Irgendwie klappt es doch immer
Sonntag, abends kurz vor acht
Die Kinder schlafen schon. Mein Mann und ich gehen auch gleich schlafen. Zeitumstellung schlaucht.
Bei uns herrscht geordnete Ruhe. Alles ruhig diese Woche. Keine großen Aktionen, kein großer Orga-Stress. Alles ganz ruhig eben.
Der Oktober ist fast zu Ende. Die Zeit rast und rast und rast. Ich habe diese Woche alle aber auch wirklich alle Fotos bis zum heutigen Datum entwickeln lassen und in die Alben eingeklebt. Für meine Große habe ich nach ihrem Baby-Album noch ein Kleinkindalbum mit Notizen und Gedanken geführt. Nun ist es beendet. Ab jetzt wird es dann weniger werden. Aber bis zum 18. Lebensjahr werde ich in abgespeckter Form ihre Entwicklung und später auch die von Johann festgehalten. Johanns Babyalbum, welches ich Pfingsten angefangen habe, nimmt immer mehr Form an. Ich bin so stolz auf mich, dass nun wieder vieles archiviert, reflektiert und für die Nachwelt dokumentiert ist. Ich weiß natürlich nicht, ob unsere Kinder später nachfragen werden, wie sie als Babys bzw. Kinder waren. Ich hatte jedenfalls viele Fragen zu mir selbst und habe sie auch weiterhin. Es ist nur schade, dass so wenige Erinnerungsstücke dazu existieren. Das Schicksal der Zweitgeborene? Vielleicht sah meine Mutter keine Notwendigkeit dazu oder hatte schlichtweg keine Zeit, um meine Entwicklung ausführlich aufzuschreiben. Auch von meinen Eltern existieren kaum alte Kinder- und Familienbilder. Das Schicksal vieler Vertriebener nach dem zweiten Weltkrieg? Verbannt aus ihrer Heimat. Die daraus resultierte Not der Entwurzelung in der DDR totgeschwiegen. Schweigsamkeit und Ohnmacht. Vielleicht resultiert daher mein akribisches Bestreben, alles niederzuschreiben und zu dokumentieren.
Für unsere Tochter hatte ich in der Elternzeit ein sehr ausführliches Babyalbum gestaltet. Es half uns sehr, sie auf die großen Veränderungen vorzubereiten. Sie sah meinen dicken Kugelbauch. Sie sah sich selbst als Schneegestöber auf einem Ultraschallbild und als ganz kleines Baby. Auch heute fordert sie noch oft ein, diese alten Fotos sehen zu können. „So war ich als Baby auch. Aber jetzt bin ich groß.“ Wichtige Einsichten für sie und für ihre Rolle als große Schwester.
Ich hatte diese Woche, während ich befreundete Mamas mit ihrem zweiten Nachwuchs besuchte, erneut die Möglichkeit, über unsere kleine Familie nachzudenken. War deine Tochter auch so wütend? Waren die Nächte mit dem zweiten Kind auch so anstrengend? Wie geht es dir mit deinem Mann? Alles Fragen, die mich selbst beschäftigen und beschäftigt haben. Manches ist aus den ersten Wochen schon wieder Vergangenheit, an die ich mich nur bruchstückhaft erinnere. Doch eine Erkenntnis ist geblieben: Ein zweites und jedes weitere Kind bringt so viel Veränderung mit sich, auf die man sich nur wage vorbereiten kann. Denn man weiß nicht, wie es wird: Schwangerschaft, Geburt, Geschwisterbeziehung, Elternbeziehung, Paarbeziehung. Alles wird neu gemischt. Man kann auch niemanden etwas raten. Jeder Mensch ist anders. Erlebt es anders. Der einzige Ratschlag von mir ist: Loslassen, Zulassen und Annehmen.
Lächelnd stelle ich fest, wenn ich auf das letzte Dreivierteljahr mit Johann zurücksehe, dass er mich ein Stück weit mehr lehrte, Kontrolle abzugeben, Hilfe anzunehmen und meine Ansprüche an mich selbst herunterzuschrauben.
Aus gegebenem Anlass habe ich heute in der Bahn ein Buch über Geschwisterbeziehungen mit dem Titel „Hand in Hand“ von Nadine Hilmar gelesen. Ich war heute mit einer sehr guten Freundin in der Wellness-Oase „Vabali“ inmitten Berlins verabredet. Habe sauniert. Gut gegessen. Mich massieren lassen und stundenlang draußen bei Sonnenschein im warmen Becken mit meiner Freundin über Gott und die Welt geredet. Auch über die Flüchtlingspolitik, die das Land tief spaltet. Nicht oben von unten trennt. Sondern mitten durch Freundschaften geht. Gleiche Menschen mit gleicher Bildung und gleichem Hintergrund diskutieren plötzlich sehr emotional und sehr konträr. Mit meiner Freundin war aber alles sehr entspannend.
Zurück zu N. Hilmar, eigentlich eine Eltern-Erziehung-Was-Auch-Immer-Bloggerin in Elternzeit, wie so viele. Sie sprach mir trotzdem aus der Seele. Manche Zeilen haben mich zutiefst emotional berührt. Kein Buch mit abstrusen Erziehungsratschlägen, die ich mindestens zweimal lesen muss, ohne auch nur ein Wort mit dem Herzen zu verstehen. Ein rein zufälliger und kostbarer Fund für mich.
