Wo sich Grenzen aufzeigen, fängt unser Abenteuer erst richtig an!
Juhu liebe Leser!
In Lottas 8. Woche ist nichts wirklich Spektakuläres passiert. Nur der ganz normale Wahnsinn, den man mit so einem süßen Zwerg eben erlebt. Also hab ich mich entschieden mal ein bisschen über Papa und seine Prinzessin zu berichten.
Für so einige Männer wäre es sicher schon eine Herausforderung mit mir das erste Kind zu bekommen. Ich bin den Umgang mit diesen Winzlingen gewöhnt und alles, was die Pflege und das Handling rund ums Baby angeht, sitzt bei mir jeder Handgriff. Ich hab schließlich schon Frühgeborene versorgt, da fordert mich ein reifes und vor allem gesundes Baby im Umgang nun nicht heraus. Das bedeutet für mich natürlich, dass ich Geduld brauche, damit mein Partner Zeit hat, sich die Basics anzueignen. In unserem Fall ist es natürlich noch mal eine Nummer schärfer....
Aufgrund der hohen Lähmung (ab dem 5. Halswirbel), bedeutet es für Lottas Papa allerdings deutlich mehr Einsatz um die einfachen Dinge zu erlernen. Eins war uns beiden allerdings von Anfang an klar. Dennis Behinderung ist keine Ausrede um sich aus der Affäre zu ziehen. Wir haben uns gemeinsam für ein Kind entschieden und somit rocken wir das Abenteuer auch zusammen. Alles, was Dennis seit dem Unfall gelernt hat (anfangs konnte er ja nicht mal den Kopf richtig bewegen....), hat er sich mit viel Training und Geduld hart erkämpfen müssen. So nun auch der tägliche Umgang mit seiner Tochter.
Letzte Woche hatten wir eine Physiotherapeutin für Kinder hier bei uns zu Hause. Natürlich kann ich Dennis auch was zeigen, aber diese Physiotherapeutin hatte bereits Erfahrung mit Eltern die körperliche Einschränkungen haben und wir fanden es auch super, wenn Dennis und Lotta ihr eigenes "Ding" haben. Die drei haben sich also 1,5 Stunden lang mit dem Handling beschäftigt. Eine Herausforderung für Papa... Er hatte Lotta natürlich vorher auch schon täglich auf dem Arm und abends im Bett kuscheln, Flasche geben mit anschließendem Bäuerchen sitzt längst.... aber unser Ziel ist es natürlich, dass ich zeitweise auch mal ohne Lotta das Haus verlassen kann. So, wie es bei allen anderen Eltern eben auch ist.
Dennis und die Therapeutin haben also Wickeln und Transfere vom Schoß auf irgendwelche Unterlagen (Wickeltisch, Bett....) geübt. Das bedeutet nun ordentlich Training für Papa. Die Schwierigkeit liegt darin, dass das "Objekt" sich bewegt und auch nur ein gewisses Maß an Geduld aufbringt. Naja... und auch nicht unkaputtbar ist... So eine Plastikflasche zu öffnen übt sich natürlich leichter, zumal Lotta sich ja mit der Zeit auch immer mehr bewegen kann und schwerer wird.
Der Anblick ist für Außenstehende etwas gewöhnungsbedürftig. Durch die fehlende Fingerfunktion kommen zum Ausziehen noch die Zähne zum Einsatz, die Windel hängt eher schief am Poschi und anschließend kriegt Lotta auch nicht ihre Strumpfhose wieder an, sondern wird in einen Strampelsack gesteckt. Der Body bleibt untenrum offen, da das mit den Druckknöpfen anders noch nicht zu bewältigen ist... Macht nichts... Dem Kind geht's gut und ist versorgt. Egal, wie es dann aussieht. Wenn ich dafür dann zum Sport gehen kann oder zu einem Mädelsabend, ist es mir egal, wie die Klamotten sitzen und was Lotta trägt.... Unsere Tochter übt sich zunehmend in Geduld. Bei Papa dauert es eben länger... Sie wächst halt so auf, dass man Rücksicht auf Menschen mit Handicap nehmen muss. Das bedeutet ja nun nicht, dass sie einen schlechteren Vater hat, als andere Kinder. Ich persönlich behaupte da auch eher das Gegenteil. Ich kann mir kaum vorstellen, dass unser Kind Probleme im Sozialverhalten haben wird oder sonst irgendwelche Nachteile hat. Wenn sie aus dem Kinderwagenalter raus ist und unterwegs nicht mehr laufen mag, kann sie jederzeit bei Papi auf den Schoß (das wünschen sich sicher so einige Kinder, wenn sie mal wieder keinen Schritt mehr gehen "können"...- welche Eltern kennen das Problem nicht!?). Naja... und wir parken überall immer direkt vor der Tür. Mit dem Parkausweis im Auto findet man ja immer einen Parkplatz! Und... Wo Papas Grenzen sind, kann Mama ja auch noch einspringen.... Verpassen wird sie also nichts!
