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Baby-Tagebücher

Hautnah. Intensiv. Liebenswert. Folgt hier den Babytagebuch-Bloger:innen und erlebt regelmäßig, wenn frischgebackene Mütter und Väter ihr Leben mit euch teilen. Jede Woche lassen sie euch an ihrer neuen Lebenszeit mit Baby teilhaben und geben ganz persönliche Einblicke: Was hat der Sprössling diese Woche Tolles gelernt? Wie geht es den jungen Eltern mit dem kleinen Knirps? Welche Herausforderungen begegnen den Neu-Mamas und Neu-Papas mit ihrem Neugeborenen? In den Baby-Tagebüchern seid ihr live dabei, von ersten Arztbesuchen bis zu holprigen Gehversuchen. Ob liebenswert chaotisch oder rührend besinnlich: Immer erhaltet ihr einen unverfälschten, authentischen und persönlichen Einblick in das aufregende Leben einer Jungfamilie.
27. Woche

„Mein Bauch, mein Bauch!“

Von unserer Odyssee nach Hause und wie es dazu kam. Einmal mehr übers Stillen, Babybrei und eine Geschichte aus dem Nähkästchen.

Konnichiwa aus Japan!

Die letzte Woche war aufregend und anstrengend. Eines meiner geplanten Highlights, ein Besuch in Braunschweig, verbunden mit Annas U5, hatte ich am Montag abgesagt. Die Devise hieß ja bereits, möglichst nicht mehr zu reisen oder in Menschenmassen zu geraten. In solchen Fragen zählt ja nicht nur die Verantwortung für die eigene Person, sondern auch für Anna und in diesem Fall auch für meinen Schwiegervater, der leider mit Vorerkrankungen und aufgrund seines Alters zur Risikogruppe gehört. Die Praxis hatte ich nur per Mail erreichen können, das Telefon war besetzt, die Antwort schien richtig erleichtert, offenbar haben sie gerade Hochbetrieb und meine Absage kam ganz gelegen. Mir tat es trotzdem leid, ich hatte mich wirklich darauf gefreut, einmal mit einem Arzt auf Deutsch über Anna zu sprechen.

Wir wollten und sollten baldmöglichst nach Japan zurück. Als ich die ersten Male noch in Japan über Quarantäne nachdachte, diese Was-Wäre-Wenn-Gedanken, wollte ich lieber in Deutschland sein, in einem solchen Fall. Nun war die Situation nah dran und uns ging alles Mögliche durch den Kopf. Auf jeden Fall würde es einige Fragen aufwerfen: In Japan sind wir krankenversichert. Für die Reise sind Anna und ich es auch in Deutschland, mein Mann aber nur im Notfall über eine Versicherung im Zusammenhang mit dem Stipendium. Müsste ich oder müssten wir uns wieder in Deutschland anmelden? Dann könnten wir uns pflichtversichern. Dann müsste ich mich auch bei der Agentur für Arbeit melden, denn als ich ausreiste, war ich für die letzten Tage arbeitssuchend gemeldet. So viel Kram, der Behördengänge und damit in dieser Zeit ungewollte Fahrten auslösen würde. Würde das Stipendium weiter bezahlt? Könnte Roman auch von Deutschland aus arbeiten, also, würde der japanische Stipendiengeber das akzeptieren?
Zudem ist ja völlig offen, wie lange sich diese Situation hinzieht und wie lange wir bleiben müssten. Ich mag die Familie meines Mannes, aber wir waren dort fünf Erwachsene in einer 3,5 Zimmer Wohnung. Ich schlief mit Anna auf einer 90cm breiten Matratze, das war eng. Gut, solange man noch irgendwie würde reisen können und wenn es mit einem Mietauto wäre, könnten wir auch noch zu meinen Eltern nach Bayern zurück. Aber erstes Ziel war für uns, zurück nach Japan zu kommen.

Die Hotline der Fluggesellschaft war tagsüber dauerhaft belegt. Wir hatten Freunde in Japan gebeten, es einmal beim dortigen Büro zu versuchen. Auch sie hatten keinen Erfolg. Auch ein Servicecenter der Gesellschaft in Berlin wies mich ab, nur bei ihnen direkt gekaufte Tickets könnten sie ändern, sie wären ja ein Reisebüro und gehörten nicht zur Gesellschaft. Irgendwie verstehe ich den Begriff Servicecenter anders, aber dafür können sie ja nichts.

