Elternzeit ist nicht reproduzierbar. Diese Erkenntnis trifft mich hart. Denn mit unserem zweiten Baby ist alles anders.
Heute Morgen habe ich das erste Mal in diesem Herbst Eis von der Windschutzscheibe gekratzt. Die Blätter im Vorgarten zerbrachen unter den Sohlen unserer Schuhe, denn auch sie überzog eine feine Eisschicht. Zeit es uns gemütlich zu machen, denn ein langer und dunkler Winter steht bevor.
Die Entschleunigung dieser Tage lässt mich erinnern: Vor genau zwei Jahren war Smilla so alt, wie Jeppe es heute ist. Unsere Tage waren geprägt vom gemeinsamen Entdecken einer neuen Zeit.
WELCHE MOM BIST DU?
Ich spielte die Latte Macchiato-Mom: in einer Hand den Becher, mit der anderen den Kinderwagen schiebend. Gemeinsam mit anderen Erstlingsmüttern bummelten wir durchs herbstliche Hamburg, besprachen jeden neuen Fortschritt unserer Babys und schielten mit Argusaugen auf die jeweils andere Familie. Machten die etwas anders, gar besser? Konnte man sich da noch was abschauen? War die eigene Performance einigermaßen souverän? Manche dieser Kaffee-Dates schmeckten bitter und leicht abgestanden, andere hingegen heiß, fruchtig, vollmundig und vielversprechend. Aus manchen wurde Freundschaft, andere überdauerten nicht einmal den dritten Becher.
Ich wurde zur Play-Mom: unendlich viel Zeit in Krabbel- und Spielgruppen, Elterncafés und bei heimischen Spielverabredungen. Das Kind hat Spaß an Musik? Dann los! Bastelnachmittag? Na klar! Bausteine aufbauen und umschmeißen? Ich liebe es! Erste Krabbelversuche auf dem Spielplatz? Auf jeden Fall! Ich glaube, wir haben so ziemlich alles gemacht, was man im ersten Babyjahr so macht.
Wasserspaß-Mom gründete eine eigene Schwimmgruppe, die wöchentlich ins Bad ging. Wellness-Mom ließ sich in die Geheimnisse der Babymassage einweihen. Vormittags gab es einen fixen Termin in Kursgestalt, am Nachmittag noch eine Verabredung. Bloß keine Langeweile aufkommen lassen. Parallel plante ich den beruflichen Wiedereinstieg und organisierte unsere Kleinfamilie.
Ich tat das alles für mich. Ich brauchte Stabilität in dieser neuen Rolle. Ich wollte ankommen. Ich wollte es gut schaffen, mir irgendwie auch was beweisen. Ich wollte nicht verharren. Dieses Jahr war meine neue Arbeit - und bei sowas bin ich einfach idealistisch und ehrgeizig.
ZWEI JAHRE SPÄTER
Heute, mit etwas Abstand und viel mehr Erfahrung, läuft einiges anders. Der Drive ist noch da, das Programm aber etwas reduzierter. Es fehlt schlichtweg die Zeit, die ich vor zwei Jahren noch scheinbar unendlich zur Verfügung hatte. Jetzt jongliere ich Termine, gehe mit Jeppe zur Krabbelgruppe, dann noch schnell was bei der Post abholen, restliche Einkäufe, Rückruf beim Sportverein, Wohnung aufräumen, Jeppe anziehen, Smilla von der Kita abholen, beide Kinder bespaßen, kochen – Tag vorbei & repeat. Dazwischen wickeln, stillen, Handy in der Hand, um weitere Dinge zu organisieren und zu koordinieren.
Dieses erste Babyjahr lässt sich einfach nicht wiederholen. Es ist unwiederbringlich, es ist einzigartig und wundervoll. Beim zweiten Mal sitzt man schweigend daneben, lauscht den Gesprächen der anderen Eltern und belässt es meist dabei. Ich brauche nicht mehr über die Vor- und Nachteile von Beikost-Einführungs-Themen diskutieren. Ich interessiere mich nicht übermäßig für Trage-, Schlaf- oder Stillprobleme der anderen. Es ist ihr erstes Jahr und das soll es auch bleiben. Darum halte ich mich im Hintergrund. Ich habe das einfach schon so oft gehört. Es verändert sich nicht. Die Themen bleiben immer gleich. Meine Perspektive ist aber eine andere.
Es ist schade, dass sich das nicht wiederholen lässt. Denn dieses erste Jahr war magisch. Ich habe es geliebt und es gehört für immer Smilla und mir.
Jeppe und mich verbindet eine andere Geschichte. Eine mit mehr Ruhe, mit mehr Pausen und Innehalten. Ich genieße bewusst, streichele den kleinen Baby-Kopf, der schlafend auf meinen Knien liegt. Wer weiß, wie lange wir das so haben werden. Mit jedem vergangenen Tag verabschiede ich mich wieder und wieder von unserem kleinen Baby, das bereits durch die Wohnung robbt, isst und immer größer wird. Stolz und traurig zugleich, denn all diese Wahnsinnsmomente lassen sich nicht einfrieren. Ich hoffe, mich später an so viele wie möglich davon erinnern zu können.
Beim Frühstück heute Früh sagt Smilla zu mir: „Ich habe meine tolle Mama sehr lieb. Und Papa auch. Und Jeppe auch.“ „Ich euch auch“, sage ich, und bin sehr gerührt. Nicht zum ersten Mal schwöre ich mir selbst immer da zu sein. So sehr da zu sein, wie man als Elternteil nur da sein kann; damit wir auch in vielen Jahren noch so gemeinsam am Frühstückstisch sitzen können.
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