Das Umfeld spielt im Umgang natürlich eine große Rolle. Unsere Wohnung ist rollstuhlgerecht. Das bedeutet nicht nur eine ebenerdige Dusche im Badezimmer und einen stufenlosen Zugang zur Wohnung, sondern auch eine unterfahrbare Küche, niedrig sitzende Lichtschalter, Fenster- und Türklinken, breite Türen, stufenloser Zugang zum Balkon, großzügig geschnittene Räume, usw..... Somit kann Dennis sich frei bewegen und sich dabei darauf konzentrieren, dass ihm seine Tochter nicht vom Schoß plumpst, wenn er mit nur einer Hand seinen Rollstuhl durch die Wohnung manövriert... in Zeitlupe... Aber wen interessiert das schon!? Irgendwann müssen wir unsere Kleine vielleicht mit einem Schal um seinem Bauch fixieren... Safety First...
Hilfsmittel sind ein weiterer Punkt... auf sowas wie ein elektrisch verstellbares Bett oder den Rollstuhl gehe ich an dieser Stelle nicht weiter ein, sondern auf das, was für den Umgang mit Lotta nötig ist. Hierzu musste das eine oder andere Teil ein wenig zweckentfremdet werden. Das Kissen, welches unter dem Tablett vom Laptop ist, damit das Teil ordentlich auf den Beinen liegt (gibt's für 17 € beim Möbelschweden....) eignet sich ohne das Plastik ganz hervorragend dafür Lotta bei ihrem Papi auf den Schoß zu legen. Beine an Dennis Brust hochgehalten.... Wunderbar bei Bauchweh und das Köpfchen ist sicher.
Reißverschlüsse öffnen ist bei fehlender Fingerfunktion auch so eine Sache. Kennt jeder Hochgelähmte.... Von daher sind die Reißverschlüsse der Wickeltasche (so wie Dennis Zipper-Jacken) mit so Schlaufen-Anhängern versehen (Schlüsselringe tun es auch- sehen aber behindert aus...finden wir....).
Das absolute Highlight ist allerdings Lottas umgebautes Babybett. Das Gitterbett haben wir von Freunden geschenkt bekommen. Zwei ganz besondere Kinder haben bereits in dem Bett geschlafen und nun folgt das Dritte, wobei das Bettchen inzwischen "modifiziert" wurde. Mein Papa ist Tischlermeister und hat das Bett so umgebaut, dass Dennis damit problemlos hantieren kann. Auf der einen Seite hat mein Papa die Gitterstäbe entfernt und dafür Flügeltüren eingebaut. So braucht Dennis seine Tochter nicht versuchen darüber zu heben... Dann hat mein Vater noch die Höhe der Matratze so eingestellt, dass Dennis zur Babypflege mit den Beinen unter das Bett fahren kann. Seine perfekte Arbeitshöhe! Bett und Wickeltisch in Einem! Besser geht's nicht! Rollen sind auch drunter, damit wir es auch bewegen können....
Rollstuhlgerecht vs. Kindersicher..... Das ist ein Punkt, der in naher Zukunft wohl auf uns zukommen wird... Nämlich, wenn Lotta mobil wird. Alles, wo Dennis problemlos ankommt, wird auch für unsere Tochter bald greifbar sein. Papa braucht alles für seine Selbstständigkeit zu Hause auf einer Höhe, die Lotta eben auch fix erreichen wird. Wo andere Familien ihre Brotdosen in der Küche in den Schränken unten einräumen, stehen unsere Trinkgläser, damit Dennis sich selbst was zu trinken nehmen kann....so ist's auch mit Tellern, Besteck, Feuerzeugen, Putzmitteln (wobei ich glaube, dass Dennis sicher nicht all zu traurig ist, wenn er nicht mehr an Putzmittel kommt....) usw ... die Kindersicherungen in Steckdosen sind ohne Fingerfunktion kaum nutzbar.
Papa muss an seine Medikamente rankommen, aber die Nachttischschubladen werden voraussichtlich auch schon bald Opfer eines "Ausräummonsters" auf allen Vieren.
Wir sehen diese Hürden allerdings nur als Herausforderung und nicht als Problem. Es bleibt also weiterhin spannend! Wir stellen uns dem "Abenteuer Familie" eben jeden Tag aufs Neue!
...und ich könnte mir keinen besseren Vater für Lotta vorstellen.... Unsere Rockerbraut wächst mit ganz viel Liebe auf, was braucht sie da schon einen Vater der laufen kann???
Liebe Grüße und bis bald,
Andrea
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Foto: Privat