Wir erhielten eine Rundmail der deutschen Botschaft in Japan, dass es sein könnte, dass Japan die Einreisebestimmungen dahingehend verschärft, dass Visa (auch für mehrfache Einreise) beginnend mit Samstag, bzw. Abreise am Freitag nach 16 Uhr, ungültig würden und auch Quarantäne für zwei Wochen für alle Einreisenden aus den dann erklärten Risikogebieten verhängt werden könnte. Mein Mann hatte bereits von der Uni die Nachricht bekommen, dass er zwei Wochen lang nicht zur Uni dürfte und seinen Gesundheitszustand würde protokollieren müssen.
Mittwochmorgen gegen 4 Uhr nach dem Stillen versuchte ich es erneut. Während ich immerhin die Warteschleife erreichte, saß ich im Badezimmer auf dem Boden und machte es mir gemütlich, sah mir eine Folge Großstadtrevier an, feilte die Nägel… Nach gut eineinhalb Stunden guckte ich mal wieder nach Anna. Sie hatte sich umgedreht und lag etwas unglücklich da, würde sicher gleich aufwachen. So legte ich mich zu ihr und stillte sie noch mal. Das Telefon legte ich hinter meinem Kopf ab und hörte leise weiter das Gedudel und die Ansagen, was man doch alles im Internet selbst tun könnte. Tja, da wir einmal umgebucht worden waren, war es für uns nicht möglich nun selbst umzubuchen.
Dann plötzlich, Anna war glücklicherweise gerade richtig aufgewacht und in den Spielmodus gewechselt, hörte ich die Stimme eines Mitarbeiters. Ich sammelte mich, mein Mann schnappte sich Anna und ich konnte tatsächlich auf Freitag umbuchen, tutti paletti.

Am Vormittag brachen wir gerade zu einem Spaziergang auf, da las ich die neuste E-Mail: Der Freitagflug war gestrichen worden, man würde uns informieren, wenn eine Alternative gefunden wäre. Na toll.
Wir beschlossen trotzdem erst einmal spazieren zu gehen, immer schön mit Abstand zu anderen. Auf den Spielplätzen und im Skatepark sah man noch viele Leute. Am Nachmittag fuhr mein Mann zum Flughafen in der Hoffnung dort etwas ausrichten zu können; leider auch erfolglos. Der Mitarbeiter konnte zwar eine Mitarbeiter-Hotline anrufen, aber die war auch belegt.

Als mein Schwager von der Arbeit kam und von der Streichung unseres Fluges erfuhr, riet er uns, neu zu buchen, was wir dann auch taten. Dabei mussten wir natürlich auch darauf achten, dass die Transitländer uns auch durchließen. Über Moskau bekamen wir einen Flug nach Tokio. Von Moskau hatten wir die Tage viel gehört, denn meist guckt mein Schwiegervater russisches Fernsehen. Von Tokio müssten wir dann mit dem Zug nach Kyoto, uns stand eine lange Reise bevor.
Kurz und knapp, die Reise verlief problemlos. In Berlin Schönefeld war es ein bisschen gespenstisch, weil in unserem Terminal nur noch der Check-in für zwei Flüge abgefertigt wurde. Es gab immer wieder die Durchsage, dass man doch bitte draußen warten solle, wenn der Check-in noch nicht geöffnet hätte, aber die Menschen standen trotzdem dicht gedrängt in der Warteschlange vor dem Schalter. Eine Mitarbeiterin vom Flughafen brachte uns wegen Anna in die erste Reihe vor alle anderen Wartenden, wieder einmal war Anna unser Joker.
In Moskau standen schon alle im Gang und wollten raus, da hieß es: Hinsetzen. Es kamen ein paar Leute in Schutzanzügen und Masken herein und hatten Wärmekameras, damit scannten sie das ganze Flugzeug. Offenbar hatte niemand Fieber.
Was uns mit Anna nun entgegenkam, war, dass der Langstreckenflug ein Nachtflug war. Ich bekam Anna in der Trage in den Halbschlaf und konnte sie auf einem freien Sitz zwischen meinem Mann und mir ablegen. So schlief sie etwa vier Stunden. Allerdings war es diesmal schwieriger mit dem Stillen und sie bekam auf der ganzen Reise sehr viele Fläschchen. Zum Glück hatten wir die übrige Pulvermilch aus Deutschland auch ins Handgepäck gepackt und nicht nur die Portionsdöschen gefüllt. Übrigens schmeckt die deutsche Pulvermilch deutlich süßer als die japanische, hätte ich nicht erwartet.

