das Angebot der Erziehungs- bzw. Elternzeit zu nutzen. Ehrlich gesagt, hab ich da auch noch nicht so über die Wertigkeit nachgedacht. Jetzt sind die Voraussetzungen allerdings anders. Ich habe inzwischen einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Das spielt eine Rolle. Dass man über ein gesundes Selbstbewusstsein und einen sicheren Stand verfügt. Ich habe mit der Zeit ein breites Kreuz und ein dickes Fell bekommen. Was die Kollegen betrifft, die waren eher skeptisch. Bei uns hat gerade ein Chefwechsel stattgefunden. Einige fragten mich, ob ich nicht Angst hätte, gerade in einer solchen Umbruchphase eine Auszeit zu nehmen. Wie schnell könne man heute auf dem Abstellgleis landen. Sehe ich aber nicht so. Ich weiß, was ich kann und dass ich gebraucht werde. Meine Patienten wissen auch Bescheid. Die finden es großteils alle toll. Trotzdem spüre ich eine gewisse Skepsis. Bei den Männern übrigens mehr, als bei Frauen.
„Meine Karriere war mir immer sehr wichtig“
Andreas Gerlach (37)
Anzeigenleiter eines Zeitungsverlages, zwei Töchter, Annina (7), Hannah (4) und ein Sohn, Gerrit (12).
Andreas: Also an Selbstbewusstsein fehlt es mir bestimmt nicht. Meine Karriere war mir aber immer sehr wichtig und meine Frau und ich waren uns von Anfang an darin einig, dass sie zu Hause bleibt und ich das Geld verdiene. In unserem Verlag herrschen strenge Hierarchien und meine jetzige Position hätte ich nie bekommen, wenn ich meine Familie offensichtlich zu sehr in den Vordergrund gestellt hätte.
Patrick Hinsch (26)
Erzieher, eine Tochter Rieke (3 Monate)
Patrick: Da geht’s mir ja wirklich besser. Ich arbeite ebenso, wie meine Frau, die auch Erzieherin ist, in einem typischen Frauenberuf. Durchaus ein Vorteil. Von meinen Kollegen bekomme ich vollste Unterstützung. Die sind alle sehr sozial und selber Eltern. Als Hauptverdiener kann ich nicht mehr als zwei Monate in Anspruch nehmen. Mir ist es wichtig, meine Tochter einen - wenn auch nur kleinen - Lebensabschnitt ganz besonders intensiv zu begleiten.
Karsten Eichfuss-Schönrogge (42)
Karsten Eichfuss-Schönrogge (42),
Koch, vier Kinder. Zwei aus einer früheren Beziehung: Carolina (20) und Julian „Micky“ (13). Sowie Jonna (11 Monate) und Lilli (4 3/4)
Karsten: Bei Lilly war ich zwei Jahre zu Hause und bei Jonna nahm ich gleich die acht Wochen direkt nach der Geburt. Als ich mich für zwei Jahre Erziehungsurlaub entschied, hatte ich keinen Fulltime-Job. Es war auch eine materielle Entscheidung, meine Frau verdiente als Lehrerin mehr als ich. Ich arbeitete in einer pädagogischen Einrichtung und meine Kollegen fanden es klasse. Unsere Freunde haben ohnehin eine ähnliche Einstellung wie wir. Rückblickend muss ich sagen, dass die Entscheidung eher von den eigenen Familien kritisch hinterfragt wurde.
„Das war eine große Herausforderung“
Sinann (30)
studiert Sportwissenschaften, Physiologie und Arabistik.
Eine Tochter, Salem (1 3/4). Im März erwarten er und seine Frau Kristin ihr zweites Baby.
Sinnan: Studenten haben andere Probleme. Meine Frau und ich haben zwei Wochen nach der Geburt wieder die Vorlesungen besucht. Das war eine große Herausforderung, die Prüfungen mit Baby zu schaffen. Wir haben Glück, dass Salem so ein liebes Kind ist. Der Schlafentzug hatte aber Folgen: Wir sind beide schlechter geworden! Uns stand natürlich viel weniger Lernzeit zur Verfügung als unseren Kommilitonen. Früher haben wir gern Kurse gemeinsam belegt. Da ist uns vieles leichter gefallen. Der eine hat den anderen mitgezogen.
Patrick: Mich würde mal interessieren, wie Karsten die zwei Jahre zu Hause erlebt hat.
"Auf den Spielplätzen war ich eine gern gesehene Ausnahme".
