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Familie und Beruf - Rabenmutter oder Supermama

Für die einen sind es Rabenmütter, für die anderen die Vorzeigefrauen der neuen Generation – Mütter, die ihre Kinder „fremd betreuen“ lassen, um Job und Familie zu vereinbaren. Sie werden häufig mit den kontroversesten Argumenten bombardiert. Mütter, die ihren Job komplett aufgeben, um sich ausschließlich um die Familie zu kümmern, übrigens auch. Was also tun?

In diesem Artikel:

Ein Kind braucht seine Mutter

Ein Kind, so der allgemeine Tenor, braucht seine Mutter. Richtig. Aber wie lange? Und ausschließlich? Wer entscheidet, ob ein Kind mit sechs Wochen in der Krippe gut aufgehoben ist oder nicht vor dem 3., 6. oder 10. Lebensjahr außer Haus betreut werden sollte? Wer bestimmt, dass eine Frau „ihren Job“ als Mutter nur gut macht, wenn sie rund um die Uhr verfügbar ist?

Die öffentliche Diskussion ... nur die halbe Wahrheit

Finanzexperten streiten über die Kosten von Betreuungsplätzen, Pädagogen mahnen mangelnde Qualifikationen der Erzieherinnen für den Kleinstkindbereich an und Entwicklungspsychologen weisen auf die Folgen hin, die lange Krippenaufenthalte für die Kleinen haben können. Die Argumentationen sind vielfältig und oft widersprüchlich. Und oft verwirren sie mehr, als dass sie Klarheit bringen.

Zum Beispiel die Langzeitstudie des National Institute of Child Health and Disease (NICHD). Spätestens seit Veröffentlichung der Ergebnisse sind Mütter von (potentiellen) Krippenkindern verunsichert. Der Studie zufolge werden die Kinder, die zu früh und für zu lange Zeit fremd betreut werden, später eher verhaltensauffällig als Kinder, die zu Hause betreut wurden. Die Auffälligkeiten blieben dabei allerdings im normalen Rahmen. Aha.

Oder die vom Familiennetzwerk e. V. in Auftrag gegebene IPSUS-Umfrage. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass 8 von 10 Müttern, die ihre Kinder in den ersten drei Lebensjahren ausschließlich zu Hause betreut haben, dies auch anderen Müttern empfehlen würden ... Unter der Voraussetzung, eine staatliche Förderung von 1.000 Euro in den ersten drei Lebensjahren zu erhalten. Mit der in den kommenden Jahren wohl kaum zu rechnen ist. (Anm. der Red.). Mhm.

Aufschlussreich auch das Ergebnis der Teilgruppe der befragten Mütter, die bereits außerhäusige Betreuung für ihre Kinder genutzt hatten. Hier würden 45 Prozent der Mütter Kinderbetreuung auch trotz Erhalt von 1.000 Euro nutzen (in den neuen Bundesländern sogar 52 Prozent). Ah, ja. Dass Kinderbetreuung in Anspruch zu nehmen offensichtlich nicht nur eine Frage der Finanzen ist, war schon vorher fast klar. Schließlich schätzen auch Vollzeit-Mütter die sozialen Kontakte und Kompetenzen, von denen Kinder im Zusammensein mit Altersgenossen profitieren. So weit, so gut.

 Die andere Seite der Medaille

Bei der ganzen Diskussion um Krippenplätze fragt allerdings kaum einer danach, wie sich Mütter fühlen, die den Spagat zwischen Kind und Job wagen (müssen) und sich ständig im Zwiespalt befinden. Was ist mit den Müttern, die gerne arbeiten möchten, aber keinen lukrativen Job finden? Mit denen, die ihr Kind viele Stunden betreuen lassen müssen, weil sie familien-un-freundliche Arbeitsbedingungen haben oder mit denen, die keinen Krippenplatz erhalten können?

Bei den derzeitigen Rahmenbedingungen kann von Wahlfreiheit kaum die Rede sein. Es sei denn, Wahlfreiheit bedeutet, sich zwischen zwei Klischees entscheiden zu müssen – dem der karrieresüchtigen Rabenmutter oder dem der beruflich nicht vollwertigen Nur-Mutter. Beide werden der Gegenwart nicht mehr gerecht. Den eines ist klar: Das 50er Jahre-Idyll vom alleinigen Ernährer stirbt zusehends aus und karrieresüchtige Rabenmütter sind eher die Ausnahme als die Regel. Für die meisten Mütter heute zählt weder totale Selbstaufgabe noch Selbstverwirklichung um jeden Preis. Familie ist für den Großteil nach wie vor das Wichtigste im Leben, aber Familie funktioniert nur dann, wenn jeder Einzelne darin genug Freiraum für eigene Interessen und Neigungen hat.

Wahlfreiheit – was Eltern wirklich brauchen

In den USA ist es Standard, Kinder mit sechs Monaten in die Krippe zu geben, Vollzeit versteht sich. Für unsere französischen Nachbarn ist es selbstverständlich früh in den Beruf zurückzukehren und die staatlich finanzierte Kinderbetreuung zu nutzen. Und in Schweden sind flexible Betreuungseinrichtungen schon seit langem selbstverständlich. Vermutlich, weil Kinder und arbeitende Eltern einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft haben.

Wer fordert, Kinder nicht vor dem 14. Lebensmonat und dann nicht länger als 20 Wochenstunden in der Krippe betreuen zu lassen, wie Wissenschaftler in Deutschland derzeit, sollte auch dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Die sind in Deutschland derzeit für alles andere als für eloquente Familienmanagerinnen gemacht. Im Wesentlichen brauchen Eltern drei Voraussetzungen, um sich frei für oder gegen Kinderbetreuung im Kleinkind-Alter zu entscheiden: Finanzielle Unabhängigkeit, ein qualifiziertes Betreuungsangebot und vor allem gesellschaftliche Anerkennung ihrer persönlichen Entscheidung.

Ein dickes Fell und Nerven wie Drahtseile

Bis sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Vereinbarung von Familie und Beruf entsprechend verbessert haben, hilft nur eins: Sich mit Beginn der Schwangerschaft ein dickes Fell und Nerven wie Drahtseile zulegen. Und vor allem: Sich nicht ins Bockshorn jagen lassen von überalterten oder kleingeistigen Argumenten. Die Mehrfachbelastung von Job, Kind, Karriere und Familie müsst ihr als Eltern ohnehin allein tragen. Deshalb solltest du die Entscheidung treffen, die du mit deinem Kindern und deinem Partner gemeinsam am besten tragen können. Öffentliche Diskussionen sind gut als Anregung, verbreiten aber auch unnötigen Druck. 

Lasse Klischees und Worst-Case-Szenarien nicht zu dicht an sich heran. Halten dich lieber an die“ harten Fakten: Kann ich mir Betreuung bzw. Verdienstausfall leisten? Gibt es einen Betreuungsplatz, an dem sich mein Kind gut aufgehoben fühlt? Und triff die Entscheidung so, wie es sich für dich persönlich am Richtigsten anfühlt. Und wenn sich herausstellt, dass dein Arbeits- und Familienmodell in dieser Form nicht funktioniert – wer hindert dich daran, es entsprechend zu ändern?