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Experten-Interview - „Frauen wollen Unabhängigkeit“

Beim Geld hört die Freundschaft auf, sagt der Volksmund, und manchmal auch die Liebe. Warum es so schwer ist, in der Partnerschaft über Geld zu sprechen, und wie sich der Streit darum lösen lässt, erklärt der Göttinger Paartherapeut Alois Kerklau im Interview.

In diesem Artikel:

Alois Kerklau


Alois Kerklau arbeitet als Paar- und Familientherapeut und Mediator in Göttingen

Frauen shoppen anders

kidsgo: Gehen Frauen und Männer unterschiedlich mit Geld um?

Alois Kerklau: Grob gesagt, schon. Frauen haben sicherlich andere Prioritäten, wofür sie ihr Geld ausgeben als Männer. Die Tatsache, dass Frauen größtenteils nach wie vor schlechter bezahlt werden und über weniger Geld verfügen als Männer, ist sicherlich mit der Grund dafür, dass sie heute in Beziehungen eher sehr bewusst darauf achten, ihr eigenes Geld, ihr eigenes Konto zu haben und damit ihre Unabhängigkeit zu spüren. Andererseits hat der Umgang mit Geld aber auch sehr viel mit den prägenden Erfahrungen jedes Einzelnen in seiner Herkunftsfamilie zu tun.

kidsgo: Was verändert sich, wenn ein Kind kommt?

Alois Kerklau: Dann verändert sich alles, in der Regel auch der Umgang mit den Finanzen. Durch das Kind entsteht eine neue Verantwortlichkeit füreinander. Hatten die Partner vor der Geburt meist noch getrennte Konten, stellt sich jetzt die Frage nach einem gemeinsamen Familienkonto. Meist ist ja auch noch weniger Geld vorhanden, da mindestens einer der beiden in Elternzeit geht oder für die Betreuung zeitweise mit der Berufstätigkeit aussetzt, so dass sich auch dadurch die Frage für die Partner aufdrängt, wie gehen wir jetzt mit unserem jeweiligen Geld um?

Ein Konto für die Liebe

kidsgo: Ist ein gemeinsames Konto ein Ausdruck von Liebe?

Alois Kerklau: Im gemeinsamen Konto kommen die romantische Idee der Liebe und der pragmatische Umgang mit Geld zusammen. Auf diese Weise versuchen viele Paare auch, die unterschiedliche Arbeit – Berufstätigkeit und Familienarbeit – nicht unterschiedlich zu bewerten. Es ist zudem ein Zeichen: Wir gehen gemeinsam ein Zukunftsprojekt an. Das bedeutet Vertrauen zueinander haben, ein starkes Sich-Einlassen aufeinander, ein Zusammenlegen und Teilen.

kidsgo: Warum gibt es dann so häufig Streit ums Geld?

Alois Kerklau: Unterschiedliche Charaktere, unterschiedliche Lebenskonzepte und persönliche Werte und Bewertungen drücken sich auch im Umgang mit Geld aus: Der eine ist z. B. lustbetonter und spontaner als der Partner, der andere überlegter und sparsamer, entsprechend unterschiedlich gehen sie mit Geld um und entsprechend regt Mann bzw. Frau sich hier auf.

kidsgo: Was kann da helfen?

Alois Kerklau: Die Partner müssen sich aufeinander zubewegen und großzügiger miteinander sein. Gut ist, wenn sie von einander die tieferen Beweggründe für ihren unterschiedlichen Umgang mit Geld verstehen.

Geld und Sex – immer noch Tabus

kidsgo: Was macht es so schwer, über Geld zu sprechen?

Alois Kerklau: Im Grunde ist Geld wie Sex nach wie vor ein tabuisiertes Thema. „Über Geld spricht man nicht“, heißt es. Selbst in der Partnerschaft ist es oft mit Scham besetzt. Da können Unterschiede deutlich werden, sogar Trennendes – und das wollen viele Paare vermeiden. Außerdem berührt das Thema immer auch die Ebene der Gleichheit und Ebenbürtigkeit in der Partnerschaft, also wer bestimmt.

Geld-Vertrauen

Vertrauen ist die beste Beziehungswährung. Damit sich niemand übervorteilt fühlt: Macht Kassensturz, wenn ihr zusammenzieht! Legt alle Einnahmen- und Vermögensquellen offen – als Basis für die Entscheidung, wie ihr mit den Finanzen weiter umgehen wollt. Das gleiche gilt für das Zeitbudget: Wer eine Vollzeitstelle hat, kann nicht so oft das Bad putzen wie ein Teilzeitbeschäftigter. Er hat aber meist mehr Geld, kann also diese Quelle stärker in den gemeinsamen Haushalt einbringen. Klärt diese Fragen gleich zu Anfang eures gemeinsamen Lebens - eine gute Grundlage, um vertrauensvoll in die Zukunft zu schauen!

kidsgo: Worüber sollten Eltern miteinander sprechen?

Alois Kerklau: Was sind unsere gemeinsamen Prioritäten? Wie viel darf/soll jeder für sich haben und selbst bestimmen? Was wollen und was können wir uns in der nächsten Zeit leisten? Ein guter Weg sind die Zwiegespräche nach Michael Lukas Möller: Es wird eine feste regelmäßige Zeit verabredet, zum Beispiel jeden Dienstagabend 20.30 Uhr für eine oder eineinhalb Stunden. Jeder hat gleich viel Zeit, einfach zu berichten, was sie/ihn beschäftigt. Der andere hört nur zu, stellt höchstens Verständnisfragen, ohne zu kommentieren oder selbst seine Sichtweise darzulegen. So erhält der Partner tiefe Einblicke in die Gefühlswelt des anderen– und damit auch auf die Hintergründe für Entscheidungen oder Werthaltungen, die den Umgang mit Geld betreffen.

kidsgo: Zeit für die Paarbeziehung freischaufeln ist mit einem Baby nicht einfach.

Alois Kerklau: Ganz sicher nicht. Aber es ist wichtig und hält die Liebe am Leben. Viel stärker als das kleine Kind bestimmt die meisten Menschen in der heutigen Zeit allerdings die Berufstätigkeit. Immer mehr stöhnen unter dem Zwang der ständigen Verfügbarkeit für den Arbeitgeber. Das wird aber eher hingenommen als die im wahrsten Sinn des Wortes schreiende Bedürftigkeit des Babys. Ein Netzwerk aufbauen, das hilft, mit diesen Belastungen umzugehen und so als Paar in liebevollem Kontakt bleiben zu können – auch das ist eine wichtige Aufgabe von Elternschaft.

Interview: Heiner Wacker