Karsten: Ehrlich gesagt, hatte ich’s mir einfacher vorgestellt. So richtig bilderbuchmäßig: Das Kind spielt friedlich auf dem Teppich, während man mal eben ganz nebenbei die Wohnung macht und sich später gemütlich mit Freunden trifft. Da klafften Wunsch und Wirklichkeit mitunter ganz schön auseinander. Ich habe in dieser Zeit alles gemacht, was Mütter immer schon per se gemacht haben. Das gesamte Haushaltsmanagement eben. Von Boden wischen bis Windeln wechseln. Auf den Spielplätzen war ich natürlich eine gern gesehene Ausnahme und wurde von den anderen Müttern wohlwollend angenommen. (lacht) Das habe ich schon genossen. Ich war auch stolz darauf, dass es Situationen gab, da wollte Lilly nur zu mir auf den Arm. Es entsteht eine innige Bindung, die sich mit weniger Zeit so leicht nicht aufbauen lässt. Das war eine unglaublich schöne Erfahrung, so sehr von meinem Kind gebraucht zu werden. Lilly und ich waren (und sind) ein eingespieltes Team. Kinder brauchen einfach intensive Zeit. Ausgehen fällt oft weg. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man später immer noch ins Kino und Theater gehen kann. Aber verpasste Augenblicke mit den Kindern sind nicht wiederholbar. Der Ehrlichkeit halber muss ich euch aber sagen, dass ich mich nach anderthalb Jahren schon darauf gefreut, demnächst wieder zu arbeiten.
Bild: Litha
kidsgo: Wie verbindest du Elternsein mit der Partnerschaft?
Markus: Meine Frau ist Diplom-Sprachenlehrerin. Sie managt seit acht Jahren die Familie. Trotz Karriere bin ich ein Familientyp und ich habe sie in der Vergangenheit sogar manchmal beneidet. Wir freuen uns beide sehr darauf, in den zwei Monaten Elternzeit das Familienleben miteinander ausgiebig zu genießen. Zeit für die Kinder und uns zu haben. Vielleicht noch mehr als sonst, zu uns zu finden.
Patrick: Ja, das ist wirklich wichtig, dass die Kommunikation untereinander nicht zu kurz kommt. Meine Frau und ich wissen, dass es wichtig ist, miteinander zu reden, auch oder gerade, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Es ist unheimlich schön, eine eigene kleine Familie zu haben, das macht alles rund.
„Wir verlassen uns auf unser Gefühl“
Bild: Litha
Sinnan: So ist es. Wir sind beide kompromissbereit und in unsere Aufgaben gemeinsam rein gewachsen. Und wir verlassen uns auf unser Gefühl, das Richtige zu tun. Wir unterstützen uns in jeder Hinsicht gegenseitig und sind uns meistens einig. Wobei ich etwas strenger bin. Für ein zweites Baby haben wir uns ganz bewusst entschieden. Seit Salma die Krippe besucht, haben wir auch wieder etwas mehr Zeit füreinander.
Karsten: In den zwei Jahren Erziehungszeit gab’s schon so eine Art Rollentausch. Wenn Jenny von der Arbeit nach Hause kam, dann wollte ich etwas vorweisen. Da sollte der Haushalt sauber, das Baby versorgt und das Essen fertig sein. Es herrscht, glaube ich, bei einer solchen Konstellation eine gewisse Erwartungshaltung auf beiden Seiten. Da muss man achtsam sein, nicht ins Klischee zu rutschen. Kommt natürlich auch drauf an, ob man’s gerne macht. Wer da zu blauäugig reingeht, kann Probleme bekommen. Jetzt beneide ich Jenny manchmal wieder, zum Beispiel in der Weihnachtszeit, als sie so viel Zeit mit den Kindern verbringen konnte. Umgekehrt wäre sie manches Mal lieber arbeiten gegangen. Jonna wird mit eineinhalb in die Krippe gehen. Dann sieht wieder alles anders aus. Ich möchte behaupten, dass ich heute ein besserer Partner und ein besserer Papa bin, als früher. Ich habe mehr Zeit, mehr Ruhe, mehr Geduld. Die Muße ist ungeheuer wichtig.
Andreas: Muße kenne ich eigentlich gar nicht mehr. Jetzt ist vieles anders, als in der Zeit, als wir beide noch berufstätig waren. Meine Frau Sarah ist jetzt sehr häufig mit den Kindern beschäftigt und es gab eine Phase, da fühlte ich mich etwas vernachlässigt. Aber wir haben offen drüber geredet und ich habe eingesehen, dass das egoistisch von mir war.
„Ich bin kein Karrieremensch“
Bild: Litha
kidsgo: Wie siehst du dich selbst in deiner Vaterrolle?
