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Baby-Tagebücher

Hautnah. Intensiv. Liebenswert. Folgt hier den Babytagebuch-Bloger:innen und erlebt regelmäßig, wenn frischgebackene Mütter und Väter ihr Leben mit euch teilen. Jede Woche lassen sie euch an ihrer neuen Lebenszeit mit Baby teilhaben und geben ganz persönliche Einblicke: Was hat der Sprössling diese Woche Tolles gelernt? Wie geht es den jungen Eltern mit dem kleinen Knirps? Welche Herausforderungen begegnen den Neu-Mamas und Neu-Papas mit ihrem Neugeborenen? In den Baby-Tagebüchern seid ihr live dabei, von ersten Arztbesuchen bis zu holprigen Gehversuchen. Ob liebenswert chaotisch oder rührend besinnlich: Immer erhaltet ihr einen unverfälschten, authentischen und persönlichen Einblick in das aufregende Leben einer Jungfamilie.
24. Woche

Raketen-Willi und Kuschelmaus

von zwei Kindern, die mich auf Trapp halten

Sonntag, abends kurz nach acht

Jetzt hab ich schnell Tagesschau geguckt und gleich beginnt DAS SPIEL. Ich halte natürlich für Island. Dieses kleine raue Land, welches wir voriges Jahr mit Johann im Bauch bereisten.

Die Woche war durchwachsen. Regen. Sonne. Schöne Ausflüge machen. Im Garten abhängen. Besuche. Ein wenig Erkältung auskurieren - bei meiner Tochter und mir.

Und seit zwei Tagen habe ich einen total aufgedrehten „Raketen-Willi“. Mein Kinderarzt würde die Hände über den Kopf zusammenschlagen, könnte er Johann gerade sehen. Motorisch unruhig ist er immer. Aber zurzeit gibt es eine Steigerung von „unruhig“. Er jammert, motzt und weint fast den ganzen Tag. Liegt er auf dem Boden und die Gegenstände kullern außer Reichweite, wird er unendlich wütend. Am Donnerstag dieser Woche legte ich ihn morgens auf der Yogamatte in der Diele ab. Mit seinem geliebten Lastwagen natürlich. Vom Bad aus konnte ich ihn durch die geöffnete Tür sehen. Ich ging unter die Dusche. Johann spielte erst ganz ruhig, wurde dann langsam lauter und lauter. Irgendwann fing er an zu schreien. Mir gerade den Duschschaum abspülend, fragte ich mich verärgert, warum er nicht endlich lerne, sich einfach auszuruhen und zu entspannen. Plötzlich schrie er völlig panisch los. Mit nassen Füßen huschte ich in die Diele und musste ihn zwischen Tischbein und Sofa eingeklemmt befreien. Er war fast vier Meter rückwärts durch den Raum gerutscht und hatte dann, als es am Sofa nicht weiterging, eine scharfe Linkskurve genommen. Es tat mir sehr leid, ihn so in Bedrängnis und Angst zu sehen. Sofort setzte ich mich auf den Boden und stillte ihn. Wie in den ersten Monaten nach der Geburt schlief er sofort an meiner Brust nach einem langen Seufzer ein.

Johann schläft gerade sehr schlecht. Nachts dreht er sich ständig hin und her und brabbelt vor sich hin. Beim ersten Mal dachte ich schlaftrunken, er sei plötzlich aufgewacht. Aber bei angeknipster Nachttischlampe sah einen schlafenden und plötzlich ganz ruhig atmenden Johann vor mir. Drei Minuten später das gleiche Spiel. Manchmal hilft es, ihn in den Arm zu nehmen. Mal hilft die Brust. Ich habe die letzten beiden Nächte dauergestillt. So lernt er vielleicht nie durchzuschlafen, wenn beim ersten „Äh, äh“ immer gleich Milch fließt. Aber das ist mir gerade ziemlich egal. Meist liegt er ganz dicht an mich gekuschelt in meinem Bett. Ich habe gerade keine Energie, ihn zwischendurch wieder ins Reisebett zu legen. Selbst das Beistellbettchen meiner Schwägerin, welches ich seit einer Woche für Johann ausgeliehen bekommen habe, ist zurzeit nur Schnullerablagefläche. Außerdem genieße ich diese körperliche Nähe, die er gerade braucht, sehr. Abends schläft er zurzeit nach vielen Schreiattacken und mehrfachen wiederholten Aufschrecken, auf der Seite gedreht neben mir ein. Ich liege meist auf meiner rechten Seite. Beine angezogen, so dass zwischen Kinn und Knien eine Mulde entsteht, in der er an mich geschmiegt, irgendwann zur Ruhe kommt. Meist spielt er noch kurz, bevor die Augen endgültig zufallen, mit meiner Halskette und brummelt mit seinem Schnuller im Mund dazu. Diese Einschlafgeräusche machte schon unsere Große.

