Der Schnupfen unsere Mädchen raubt uns den knappen Schlaf und trotzdem stehen wir die Woche durch. Nur weiß keiner so recht wie.
Am Montag habe ich meine Familie überrascht, indem ich vier Stunden früher ankam als geplant. So konnte ich meine überraschten Kinder liebkosen und meiner Frau verdeutlichen, dass ich alle vermisst hatte. Nachdem ich dann noch einkaufen war und Wäsche gewaschen hatte, naja, die Waschmaschine vorschriftsmäßig angeschaltet, hörte ich mir alle Neuigkeiten an. Aus heutiger Sicht weiß ich nicht mehr wer angefangen hatte und meine Frau kann sich auch nicht mehr erinnern. Doch einer unserer Zwillinge hatte Schnupfen und der griff im Laufe der Woche um sich, sodass wir nicht mehr sagen konnten, wer wann wie viel Schnupfen hatte. Irgendwann im Laufe der Woche fragten wir uns, ob Polly nun schon wieder, oder immer noch Schnupfen hatte und wann Lysanne eigentlich mit ihrem angefangen hatte.
Eigentlich waren wir schon am Montag fertig, dachten uns aber, dass es die restlichen anderthalb Tage schon richten würden. Am Montagabend habe ich mich noch zu einem Treffen mit drei Freunden aufgemacht. Wir kamen aus den Ecken Berlins, um uns in der Mitte der Stadt zu treffen. Ein wirklich netter Abend und gehaltvoll für Körper und Geist. Irgendwann in der Nacht saß ich dann im Bus und wurde mit viel Geschaukel in den Schlaf gewogen, dass ich beinahe meinen Umstieg verschlief. Auf den letzten fußläufigen Metern bis zu meinem Bett, lief mir dann noch Reineke Fuchs über den Weg. Der arme Kerl wäre fast in mich reingelaufen und war dann so erschrocken, dass er rannte, als ob ich ihm nachsetzen würde, um seinem Pelz habhaft zu werden. Selbst wenn ich gewollt hätte, wäre ich vorher eingeschlafen. Auf meinem restlichen Weg habe ich mich gefragt, ob Füchse Herzinfarkte kriegen.
Dass meine Nacht nun kurz werden würde, war nun klar. Diesmal hatte es nur einen anderen Grund. Ansonsten hat uns in der vergangen Woche der um sich greifende Schnupfen unserer drei Mädchen zugesetzt. Irgendwann fanden sich dann 75% unserer Kinder im Bett wieder. Das um sich treten und schlagen der großen Schwester hat mich dann zum Auszug bewogen. So schlief ich zum Ende der Woche allein und ruhiger. Ein Erholungseffekt wollte sich dennoch nicht einstellen. Vielleicht hat ein Vorfahr von uns, mal Bärenblut in seine Umlaufbahn bekommen, das nun sein Bedürfnis nach Winterschlaf durchsetzen wollte? Was waren wir müde. Die ganze Woche.
Am Dienstag starte Lysanne mit ihrem frühen Erwachen, welcher durch ihren Schnupfen noch begünstigt wurde. Polly, der meine Frau mehrmals in der Nacht ihre Nase abgesaugt und gespült hatte, schlief noch etwas weiter. Der Schnupfen scheint auch die Schlafgewohnheiten unserer Zwillinge manifestiert zu haben. Polly ist abends lang aktiv, redet was das Zeug hält und kommt kaum zur Ruhe. Vielleicht braucht sie das, um ihren Tag zu verarbeiten. Derweil schlafen ihre großen Schwestern und an manchen Tagen sogar der große Bruder bereits. Morgens ist Lysanne dafür früh wach und fordert Aufmerksamkeit ein.
Um meiner großen Tochter gerecht zu werden, oder werden zu wollen, nahm ich mir am Dienstag Zeit mit ihr zu spielen und schlief mitten am Tag beim Spielen ein. Da habe ich als Vater aber mal ziemlich versagt. Beim Spielen einzuschlafen, hat für mich eine ganz neue Qualität. Da half auch der Kaffee am Nachmittag nicht. Der weitere Reformations-, Halloweentag verlief dann unspektakulär. Selbst unsere Zwillinge waren müde. Wahrscheinlich von ihren nächtlich verstopften Nasen. Ich musste abends meinen Sohn nur noch bei unseren Freunden einsammeln. Nachdem er mit seinen Raubzügen fertig war. Etwas müde und mürrisch trat ich den Weg an und fand eine Gruppe gruselig gekleideter Menschen um eine Feuertonne vor. Dort war ich richtig. Dort konnte ich noch eine Weile bleiben. Nur war mein faltig eingefallenes graues Gesicht keine Schminke, sondern reine Natur.
Zur Mitte der Woche begann dann unser Alltag wieder. Nur unter erschwerten Bedingungen. Meine Frau hatte viele Termine der vergangenen beiden Tage auf den Mittwoch verlegt und die Zeitumstellung bekam unseren Zwillingen weniger als gedacht. Erst daran, dass sie aus dem Rhythmus waren, bemerkte ich, dass morgens auch draußen heller war als sonst. Die innere Uhr von Polly und Lysanne hatte sich nicht umgestellt. Nun mussten wir etwas improvisieren, da Polly nun morgens und Lysanne abends andere Abläufe brauchten, alte eben. Dabei hat doch schon Einstein festgestellt, dass Zeit nur eine Illusion ist. Geht dann, keine Zeit zu haben, überhaupt noch? Darüber nachzudenken überfordert mich heute.
