Und die Frage, ob Wissen wirklich Macht bedeutet...
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
gute Tipps gibt es von Familie, Freunden und Bekannten ja wie Sand am Meer. Und bisher bin ich über die meisten Tricks und Kniffe sehr dankbar gewesen. Sie geben mir das Gefühl, dass scheinbar alle Jung-Mütter mit den gleichen Problemchen zu kämpfen hatten. Und außerdem ist mit Baby sowieso alles neu und unkalkulierbar. Ich wünschte, es gäbe ein bisschen Berechenbarkeit in meinem Alltag… oder doch nicht?!
Fakt ist: Babys entwickeln sich. Jeden Tag vielleicht ein kleines bisschen. Aber mehrheitlich dann doch in Schüben. Und urplötzlich können sie sich drehen, krabbeln, geben das erste Wort von sich. Die Liste ist endlos lang. Die sprungartige Entwicklung läuft angeblich bei Säuglingen recht ähnlich ab. Weshalb es unzählige Bücher, Apps und Informationsbroschüren gibt, die Eltern auf die Veränderungen hinweisen. Auch mir wurde von einigen im Umfeld eine bestimmte App empfohlen, die – Achtung O-Ton! – auf den Tag genau anzeige, wann sich dein Baby entwickeln würde. Inklusive anhänglicher und quengeliger Laune, da jede neue Errungenschaft für die Kleinen auch Unwohlsein und Überforderung bedeute. Außerdem könne man genau lesen, welche Eigenschaften neu dazu kämen. Es passe oft genau auf den Tag. Die Berechenbarkeit scheint gruselig zu sein.
Gut, die 5 Euro App-Gebühr ist mir dieses Wissen auf jeden Fall wert. Spannend ist das ja schon. Und wenn ich mir eines wünsche in diesem neuen, herausfordernden Alltag, dann ist das Berechenbarkeit.
Ich gebe Antons Daten ein und schon erscheint ein Diagramm. 10 Sprungphasen zeigt es in unterschiedlicher Länge – wahlweise heruntergebrochen auf Tonis Lebenswochen oder in Kalenderdaten. Außerdem eine Erklärung, welcher Schub welche Skills hervorbringen wird. Und die Begleiterscheinungen wie schlechter Schlaf, Gereiztheit, Fremdelei, Traurigkeit.
Sprung 1 steht unmittelbar bevor, der sich laut App „Sinneseindrücke“ nennt. Der Stoffwechsel, die inneren Organe und die Sinne reifen rapide heran. Und schon warnt es: „Ziemlich heftig für Anton“.
Unser kleiner König wiegt mittlerweile 4,7 kg, misst 57 cm und wird immer pausbackiger. Er kann sein Köpfchen heben und hat schon so viel Kraft in den Beinen! Gibt man ihm, auf dem Bauch liegend, Widerstand an den Füßen, drückt er sich so fest ab, dass er nach vorne robbt.
Wahnsinn!
Und dann passierte es:
Anton war wie ausgewechselt.
Keine Sekunde hielt er aus, ohne in unseren Armen Körpernähe zu spüren. Alles wurde mit Tränen quittiert. Das Schreien erreichte ein neues Level. Und anstatt der 3 Stunden Stillintervalle, verkürzten wir auf 2 Stunden - auch nachts. Und wäre es nicht schon genug schlafraubend alle 120 Minuten das Baby zu füttern, findet Toni danach einfach nicht mehr in den Schlaf.
Nacht für Nacht kämpfe ich demnach schunkelnd gegen meine Erschöpfung und laufe zwischen 2 und 5 Uhr morgens durch die dunkle Wohnung. Der traurige Gipfel? Mein Spaziergang durch die Mainzer Innenstadt. Mit einem heulenden Anton.
Um 04.30 Uhr.
Erfolglos.
7 lange Tage geht das so mit uns beiden. Und meine Augenringe werden immer dunkler. Wie gerne würde ich die summierten 5 Stunden Schlaf pro Nacht ohne Baby auf meinem Bauch verbringen...
Und Zack ist alles vorbei. Mit verblüffendem Ergebnis: Plötzlich läuft da eine Träne, wo noch nie eine gewesen ist. Plötzlich wirkt sein Blick viel wacher. Plötzlich reagiert er auf Rasseln und seinen Namen. Folgt Gegenständen mit bunten Farben. Und lässt sich plötzlich wieder ablegen. Weint kaum mehr. Und schläft in seinem Nestchen auch ohne mich.
Für Nicht-Eltern scheinen das vielleicht Banalitäten sein. Für uns wirkt es, als ob Anton über Nacht 2 Jahre alt geworden wäre.
Und ja, ihr werdet es ahnen. All das war genau so im Handy bereits prognostiziert. Neue Fähigkeiten? Datum? Anzeichen? Ins Schwarze getroffen!
Wow.
Und da stehen wir nun. Die App schreit mich jedes Mal an, wenn ich mein Handy entsperre und hebt warnend den Finger. Damit ich jetzt schon weiß, welche Nächte mich um den Verstand bringen werden. Und wann ich besser keinen entspannten Grill-Nachmittag mit uns als Gastgebern einplanen sollte. Ich überlege schon jetzt, ob ich den geplanten Impftermin für Anton genau in die Sprungphase legen soll, denn quengelig ist er dann höchstwahrscheinlich sowieso. Oder ob ich explizit den Termin außerhalb dieser anstrengenden Periode terminieren sollte. Denn doppelte Weinerlichkeit könnte mich den Verstand kosten.
Ich merke, wie ich das restliche Jahr in gute und schlechte Phasen einteile. Und mir wird jetzt schon übel, wenn ich sehe, dass Sprung 4 ganz drei Wochen eingezeichnet ist.
Mein Baby liegt eben während des gesamten Schreibens friedlich neben mir. Er schläft, wacht wieder auf und schaut interessiert in der Umgebung herum. Er ist gewachsen und aufmerksamer. Er ist kein verknautschtes Neugeborenes mehr.
Der Sprung ist vorbei. Genau wie mir es die App anzeigte.
Und in dem Moment lösche ich sie. Ich mache mich frei davon. Anton wird sich entwickeln und quengelig sein. Er wird entspannt und ruhig sein. Wir werden gute und schlechte Nächte haben. Das merken wir dann schon von alleine – auch ohne Prognose, die mir ein schlechtes Gefühl gibt.
So, ich werde nun stillen und mich dann über die neue Schlafqualität freuen. Gute Nacht und bis nächste Woche!
Maike
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Anke (kidsgo-Tagebuch-Betreuerin)
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Foto: Privat