Das hektische Rumgehampel von Johann, ob am Essenstisch, im Tuch oder auf dem Boden, machte mich heute sehr kirre. Entzog mir irgendwie Energie. Irgendwann spürte ich auch Ungeduld und Wut in mir aufsteigen. Übertragen sich Johanns Gefühle langsam auch auf mich? Es fällt mir wohl gerade sehr schwer, mich emotional von ihm abzugrenzen. Als ich heute, Johann war gerade nach gefühlten zehn Minuten Mittagsschlaf wieder aufgewacht und strampelte und jammerte herum, wirsch fragte, was denn schon wieder los sei, erschrak er richtig. Er sah mich mit riesigen Augen an und verharrte in seiner Position, bevor er seinen Kopf wegdrehte und plötzlich herzzerreißend zu weinen begann. Natürlich mit richtigen Kullertränen. Oh, Mann! Mein kleiner sensibler Raketen-Willi! Mein kleiner wilder Racker!

Ich habe ihn jetzt einfach schon zwei Mal auf den Rücken anstatt vor den Bauch in die Trage geschnallt, wenn wir durch den Wald spazierten. Ich glaube, entwicklungstechnisch ist es noch zu früh. Aber irgendwie konnte er sich gut halten. Jedenfalls stört mich das „Herumgewurschtel“ von Johann hinten weniger – ich höre ihn ja nur herumblubbern, muss nicht sein mürrisches Gesicht dabei sehen. Und siehe da. Er schlief beide Male sofort ein und wärmte mir den Rücken angenehm. Sehr praktisch bei den kalten Eifelwinden.

Mein derzeitiges und bewährtes Mantra in diesen unruhigen Tagen und Nächsten: „Es sind alles nur Phasen. Es geht vorbei!“

Abends, nachdem Johann endlich eingeschlafen ist, bin ich die letzten Tage noch eine Runde den Waldweg entlanggelaufen. Turnschuhe an. Gleichmäßiger Atem. Endlich keine Beckenbodenprobleme mehr. Den Blick auf den Kirchturm auf der anderen Seite des Tals gerichtet, half mir sehr, endlich abzuschalten. Wenn sich dann noch wie gestern Abend plötzlich ein Regenbogen von den Talwiesen zu den dicken Wolken am Himmel spannt, spüre ich ein glückliches Kribbeln in meinem Bauch.

Meine Große ist gerade eine richtige kleine Kuschelmaus. Sie liebt es, mit mir an der Hand durch den Garten auf der Suche nach wilden Erdbeeren und ersten Himbeeren zu streifen. Im Wald das Pfefferkuchenhaus von Hans und Gretel zu suchen und das Lied dazu zu singen. Sie möchte so gern zu Pipi Langstrumpf ziehen und Äffi gegen Herrn Nilsson tauschen. In einem Monat wird sie drei. Ich habe immer mehr Spaß mit ihr. Es fällt mir immer leichter, mich in sie hineinzuversetzen. Spiele und Lieder mit ihr auszudenken. Mit ihr herumzualbern.

Ich freue mich schon, wenn Johann zwei ist und ich mit beiden Kindern zusammen spielen kann. Es ist schon verrückt, jetzt habe ich zwei Kinder. Jedes der beiden Kinder ist anders. Einzigartig. Ich liebe jedes dieser beiden Kinder über alles. Jedes auf seine Art. Beide unglaublich stark.

Nachtrag:

(1) So, erste Halbzeit ist um. Ist doch irgendwie ganz schön traurig. Den Alt-Wikingern wünsche ich wenigstens noch ein Tor.
(2) Ich hänge heute mal wieder ein Foto von Johann an. Ihm läuft ein dicker Spuckefaden am Kinn hinunter. Hatte ich beim Fotografieren gar nicht bemerkt. Johann ist mit seinem hellen interessierten Blick trotzdem gut getroffen, finde ich. Aber für genau diese Art von Bildern wird er mich spätestens in 18 Jahren hassen.
(3) Vielen Dank für die Schreib-Komplimente. Es motiviert mich sehr, mich wöchentlich wieder und wieder an den Computer zu setzen.

Bild: Privat



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Kommentare von Lesern:

Judith Berlin, Jena05.07.2016 19:56

.... toller Beitrag.... Ganz liebe Grüße und noch viel Kraft für deine Süßen;)

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