Patrick: Ich entspreche so gar nicht dem typischen Männerbild. Ich mache gerne Hausarbeit, so richtig mit kochen und putzen. Ich könnte mir auch gut vorstellen, ganz zu Hause zu sein, also den kompletten Rollentausch, wie bei Karsten. Ich bin kein Karrieremensch. Für mich ist es viel wichtiger, zu Hause zu sein. Ich hatte schon als sehr junger Mann ganz klare Vorstellungen von Familie und Partnerschaft. Ich möchte als Mann auch in der Erzieherrolle gleichberechtigt sein und mein Kind intensiv erleben. Jeden Tag, wo so viel Wichtiges passiert.
Angebote für Väter
Angebote für Väter in deiner Nähe: Angebote für Väter
Sinnan: Ja, das geht mir auch so. Ich wollte es von Anfang an anders machen, als mein Vater. Der war Mediziner und hat sehr viel gearbeitet. Ich habe ihn fast nie gesehen. Das war auch ein Grund für mich, nicht Medizin zu studieren. Ich kann mir gut vorstellen, diesmal eine Auszeit zu nehmen, wenn unser zweites Kind zur Welt kommt. Man kriegt viel mehr mit. Das möchte ich nicht missen. Jedes Mal, wenn es etwas Neues lernt, hautnah bei ihm zu sein.
Karsten: Mein Vater war auch ganz anders als ich. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er je mit mir auf einem Spielplatz war. Ich mochte Kinder schon immer gerne, mit Anfang 20 dachte ich allerdings noch mehr an mich und glaubte, etwas zu verpassen. Heute ist das anders. Ich zähle mich aber immer noch nicht zu den so genannten „neuen“ Männern, die „das Land“ schon in den Achtzigern brauchte. Ich mag auch den Begriff nicht. Ich hab immer schon im Sitzen gepinkelt. Aber ganz im Ernst, für mich war es selbstverständlich, von Anfang an einen innigen Kontakt zu meinen Kindern aufzubauen und auch zu halten.
„Ich hab immer schon im Sitzen gepinkelt“
Andreas: Wenn ich euch so höre, macht mich das etwas traurig. Sicher habe ich da viel verpasst. Aber bei mir hätte sich selbst eine berufliche Auszeit von nur acht Wochen nicht realisieren lassen. Manchmal fühle ich mich hin- und her gerissen zwischen Job und Familie. Aber ich versuche schon, mir an den Wochenenden viel Zeit für die Kinder zu nehmen, denn wenn ich am Abend nach Hause komme, schlafen sie meistens schon.
Markus: Mein Vater hat seine Rolle gut erfüllt. Vielleicht so, wie ich dich einschätze, Andreas. Er hatte Zeit für uns Kinder, obwohl er beruflich sehr eingespannt war. Er war insofern ein gutes Vorbild. Ich hätte übrigens auch kein Problem damit, länger zu Hause zu bleiben.
Patrick: Fände ich auch gut, aber das muss man sich auch finanziell leisten können.
Markus: So ist es und darum geht das auch nicht. 1800 Euro sind nicht viel für eine fünfköpfige Familie. Da müsste man Geld drauflegen. Ich arbeite jetzt schon an Feiertagen und übernehme Dienste vorweg, um die zwei Monate auszugleichen.
kidsgo: Welchen Wunsch hast du für die Zukunft mit deinen Kindern?
„Kinder sind absolut „aktive Erholung“
Markus: Ich möchte unser schönes Familienleben intensivieren und noch eine ganze Menge daraus mitnehmen. Kinder sind absolut „aktive Erholung“. Nach Erlebnissen mit ihnen ist man weit besser drauf als nach einem Besuch im Kino und im Fitnessstudio.
Sinnan: Eigentlich bin ich schon glücklich. Aber wenn ich mir was wünschen darf, dann an erster Stelle, dass wir alle gesund bleiben und dass alles so harmonisch weitergeht, wie bisher.
Patrick: Ja, Gesundheit für alle und dass wir weiterhin so gut miteinander auskommen.
Karsten: Noch viele, schöne Jahre mit meiner Frau und den Kindern.
Andreas: Dass meine Kinder später einmal sagen: Wir hatten eine schöne Kindheit.
kidsgo: Hat jemand von Ihnen vielleicht noch einen Rat für andere Väter?
Patrick: Mutig hinein zu treten in das Wagnis, Kinder zu erziehen. Sich für die Kinder so viel Zeit zu nehmen, wie möglich, ohne dabei unter Druck zu geraten. Mit Zwang geht das nämlich nicht. Es genügt schon, die Zeit zu nutzen, die man hat. Der beste Vater ist für mich der, der er selbst, der authentisch ist.