Johann und seine Schwester sind auch ein Geschwistergespann, von dem ich mir manchmal wünschte, dass es irgendwie reibungs- und konfliktloser abliefe. Langsam begreife ich aber, dass das nie so sein wird. Meine eigene Geschwisterbeziehung kommt dabei noch einmal auf den Prüfstand. Wer war und wer ist mein Bruder für mich? War ich wirklich immer nur eine ganz süße oder total nervige kleine Schwester? War ich eine große Konkurrenz für ihn? Kann ich meine eigene Eifersucht im Nachhinein wahrnehmen? Alte Geschichten und Erinnerungen revidiere ich gerade. Ich habe mir für die kommenden Wochen vorgenommen, mal wieder länger mit meinen Bruder zu telefonieren. So ein großer Bruder ist ja doch etwas ziemlich besonderes, auch wenn es für mich irgendwie immer selbstverständlich war, dass er da ist.
Trotzdem werde ich jetzt nicht anderen Bloggerinnen über Monate folgen. Es existieren ja zu jedem Thema, ob Food, Fashion oder eben auch Erziehung viele Ideen im Netz. Die Beiträge von Judith, Nadine und Sara inspirieren ja auch. Mein allerbester Erziehungsratgeber ist aber meine Intuition und ein analoger Austausch mit anderen. Eine Sache jedoch werde ich von Hilmar übernehmen: Die Friday Fives. Dabei lässt man noch einmal die ganze Woche Revue passieren und schreibt die fünf wichtigste Dinge auf, für die man in der Woche dankbar war. Ein sehr schönes Ritual, dass ich in abgespeckter Form abends für meine Tochter einführen werde.
Jetzt ist es bereits Montagabend nach acht. Ich bin ziemlich müde, werde nur noch ein paar Updates zu Johann hinzufügen, bevor ich selbst ins Bett gehe.
Johann trinkt jetzt nur noch einmal pro Nacht. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass er auch nur noch einmal in 12 Stunden wach wird. Gestern war es aber eine gute Nacht: Einmal wach um halb zwei. Schlaftrunken schnell den Schnuller reingestopft und erst um halb vier gestillt. Gegen halb sechs nochmal aufgewacht, ihn zu mir genommen und dann bis kurz vor sieben mit ihm weitergeschlafen.
Am Samstag jedoch wurde er fünfmal wach und brauchte jedes Mal kurz ein paar Streicheleinheiten, um wieder einzuschlafen. Solche Nächte schlauchen. Zumal er ab vier Uhr früh sehr unruhig wird, und oft im Stundentakt aufwacht. Im Grunde müsste ich dann einfach gegen fünf/halb sechs konsequent mit ihm aufstehen. Aber das schaffe ich gerade noch nicht. Zumal es um diese Uhrzeit draußen noch tiefste Nacht ist.
Einen wirklich tollen Fortschritt gibt es aber: Johann schläft ganz unproblematisch ein. Er ist oft noch richtig wach, wenn ich ihm etwas vorsinge und über seinen Kopf streichle. Beim Rausgehen –die Spieluhr läuft dann noch –guckt er mir nur kurz hinterher, stellt sich aber nicht mehr hin und ruft nach mir. In den letzen Wochen musste ich oder mein Mann oft noch ein- oder zweimal zu ihm gehen, bevor er endgültig einschlief. Irgendetwas in ihm hat jetzt verstanden, dass nun Zeit zum Schlafen ist. Mama und Papa aber nicht für immer aus dem Zimmer fortgehen. Spätestens wenn er weint, werden wir wieder an seinem Bettchen stehen und ihn beruhigen.
Als er heute seinen Vormittagsschlaf hielt, wunderte ich mich irgendwann, warum er nicht nach mir rief. Als ich ins Zimmer kam, war er bereits wach geworden, zum Fußende seines Bettes gekrabbelt und spielte mit seinem Kuschelhampelmann. Als er mich sah, freute er sich natürlich und stellt sich ans Gitter. Wow!
Jetzt ist gerade Dienstagmorgen nach sechs. Dieser Bericht könnte nicht zerstückelter sein. Aber Zeit ist nun einmal ein begrenztes Gut, gerade mit kleinen Kindern. Johann hat von gestern um sieben bis heute morgen um fünf durchgeschlafen. Nur gegen halb vier war er kurz wach, ließ sich jedoch durch die Stimme meines Mannes sofort wieder zum Weiterschlafen überreden. Wahnsinn, was er jetzt kann. Dafür bin ich natürlich auch schon seit kurz nach fünf mit ihm wach und fühle mich sooo müde.
Mein Mann sagte gerade, bevor er unter die Dusche ging, dass es eigentlich gar nicht wichtig sei, sich zu erinnern, wie es bei unserer Großen mit dem Schlafen war. Johann und sie seien zwei verschiedene Kinder, die jeweils etwas anders bräuchten. Und letztendlich müssten wir uns keine Sorgen machen, denn wir hätten bei unserer Großen so viel richtig gemacht. Und das Vertrauen reiche, damit es bei Johann auch klappen würde. Wir müssten nur einfach auf unsere Intuition vertrauen.
Eine bessere Zusammenfassung meiner "Erkenntnis der Woche" hätte ich selbst nicht geben können!
Somit euch allen eine schöne Woche, Antje
PS: Vielen Dank für die lieben Kommentare der letzten Woche.