Unbestritten war Einstein aber ein kluger Mensch. Und er hatte drei Kinder. Vor einigen Monaten war mir ein Bericht einer hessischen Zeitung in die Hände gefallen, welche ich ganz gerne lese. Sie hat oft Überschriften, die mich zum Weiterlesen anregen. Die damalige Überschrift „Propheten des Untergangs“ regte meine Neugier an. Da es ja auch einen Propheten Daniel gab, löste das wahrscheinlich sowas wie kollegiale Bande aus.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/club-of-rome-die-propheten-des-untergangs-11746779.html
Inzwischen habe ich unter dem Titel „Wir sollten aufhören Kinder zu kriegen. Denn das ist egoistisch“, einen ähnlichen Bericht gelesen und finde, dass das in sich nicht schlüssig ist. Kinder in die Welt zu setzen war schon immer egoistisch. Das ist doch kein Zeitgeist. Wir können uns alle gern mal darüber unterhalten, weshalb sich der Mensch vermehrt. Da finden sich bestimmt unzählig vielseitige und auch lustige Ansätze, aber egoistisch war das schon immer. Schließlich haben wir aus freien Stücken und aus unserem ureigenen Wunsch heraus vier Kinder. Doch wenn wir jetzt Kinder als CO2 Produzenten sehen wollen, dann sollten wir uns alle hinterfragen, inwieweit wir unsere Verantwortung auf Kinder abwälzen. Gute Fragen stellt am Schluss eine weitere hessische Zeitung.
http://www.fr.de/politik/meinung/kolumnen/oeko-bilanz-kinder-sind-schlecht-fuer-die-umwelt-a-1314726
Nun möchte ich die Hessen nicht zu weit in den Himmel loben. Auch eine weitere Zeitung hat das Thema aufgegriffen. Mit noch tieferen Fragen bewegen wir uns dann
http://www.huffingtonpost.de/alex-geburek/egoistisch-kinder-welt_b_8339152.html
in Bereichen, bei denen offensichtlich wird, dass die Lösung nie einfach ist, soll sie denn gut sein. Mich hat dann doch mal interessiert, wie viele Kinder die führenden Köpfe der Weltuntergangspropheten so selbst in die Welt gesetzt haben und es war schwierig schnell eine Antwort zu finden. So verstehe ich es als unvollständig und doch bezeichnend, dass zwei der führenden Köpfe vier und fünf Kinder haben. Na dann, ist entweder noch Luft nach oben, oder es wir wieder heißer gekocht als gegessen. Ein Indiz dafür ist, dass sich die Propheten vor 40 Jahren schon einmal massiv irrten. Macht nix. Passiert uns allen.
„…ist sich seit seinem berühmten Bericht über "Die Grenzen des Wachstums" im Jahr 1972 in seinem pessimistischen und menschenfeindlichen Ausblick treu geblieben.“ Schrieb der Spiegel zu den Vorhersagen.
Vielleicht denke ich ja zu einfach. Doch für mich ist weltweite und umfassende Bildung die Lösung unserer Erde. Ich hätte mal gern einen Test. Wenn wir 10 Jahre 60% der Rüstungsausgaben in Bildung investieren, behaupte ich, dass wir 80% weniger Konflikte haben. Hoffe ich.
Unsere Zwillinge sind zweieiig und körperlich sowie charakterlich unterschiedlich. Vom Schlafen mal abgesehen. Doch so sehr sie sich auch unterscheiden, so warm kann einem ums Herz werden, wenn man ihnen zuschaut. Sobald sie morgens zusammen finden, es ihnen tagsüber wichtig ist und sie nachts Sicherheit brauchen, nehmen sie sich an die Hand. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass es bspw. Polly gerade nicht recht ist, angefasst zu werden, weil sie z.B. grade in Bewegung ist. Doch als ich ihnen dann weiter zusah, merkte ich, dass es meine Wertung gewesen sein muss. Denn sie lassen es nicht nur zu, sondern fassen auch aktiv zu. Was ich nicht vergessen darf, ist, dass die Ausprägung ihrer Mimik erst beginnt. So zog letzte Woche Lysanne vermeintlich prüfend eine Augenbraue hoch.