Ach ja, das Stillen, davon möchte ich auch noch einmal berichten. Schon vor der Abreise nach Deutschland hatte ich zwei Tage lang ohne die Laktationshilfe gestillt und ab und an ein Fläschchen gegeben. Bei meinen Eltern lief das problemlos weiter so. Auf der Fahrt nach Berlin gab es dann wieder so viele Fläschchen, dass die Brust Anna am nächsten Tag wieder zu wenig war. Ich griff zurück auf die Laktationshilfe. Ich weiß nicht, ob es die Fläschchen waren auf der Fahrt oder ob ich durch all die Aufregung so nervös war, dass die Milch weniger wurde.
In München hatte ich einmal mit einer Stillberaterin der La Leche Liga telefoniert. Ich würde ja eigentlich gerne die Laktationshilfe weglassen, aber sie riet mir doch dazu, sie lieber beizubehalten statt die Fläschchen zu geben. Ansonsten bestärkte sie mich in meiner Entscheidung, gerade jetzt das Stillen noch möglichst lange aufrecht zu erhalten. Entgegen landläufiger Meinungen sei Muttermilch viel nahrhafter als ein Babybrei und das Stillen nicht schuld daran, dass die Babys nachts aufwachten. Und die Fahrt mit den vielen Fläschchen zeigte mir auch wieder, wie schnell Anna sich an den „leichten Weg“ gewöhnte.

Von Anna gibt es außerdem zu erzählen, dass sie immer kräftiger wird, wieder weniger Probleme in der Bauchlage hat und immer öfter in den Handtellerstütz geht. Die Oma in Berlin hat ihr ein Babytelefon geschenkt, das findet sie ganz wunderbar und die Tasten kann sie schon bedienen. Überhaupt, unser Spielzeug musste ich auch dort nicht auspacken. Und jammerte unsere kleine Prinzessin auf dem Boden, war die Oma nicht weit, sie auf den Arm zu nehmen und ihr die Wohnung zu zeigen und das Leben zu erklären.

Auch hier musste ich mich um kaum etwas kümmern, die Oma schien zu gern bereit. Wenn auch ihre und meine Vorstellungen vom Babybrei etwas auseinander gingen. Erst wusste ich nicht recht, wie damit umgehen. Ich wollte sie ja nicht vor den Kopf stoßen, aber meinte doch, es besser zu wissen, bzw. das Wissen der Zeit auf meiner Seite zu haben und schließlich ist Anna ja mein Kind. Das Deutsch meiner Schwiegermutter ist nicht so gut, dass wir uns viel unterhalten würden, und laut meinem Mann ist sie in allem eine „Expertin“. Er hat es aufgegeben mit ihr wegen solcher Sachen zu diskutieren, sie wisse eben alles besser. Nach einem Spaziergang mit Anna in der Trage, auf dem ich gebetet hatte, war ich innerlich frei, meiner Schwiegermutter nachzugeben. Im konkreten Fall war es um die Milch für den Griesbrei gegangen, den sie für Anna unbedingt machen wollte, weil damit ihre beiden Jungs schließlich auch groß geworden waren. Sie wollte unbedingt eine ihrer Ansicht nach besonders gute, polnische Milch verwenden mit nur 3,2% Fett statt der deutschen Milch, die laut ihr nur ein Milchgetränk und künstlich wäre. Ich hätte ja am liebsten eine Biomilch gekauft, aber doch wenigstens eine Milch mit 3,5% Fett verwendet, und das hatte die deutsche Milch.
Jeder hat wohl so seine Meinung und Vorstellung, was gut ist und was besser. Bestimmt habe ich da auch „blinde Flecken“ und beharre auf manchem, das längst widerlegt ist und weiß davon vielleicht nicht, und wenn ich es wüsste, würde ich es vielleicht nicht glauben. Anna würde von ein paar Malen Brei mit dieser polnischen Milch sicher keinen Schaden nehmen. Der Familienfrieden würde aber gewahrt. Als ich zurückkam und es Zeit für den Brei war, hatte meine Schwiegermutter eine andere deutsche Milch dafür gekauft. Auch sie war also zum Einlenken bereit.

