wie unsinnige Diagnosen verunsichern können
13 Uhr, Dienstag
So, Johann erhält heute von mir seine erste private PEKiP-Stunde: Er liegt nackt auf seiner Decke und strampelt bei 26 Grad Celsius im Bad vor sich hin. Mir fällt leider nichts anderes ein, um ihn bei Laune zu halten. Er braucht tagsüber immer mehr Beschäftigung. Wir haben heute schon den zweiten Vormittag in Folge komplett verschlafen. Er wird jetzt immer zwischen sechs und sieben wach und schläft ab um neun noch mal richtig tief mit mir ein, falls wir keine Termine haben. Leider ist das nächtliche Schlafen eine einzige Katastrophe. Er schafft es i.d.R. nicht mehr länger, als ein bis zwei Stunden am Stück zu schlafen, bevor er wach wird. Leider habe ich in meiner Müdigkeit und Inkonsequenz zugelassen, dass er dann sofort die Brust bekommt. So lässt er sich inzwischen durch nichts mehr richtig beruhigen. Okay, heute Nacht hat der Schnuller einmal geholfen, war trotzdem oft mit ihm wach.
So, Unterlage habe ich jetzt schon zweimal gewechselt, Gerade liegt er auf dem Bauch und untersucht seine Rassel. Also kann es weitergehen....
Letzte Woche war ich mit ihm bei der U4. Er ist seit seiner Geburt 10 cm gewachsen und hat drei Kilo zugenommen. Damit liegt er absolut im Durchschnitt. Nur der Kopfumfang ist weiterhin ziemlich groß, was mich nicht weiter verwundert hat. Ich hatte mich ganz ausführlich auf das Impfthema vorbereitet. Mein derzeitiger Kinderarzt möchte zur U4 sozusagen als Hausaufgabe einen genauen Impfplan haben, was wann geimpft werden soll bzw. was abgelehnt wird. Also hatte ich noch einmal alle Bücher gewälzt und sogar die Namen der Impfstoffe notiert, die ich bei Johann injiziert haben möchte. Ich hatte erwartet, dass dieses Thema von seiten des Arztes zu Diskussionen führen würde, aber er winkte das Thema einfach durch und war mit allem einverstanden. Stattdessen irritierte ihn Johanns motorische Unruhe. Johann hatte wirklich eine schlechte Woche: ganz aggressiven Stuhl und viel Gejammer aufgrund der Zähnchen, die in den Kiefer einschießen. Aber irgendwie gefiel dem Kinderarzt sein Verhalten nicht. Ich bin durch unsere Tochter als Baby im Grunde schon dieses Gezappel mit permanent hohem Muskeltonus gewöhnt: motorische Unruhe, Fäustchen, die sich nur selten öffnen, schnelle Überreizung und starke Schreckhaftigkeit. Ich weiß aber auch, dass sich das Problem im Laufe des ersten Lebensjahres und spätestens mit dem Laufen bessern wird.
Ich hatte mir deshalb schon zur U3 Osteopathie für Johann verschreiben lassen. Der erste Termin war ein ziemlicher Aha-Effekt. Die sehr sympathische und erfahrende Osteopathin sagte über Johann die gleichen Sachen, wie eine andere damals bei unserer Tochter. Warum wir zwar zweimal solche Kinder bekommen haben, weiß ich nicht so richtig zu deuten. Sie zeigte mir noch ein paar Griffe, die ich von unserer Großen noch kannte und löste eine Verspannung in der Halswirbelsäule.
Nun machte mir aber der Kinderarzt den Vorschlag, es mit Ergotherapie bei Johann zu versuchen. Da gingen bei mir wirklich die Scheuklappen runter. Zwar konnte ich in der Praxis noch lächelnd gegenhalten, aber schon auf dem Heimweg überkam mich der Ärger. Ich selbst empfehle Ergotherapie in Beratungsgesprächen mit Eltern beeinträchtigter Kinder im Grundschulalter. Aber Johann ist ein Säugling.
Jedenfalls beobachte ich jetzt Johanns Unruhe etwas argwöhnischer als vorher, massiere ihn wieder täglich und wende mein ganzes sonderpädagogisches Wissen an, um "sensomotorische Integrationsarbeit" an ihm zu leisten. Trotzdem ist mein Ärger noch nicht ganz verraucht. Immer diese defizitäre Sichtweise!
Übrigens hat Johann jetzt endgültig einen besten Freund gefunden: seinen Daumen, an dem er ausgiebig lutscht, zum Leidwesen seiner Eltern. Alles ist immer vollgespeichelt: Händchen, Kleidung, die er zu greifen bekommt und meine Hände auch.
Abends schreit er manchmal noch sehr laut. So auch am Mittwoch, nachdem ich beim Frühlingsfest der Kita einen Schminkstand mitbetreut hatte. Er schlief zwar die ganze Zeit im Tuch, während ich die Kinder schminkte, aber irgendwie hat er doch etwas mitbekommen.
Ich war letzte Woche abends auch endlich mal wieder mit einer Freundin raus. Zwar nur für zwei Stunden um die Ecke. Aber immerhin. Ich will ja nicht nur im Mama-Modus 24/7 leben.
So, Johann will jetzt nicht mehr nackt strampeln.
Grüße, Antje
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