Nach einem langen Arbeitstag, mit Stillen in der Praxis, machte ich mich abends mit meinem Sohn noch auf den Weg um Geschenke für seine breite Sammlung an Geburtstagsfeiern am Wochenende einzukaufen. Es war dunkel, nass und ich wollte nur ins Bett. Meiner Frau ging es sehr ähnlich und die Zeit flog nur so vorbei. Am Folgetag ging der Alltag in eine neue Runde und ich fragte mich beim Klingeln des Weckers, ob ich nicht einfach liegen bleibe. Die Vorstellung, dass mein Sohn dann aber völlig panisch ins Zimmer käme, weil wir verschlafen hatten, trieb mich dann hoch. So können Kinder auch Antreiber und nicht nur Schlafverhinderer sein. Und das, obwohl noch Ferien waren. Für unseren Großen war der Tag mit Oma reserviert und so durfte meine „große“ Tochter mit mir morgens etwas mehr Zeit verbringen. Nachdem sie im Hort war, fuhr ich mit unserem leicht klappernden Fahrzeug in eine Werkstatt, um dies abends zu wiederholen, weil die Vertragswerkstatt eine genauere Diagnose stellen sollte. Die Wege verdoppelten sich nicht nur, sie verdreifachten sich. Und das alles mit einem vordergründigen Bedürfnis nach Schlaf. Abends fragte mich meine Frau, ob ich das Gefühl hatte, dass der Schnupfen der Kinder besser würde. Meine Gegenfrage, welches Kind sie dabei genau meint, stellte ich nur um Zeit zu gewinnen. Ich konnte über die Entwicklung des Schnupfens bei unseren Kindern keine Antwort geben. Meine Frau auch nicht. So saßen wir da und beschlossen, dass Schnupfen zwar lästig und schlafmindernd ist, aber keinen Anlass zu großen Sorgen bietet.
Zum Ende der Woche traf ich mich wieder mit meinem Freund zum wöchentlichen Frühstück. Anfangs fand das meine Gattin nicht so prickelnd, da sie an diesem Morgen auch zu Hause war. Am Abend gab sie zu, dass sie es genossen hatte, mit den Zwillingen allein sein zu können. Es trifft sie schon, dass sie arbeiten geht und weniger Zeit mit den Beiden verbringt, als mit unseren beiden ersten Kindern. Und ich bin so nah und lang, wie noch nie an der Entwicklung meiner Kinder dran.
Am Abend holte ich meinen Sohn von seiner ersten Geburtstagsfeier an diesem Wochenende ab. Da ich somit abermals bei unseren Freunden landete, wurde ich gleich eingeladen noch etwas zu bleiben. Und ich war so hundemüde. Bei anderen Gastgebern, hätte ich die Einladung, trotz allem gesellschaftlichen Anstands, ausgeschlagen. Hier blieb ich. Ich denke, mein Mehrwert an den Gesprächen hielt sich in Grenzen. Dafür kamen wir spät nach Hause und trotzdem setzten meine Frau und ich uns noch zusammen, um miteinander zu reden. Wir saßen noch nicht lange und redeten, da schlief ich ein. Ein Déjà-vu.
Am kommenden Tag hatte sich Besuch angemeldet und meine Lust war so im Keller, dass ich mich in die Hausarbeit begab, um meine Laune nicht unter die Familie zu tragen. Nur meine Frau musste sie sich anhören. An ihrer Stelle hätte ich geantwortet, dass ich ja wieder einschlafen könne. Kommt immer gut. Mit der Hausarbeit, so unglaublich sich das jetzt liest, stieg dann meine Vorfreude. Als dann alle Fünf in der Tür standen freute ich mich offen und ehrlich. Wir hatten uns lange nicht mehr gesehen und hatten doch vor vielen Jahren überlegt, gemeinsam Berlin ins ländliche zu verlassen. Es ist eine dieser Freundschaften, bei denen auch nach langen Pausen sofort Nähe entsteht. Wir haben uns unglaublich gut unterhalten und am Abend war zum ersten Mal meine Müdigkeit in den Hintergrund getreten. So lief ich spontan noch zum Supermarkt, um meiner Frau noch eine Freude zu machen. Malztrunk regt bei ihr die Milchbildung an. Selbst unsere Kinder waren an diesem Abend positiv geschafft und freuten sich aufs Bett.
Den letzten Tag des Wochenendes gingen wir somit aktiv an. Mein Sohn setzte seine Geburtstagsfeiern bei seinen Freunden fort, ich machte unseren kleinen Garten winterfest und erfror mir im kalten Wasser fast die ein oder andere Fingerkuppe und meine Frau zog es mit den Mädchen in ihre Praxis. Bei ihrer Rückkehr im Regen, lobte sie die großen Räder des Thule Zwillings-Kinderwagens, die durch jede Pfütze kommen und auch Unebenheiten gut wegstecken. Vor meinem inneren Auge sah ich meine Frau den Wagen durch die tiefsten Wasserflächen schieben und selbst tänzelnd vor dem nass ausweichend. Nun überlege ich, ob ihr Plateauschuhe eine Freude machen würden. Dann könnte auch sie durch tiefe Pfützen waten. Beim Schieben stelle ich immer wieder fest, dass er schön leichtgängig ist, selbst mit zwei schwerer werdenden Babys.
Als wir dann abends wieder alle zusammen saßen und jeder von seinen Erlebnissen erzählte, Polly mit Fingerfood und Lysanne mit Brei um den Mund, da war offensichtlich, dass die Zukunft nicht düster sondern schön ist. Wir müssen nur alle dafür etwas tun. Nicht viel, nur eben etwas.
Alles Gute für die Woche,
euer Daniel