Beim Füttern erzählte meine Schwiegermutter aus dem Nähkästchen. Als mein Mann zwei oder drei Jahre alt war, hatte er bei einer Nachbarin Essen bekommen. Diese wollte ihn als gutes Beispiel für ihren Enkel, weil mein Mann wohl schon damals schnell und gut aß. Die Nachbarin übertrieb es aber wohl etwas mit dem Nachschlag. Als er nach Hause kam, sagte er nur „mein Bauch, mein Bauch“, fiel auf das Sofa und wälzte sich vor Schmerz oder schlief fest bis zum nächsten Morgen, das wussten beide nicht mehr so genau.

Nun, Freitagvormittag kamen wir in Tokio an, dort wurde die Temperatur mit Wärmekameras überprüft. Es war nicht viel los und wir kamen überall schnell durch, die Einreisebestimmungen waren noch nicht verschärft worden. Vom Flughafen ging es in einer Stunde mit dem Bus zum Bahnhof. Normalerweise fahren Züge nach Kyoto im 10-Minuten-Takt, aufgrund der Coronakrise und dem geringeren Fahrgastaufkommen fuhren sie nun nur noch alle 40 Minuten. Anna machte ja bei allem ganz toll mit, aber so langsam merkten wir ihr schon an, dass sie einfach fertig war, mal wieder Zeit auf dem Boden, sich frei zu bewegen brauchte und auch einfach einen ruhigen Schlaf, auch auf einer ebenen Fläche. Gegen 18 Uhr waren wir auch endlich zuhause, Anna war im Kinderwagen auf dem letzten Stück wieder eingeschlafen. Wir wuschen uns die Hände, lüfteten, packten die Koffer aus und duschten. Als Anna wach wurde, konnte sie noch mal spielen, dann ging es ins Bett, den Brei ließen wir aus. Sie wurde noch öfter wach die Nacht, die Zeitumstellung machte ihr Schwierigkeiten. Ich hätte wahrscheinlich durchgeschlafen ohne sie. Aber wofür ist man Mama…

Samstag schliefen wir lange, machten einen langen Spaziergang – die Kirschblüte hatte begonnen –, kauften ein. Dabei zog ich mir den Schal doppelt vor Mund und Nase. Masken bekamen wir wieder nicht zu kaufen. Sonntag war das Wetter mäßig und wir vertrödelten den Tag zuhause. Anna bekommt nun regelmäßig mittags und abends Brei und ich stöhne ein bisschen über den Aufwand und die Essensplanung. Meine sonstige Küche ist nicht gerade babytauglich, merke ich.
Wir werden uns auch ohne offizielle Quarantäne die nächsten zwei Wochen mit niemandem treffen und Menschenansammlungen aus dem Weg gehen. Mein Mann macht Homeoffice soweit er kann, technisch beschränkt und durch die Ablenkung zuhause. Ich konzentriere mich auf Annas und unser Essen. Das ist mir gerade auch genug.
Die anstehende Impfung für Anna gestern habe ich abgesagt. Laut der Ärztin gibt es bei dieser öfter Nebenwirkungen und sie wollte sie nicht vor der Reise machen. Dann hat das jetzt auch noch Zeit.

Wenn man sich die Entwicklung Japans in Punkto identifizierte Coronafälle ansieht, ist diese deutlich weniger steil. Allerdings wird hier nur bei Kontakt mit Infizierten oder nach vier Tagen mit Symptomen inklusive hohem Fieber getestet. Insofern kann die Dunkelziffer wesentlich höher sein. Die japanische Bevölkerung gehört mit der italienischen zu den ältesten der Welt. Allerdings tragen viele Leute gewohnheitsmäßig Masken und diese verhindern ja bei unbemerkten Fällen zumindest einen Teil der Übertragung. Außerdem scheint der Aufruf zu gesteigerter Hygiene nicht umsonst gewesen. Die sonstigen Grippepatienten sind deutlich unter Schnitt, wie man hört, und die Krankenhäuser nicht überfüllt.

Nun, ich wünsche euch allen weiterhin Gesundheit und hoffe, ihr hattet Spaß an meinem Bericht.
Bis nächste Woche und gute Nerven für die Zeit zuhause oder die möglicherweise anstrengendere Arbeit euch allen!

Silke, mit der schlafenden Anna und der Mann grüßt vom Schreibtisch



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